Kann es sein...
...dass du Angst vor dem Referendariat hast?
Du schilderst ganz genau, weshalb du überhaupt nichts an deiner bisherigen Situation verändern kannst. Du hast das alles bis ins kleinste Detail durchdacht und kommst dann immer zu dem Ergebnis, dass du keine andere Wahl hast. Legitimiert werden deine Bedenken von den Behörden, die dich in deiner Ansicht bestärken. Außerdem führst du Bekannte an, die dir von ihren schrecklichen Erfahrungen berichtet haben.
Ich denke, dass das Vermeidungsgedanken sind, die sich schon stark bei dir verfestigt haben.
Mein erster Gedanke war: Wenn du dich trennen möchtest und du sowieso keine Unterstützung vor Ort hast, warum bewirbst du dich nicht in einem anderen Bundesland? Es gibt genug Bundesländer, da suchen sie händeringend Lehrkräfte.
Du brauchst doch eine Perspektive für die Zukunft und kannst nicht ewig warten, bis sich die Situation in Bayern entspannt. Bei der Jobsuche geht es ja vielen ähnlich. Es ist eher unwahrscheinlich, dass man in seiner Heimat bleiben kann. Ich hoffe natürlich, dass dein Mann dich und dein Kind gehen lassen würde, denke aber, dass es auch hier Möglichkeiten gebe, gerade wenn dein beruflicher Werdegang davon abhängt. Ansonsten mach das Referendariat in Bayern und zieh danach in ein anderes Bundesland. Bewirb dich und zieh in den Ort, in dem deine zukünftige Schule liegt. Dann musst du nicht ständig pendeln. Oft bilden Referendare auch Fahrgemeinschaften, so dass man nicht zwangsläufig ein Auto benötigt.
Ich verstehe auch gar nicht, warum du dein Studium als schlechte Wahl betrachtest. Noch nie sah es so gut aus für Lehrer! In vielen Bundesländern bleiben Planstellen unbesetzt und du jammerst. Das kann ich nicht nachvollziehen.
Ich habe mein Referendariat im Juli beendet und dieses in Niedersachsen absolviert. Vollzeit mit zwei Kindern. Hier vor Ort haben wir auch keine familiäre Unterstützung. Es hätte aber die Möglichkeit gegeben, das alles in Teilzeit zu absolvieren. Dabei verzichtest du jedoch anteilig auf Geld.
Verdient habe ich ca. 1200 Euro Netto, dazu kamen noch Familienzuschüsse für zwei Kinder. Fahrtkosten zu den Seminaren werden dir erstattet. Ich habe gerade nachgeschaut: in Bayern verdienst du genauso. (Besoldungsrechner Bayern: Besoldungsgruppe AW A12). Du wirst während des Referendariats verbeamtet (Beamtin auf Widerruf) und trägst die Bezeichnung "Lehrerin im Vorbereitungsdienst" (LiVd). Ich kann mir kaum vorstellen, dass während eines Insolvenzverfahrens eine Absolvierung des Referendariats nicht möglich ist. Vielleicht könntest du deine Gläubiger aber auch gnädig stimmen, wenn du ihnen in Aussicht stellst, dass du finanziell bald besser gestellt bist.
In einem anderen Bundesland sieht es eventuell auch besser aus mit den Betreuungszeiten. Meine Kinder gingen bis 16 Uhr in die Betreuung. Das war locker zu schaffen. Zur Not musst du dir einen Babysitter suchen, der 1-2 x die Woche am Nachmittag einspringt.
Trotz aller Seminare, Unterrichtsvorbereitungen, Unterrichtsverpflichtungen etc. war ich nie bis 20 Uhr in der Schule. Natürlich gibt es Dienstbesprechungen und Konferenzen, aber nicht ständig und jede Woche. In Niedersachsen musst du auch keine Klassenleitung übernehmen. Du hast 12 Unterrichtsstunden, davon einige eigenverantwortlich und einige in Doppelbesetzung. Einmal die Woche hast du ein Fachseminar (3h) und alle zwei Wochen Pädagogikseminar (4h). In dieser Zeit hast du keine Stunden in der Schule abzuleisten (logisch). Ich habe in der ganzen Zeit nie erlebt, dass andere Lehrer mir zusätzliche Aufgaben aufgebrummt haben, auf die sie selbst keinen Bock hatten. Im Gegenteil: Die meisten haben großes Verständnis für einen und helfen gern.
Es ist eine anstrengende Zeit und es gibt Phasen, da kommt man an seine Grenzen, aber du willst doch eine Perspektive für die Zukunft, für dich und dein Kind.
Dazu gehört aber der erste Schritt, pack es an! Trau dich! Und hör nicht auf diese ganzen Horrorgeschichten. Davon habe ich vorher auch genug gehört und es kam alles ganz anders!
Wenn du das schaffst, dann wird sich auch alles, was vorher war, relativieren. Die Schulden haben dann einen Sinn gehabt. Jetzt hast du Schulden und keinen Job und scheinbar auf lange Sicht auch keine Aussicht auf Veränderung.
Kann es sein, dass du dir den Lehrerjob gar nicht zutraust, vielleicht weil du schon zu lange raus bist? Aber auch hier gilt: Finde es heraus! Pack es an! Und anders als du es schilderst, sind die Bedingungen nicht härter geworden, sondern besser: Gerade weil so viele Lehrer gesucht werden. Ich habe von meinen Seminarleitern durchweg Unterstützung und positiven Zuspruch erhalten. Ich glaube, das war früher tatsächlich anders. Und zu deiner Vermutung, dass du sofort als durchgefallen giltst, wenn du mittendrin merkst, dass du es nicht schaffst: Wenn es aus welchen Gründen auch immer scheitert, kannst du erstmal ganz normal kündigen und dir später bereits absolvierte Zeiten anrechnen lassen. Es gibt auch die Möglichkeit, direkt mit dem Studienseminar einen Plan zu machen, wie es irgendwann weiter gehen könnte. Durchgefallen bist du, wenn du dich zur Prüfung anmeldest und am Prüfungstag nicht kommst oder eben den Anforderungen nicht genügst. Außerdem gibt es immer die Möglichkeit, freiwillig zu verlängern. Das Studienseminar lässt auch hier mit sich reden und sieht das manchmal sogar vor, wenn ein Anwärter oft krank war oder dergleichen. Verliere dich bitte nicht in wilden Spekulationen!
Ich habe vor langer Zeit einen Spruch gelesen, der heißt:
"Es gibt tausend Gründe, alles beim Alten zu lassen und nur einen einzigen, etwas zu verändern: Du hältst es einfach nicht mehr aus!"
Geh das Wagnis ein und vertrau auf dich!