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linea Muss jetzt jeder, der in seinen Augen Sexistisch behandelt wird erst mal Jura lernen um sich über das ihm angetane beschweren zu dürfen?
Nein, nicht jede/r, die/der sich sexistisch behandelt wähnt, muss das.
Ich hätte mich ja gar nicht bemüßigt, mich über das Thema auszulassen, wenn nicht schon in der Subject-Zeile des Diskussionsfadens mit den Worten "ab wann ist etwas sexistisch?" genau danach gefragt worden wäre, was Sexismus ist.
Je nachdem, was man sich von seiner Beschwerde erhofft, kommt es nicht speziell auf profunde Jurakenntnisse an, aber vielleicht auf korrekte Begriffsverwendung, damit man verstanden und ernstgenommen wird und ggfs seinerseits versteht, wo in der Argumentation es hapert und wie man seine Argumentation wasserdicht macht.
Wenn man sich beschwert, nicht nur, um sich den Kropf zu leeren, sondern zB, um andere dazu zu bringen, sich für einen einzusetzen, sollte man wissen, was die Worte, mittels derer man die Beschwerde formuliert, bedeuten, um diese anderen korrekt ins Bild setzen zu können.
Zur Frage nach dem Juralernen:
Jura zu lernen ist generell kein Muss.
Jura nur zu dem einen Zweck zu lernen, sich beschweren zu können, wenn man sich sexistisch behandelt wähnt, ist zwar denkbar, aber kein Muss und wäre in meinen Augen ungewöhnlich.
Aber wenigstens rudimentäre Kenntnisse davon, wie das Rechtssystem aufgebaut ist und funktioniert, schaden in der Daseinsbewältigung generell nicht. Und wenn z.B. Rechtsbeistände beim Verfassen der Klageschrift und auch sonst Terminologie korrekt verwenden, dann ist das begrüßenswert.
Sonst kann sehr leicht etwas passieren, was in unserem Rechtssystem oft vorkommt:
Die widerrechtlich bzw. rechtswidrig handelnde Person kommt mit ihrem widerrechtlichen bzw. rechtswidrigen Verhalten durch, geht straffrei aus, bzw ohne Auflagen wie Schadenersatz, weil der Sachverhalt mit unzutreffenden Begriffen beschrieben ist, sodass aus der Sachverhaltsbeschreibung nicht auf widerrechtliches/rechtswidriges Verhalten bzw nicht auf das Erfülltsein von Straftatbeständen geschlossen werden kann.
Manchmal geht das in Strafsachen so weit, dass eine Täterin/ein Täter für das Falsche angeklagt ist, sodass die Richterin/der Richter die Täterin/den Täter für das, wessen sie/er angeklagt ist, nicht verurteilen kann. Und sich wundert, warum die Täterin/der Täter nicht unter Nennung des zutreffenden Straftatbestandes angeklagt wird.
Und dann wird über das Rechtssystem gemotzt, in dem die bösen Lumpen davonkommen, anstatt über diejenigen, die aus irgendwelchen Gründen die (An-)Klageschrift nicht sorgfältig formulieren.
Die Menschen haben manchmal schon ein Gespür dafür, ob sie korrekt oder falsch behandelt werden. Und in unserer Gesellschaft darf man derzeit auch noch ohne Fachsprachenkenntisse - Kenntnis der Bedeutung des Begriffs "Sexismus" hat meines Erachtens nichts mit juristischer oder sonstiger Fachsprache zu tun - ggfs seinen Umut/sein Missfallen/seine Missbilligung/seinen Verdruss äußern, sofern man dabei unter anderem darauf achtet, keinen der im vierzehnten Abschnitt (Beleidigung) des besonderen Teils des Strafgesetzbuchs genannten Straftatbestände (bedingt) vorsätzlich zu erfüllen.
Woran es aber öfter mal scheitert, ist, dass die Leute in ihren Darlegungen die Begriffe und damit einhergehend die Tatbestände nicht richtig zuordnen. Und dann auch in Situationen, in denen sie es verdienen, ernstgenommen zu werden, nicht ernstgenommen werden.