Nicht alles verteufeln!
Ich weiß nicht, ob Ärzte leichtfertig Antidepressiva verschreiben - meiner nicht. Mein Hausarzt, der mich schon lange kennt und wusste, in welchen Schwierigkeiten ich stecke, hat es mir mal angeboten. Habe aber in der zweiten Woche abgebrochen wegen der schrecklichen Nebenwirkungen. Habe damals aber eine Gesprächstherapie gemacht.
Nun ging es mir nach vier Jahren, und die waren mehr schlecht als recht, wieder total schlecht: Panikattacken, Nervenzusammenbruch, Sozialphobie usw. In dieser Phase bin ich dann selber angekrochen gekommen und kam noch einmal auf das Thema AD zu sprechen. Diesmal habe ich die ersten 3 Wochen durchgehalten, die Nebenwirkungen waren wieder schaurig, aber jetzt, nach 4 Monaten, kann ich sagen, es geht mir richtig gut!!!
Die Dosis wurde ganz langsam erhöht und ich lebe richtig auf! Ich kann Glück richtig empfinden, ich wußte jahrelang gar nicht wie das ist! Dadurch, dass ich mich verändert habe, mutiger, aufgeschlossener, belastbarer bin, hat sich auch die Beziehung zu meinem Partner und meiner Umgebung total positiv verändert.
Ich gehe in eine Selbsthilfegruppe und möchte nochmals eine Therapie beginnen, ich denke, Tabletten alleine helfen nicht, aber am Anfang helfen sie wieder im Leben zurecht zu kommen. Ich habe nicht vor, die AD mein Leben lang zu nehmen, aber eine Zeitlang schon.
In der Selbsthilfegruppe sehe ich viele Frauen in meinem Alter die durch eine Veränderung in ihrem Leben, z.B. Tod, Scheidung, schwere Krankheit, aus ihrem Leben gefallen sind. Andere kennen depressive und suizide Phasen praktisch schon ihr Leben lang. Mit ihren AD sind das tolle, tatkräftige und sehr sensible Frauen die ihr Leben meistern und sich nicht für ihre Krankheit schämen. Was soll daran verkehrt sein? Alle haben schon einen jahrelangen Leidensweg hinter sich, vieles ausprobiert und leben jetzt in einer Phase, wo sie ihr Leben meistern. Was ist daran verkehrt, auch wenn sie AD nehmen?
Mein Neurologe erklärte mir, dass bei manchen Menschen bestimmte Stoffe einfach nicht gespeichert werden, man muss sich das so vorstellen, wie wenn deine Schilddrüse (auf einmal) nicht mehr richtig funktioniert. Dann muss du auch ein Leben lang Medis dafür nehmen. Bei Depressionen kann das genauso sein, dein Körper kann die Serotonin-Botenstoffe nicht speichern und das kann Depressionen und Ängste auslösen. Jeder muss für sich herausfinden, ob er die AD ein Leben lang oder nur vorübergehend nehmen muss. Aber besser als Selbstmord oder Trennung allemal!