zauderer22Zum altenglischen Krimi: Auch vor hundert Jahren gabs auch in England nichts, was es nicht gab. Je nachdem, was man treiben wolle, musste man sich ins dafür geeignete Milieu begeben ohne an der Gesellschaftsordnung/den Machtstrukturen/den Standesgrenzen zu rütteln.
Fürs gesellschaftliche Überleben kommt es immer darauf an, wer in den Milieus, in denen man sich bewegt, die Deutungshoheit hat, welchen Rang/welche Position man selbst jeweils innehat, und wie ausschlaggebend die in den Milieus gefällten Urteile für einen selbst sind. Wäre der Verlobte der englische Kronprinz gewesen... Oder hätte es sich bei dem verlobten Pärchen um Unbekannte auf der Durchreise gehandelt ...
>Die sittliche Norm der Gegenwart wäre mindestens Gruppensex auf dem Hausboot. ... die heutige Moral...
Wir leben gegenwärtig in einem komplexen System aberwitzig vieler interagierender Parallelgesellschaften.
Die Ableger der Parallelgesellschaften sind dabei nicht fein säuberlich nach Staatsgebieten aufgetrennt, sondern in alle Welt verteilt, sodass bald jedes Dorf ein buntes Sammelsurium an Ablegern unterschiedlichster Parallelgesellschaften darstellt.
Ich glaube nicht, dass man anbetrachts der in den verschiedenen Parallelgesellschaften jeweils vorherrschenden unterschiedlichen Vorstellungen davon ausgehen kann, dass es "die sittliche Norm" bzw "die heutige Moral" gibt.
Die durch Flucht vor Kriegen und anderen Katastrophen/existenziellen Problemen verursachte Durchmischung der Menschen aller Weltteile wird außerdem immer stärker dazu führen, dass Gemeinschaften sich nicht mehr über ein bestimmtes Gebiet, zB Staatsgebiet, definieren, sondern sich über Internet, also virtuell zusammenfinden und/oder zusammenhalten und organisieren, sodass sich der Effekt, viele Parallelgesellschaften auf engem Raum zu haben, verstärken wird.
Wenn du die Leute der römisch-katholischen Kirchengemeinde, die bei mir um die Ecke ihre Kirche haben, oder die Leute, die nicht weit davon entfernt in die Moschee gehen, oder die orthodox-katholischen Christen ein paaar Straßen weiter, oder die Leute im Jüdischen Gemeindezentrum, oder den Inder vom Piza-Express fragst, wirst Du feststellen, dass die alle jeweils Gruppensex auf dem Hausboot eher nicht als Norm ihrer Gesellschaft betrachten. Zusammengenommen sind sie keine Minderheit.
(Konkurrierende) Vorstellungen, was angeblich "die Norm(tm)" wäre, werden von kleinen Teilen dieses Sammelsuriums an Ablegern von Parallelgesellschaften in die Köpfe der Menschen gepflanzt. Solchen Teilen, die die Kontrolle über Massenmedien haben. Die vermittelten Bilder über eine vorgegaukelte Gesamtsituation entsprechen meiner Wahrnehmung nach selten der Realität.
Ich habe zB öfter Hausboote gesehen. Dabei aber nicht den Eindruck gewonnen, dass da ständig Gruppensex stattfindet. Wenn man Gruppensex aufm Hausboot will, muss man nach einem entsprechenden Milieu/einer entsprechenden Szene suchen. Wäre es die Norm, dann müsste man nicht lange suchen. Seit es Internet gibt, fällt Suchen nach allem möglichen leichter. Dass man die Nadel im Heuhaufen leichter findet, heisst aber nicht, dass das Nadel-in-Heuhaufen-tum wirklich weit verbreitet ist.