flavie_12350283Brauchen
Wenn Du schreibst, Du bräuchtest ihn, gehst Du von Deinen Interessen aus, nicht seinen. Daran ist nichts auszusetzen. Es ist auch wichtig, mitzuteilen, welche Bedürfnisse man hat.
Allerdings folgerst Du daraus, dass Du ihn brauchst, es nicht passieren darf, dass er sich auch zu anderen hingezogen fühlt. Wenn Du aber an die Liebe glaubst, so glaubst Du doch eigentlich auch daran, dass Dein Partner Dir die Aufmerksamkeit freiwillig gibt. Denn wenn er sie nicht freiwillig gäbe, so könnte man ja nicht von Liebe sprechen. Es muß ja nicht zwangsläufig sein, dass die Qualität oder die Quantität der Aufmerksamkeit deines Partners für Dich darunter leiden würde, wenn er sich noch auf andere Menschen einlassen würde. Es käme halt nur darauf an, wie er seine Freizeit einteilen würde und wie viel Wert er auf diese Aufmerksamkeit legt (was aber wieder mit seiner Liebe für Dich in Verbindung steht).
Deine Nachricht liest sich für mich wie eine "ganz oder gar nicht"-Einstellung: Entweder Du verzichtest fortan auf Männer oder Du erwartest, dass er vollkommen nur für Dich da ist und Du für ihn. Für mein Verständnis hat das wenig mit Liebe zu tun. Liebe hat für mich zwei wesentliche Elemente:
- Zum einen das augenblickliche Gefühl, dass Gefühl, dass man in dem Moment Liebe spürt. Dieses Gefühl läßt sich nicht einfangen und festhalten. Wenn es solche schönen Momente gibt, sollte man sie geniessen, aber gleichzeitig freilassen. Es ist ein Gefühl, und der Verstand sagt sich: das ist schön, das muss ich jetzt versuchen, festzuhalten. Genau dort liegt aber das Problem, denn man sieht den anderen als Auslöser des eigenen Glücksgefühls (der Liebe) und versucht ihn festzuhalten, um so dafür zu sorgen, dass dieser Auslöser immer da ist. Einerseits hat man so sein eigenes Glück in die Hände eines anderen gelegt und sich so abhängig gemacht. Andererseits kann sich so der Andere bedrängt fühlen und bei ihm die Liebe schwinden lassen.
- Zum anderen die innere Haltung: Man wünscht dem "Objekt der Liebe" (das kann der Partner sein, die Kinder, die Eltern, man selbst oder sonstige Menschen / Lebewesen / Sachen) aufrichtig, dass es ihm gut geht. Wenn man jetzt versucht, jemand dazu zu zwingen, nur für einen selbst da zu sein und ihn Gefühle für andere zu verbieten, so versucht man gegen die Natur des anderen vorzugehen. Dies steht aber im Widerspruch zur inneren Haltung der Liebe.
Zur Frage, wie das dann mit Kindern ist: Es geht ja hier nicht um Verantwortungslosigkeit. Meine Meinung ist, dass es auf jeden Fall so sein sollte, dass wenn man Kinder bekommt, man hierfür auch die Verantwortung übernehmen sollte. Kinder sind abhängig von den Eltern, sonst können sie erst gar nicht heranwachsen. Diese Verantwortung sollte man schon übernehmen und steht nicht im Widerspruch zum restlichen Text.
Die von Dir interpretierte Bedeutung "es liegt ja nur an mir, wenn er woanders hin muss, also, muss ich mich ändern, damit er immer öfter mit mir und bei mir und gar nicht das bedürfnis entwickelt woanders hin zu wollen" ist meiner Meinung nach nicht korrekt. Ich denke, der Wunsch nach Abwechslung ist allgemein im Wesen sehr vieler Menschen verankert. Sicher, man hat den freien Willen und kann beschliessen, diesem Wunsch nicht nachzugeben. Ebenfalls kann man dem Wunsch nicht nachgeben, weil die gesellschaftliche Etikette es so verlangt. Aber es liegt sicher nicht an Dir, wenn ein Mann sich dazu entschließt, dem Wunsch doch nachzugeben, da dieser dann wohl in seinem Wesen stärker ist als die Argumente dagegen.
Wenn man sich mit dem Partner so auseinandersetzt wie Du, kann das sicher ein Hinweis auf Liebe sein. Jedoch akzeptiert die Liebe und verurteilt nicht. Wenn Du davon ausgehst, dass es eine Macke ist und nicht einfach nur eine Eigenschaft des Partners, will man am Partner etwas rumändern, ihn nach seinen eigenen Vorstellungen modellieren. Und das ist in meinen Augen weniger Liebe als vielmehr Wunschdenken.
Abschließend möchte ich aber schon betonen, dass ich Deinen Standpunkt sehr gut nachvollziehen kann. Der Wunsch nach Sicherheit und danach, dass man einen geliebten Menschen immer in Reichweite hat, ist nichts mehr als menschlich. Ich für mich fühle und empfinde hier anders, da ich die Liebe eines Menschen erst als wahrhaftig empfinde, wenn ich ihn vollkommen frei lasse und er trotzdem aus freiem Wille zu mir zurückkehrt!
Liebe Grüße,
Gulliver