also wenn ich meinen Chef und den gesamten Vorstand auch mit Du anspreche, ist das Ihrer Meinung nach respektlos und distanzlos? Da muss ich Ihnen widersprechen, wir wissen alle sehr wohl, dass wir nicht der Vorstand der Firma sind (und überwiegend auch nicht sein wollen).
Ich würde mit meinen Kollegen im Allgemeinen und den Chefs im Besonderen bestimmt nicht über irgend etwas privates von mir sprechen. Schon allein da ist völlige Distanz da. Auch nicht nach Feierabend Essen oder etwas Trinken gehen. Aber ich formuliere es mal bewußt überspitzt: Hörigkeit würde in unserem Bereich schaden.
Der Chef entscheidet. Ohne Wenn und Aber. Das muss ich weder toll noch richtig noch klug finden, aber umsetzen. Dennoch, wenn ich es nicht richtig, nicht toll und nicht klug finde, ist es meine Pflicht, ihm zu widersprechen und das natürlich zu begründen.
Wie alle meiner Kollegen auch bin ich in meinem Bereich der Experte, nicht er. Würde ich blind alles abnicken, was er sagt, würde das der Firma enorm schaden.Trage ich meine Argumente vor und er entscheidet dennoch anders, als ich es mir vorstelle - tja, er ist der Chef, seine Entscheidung. Aber widersprechen muss ich, wenn es angebracht ist. Bzw. wenn es mir angebracht erscheint. Ist ja nicht so, dass ich mich nie irre ;) Das gehört dazu und ist wichtig. Genauso wie ich meinen Kollegen gegenüber meine Meinung anbringen muss, wenn sie dabei sind, etwas zu tun, was ich für falsch halte.
Ich denke, das "Du" innerhalb der Firmen ist auch mit einem solchen Hintergrund üblich geworden. Auch als kleiner Lehrling in einem Handwerksbetrieb kann man etwas sehen, was der Chef nicht sieht - und es ist sicher nicht der Schaden vom Chef, wenn er das erfährt, bevor es zu spät ist.
Die Unternehmensführung und die Unternehmenskultur hat sich im Laufe der Zeit verändert. Natürlich gibt es hierarchische Strukturen, in fast allen Fällen ist das durch und durch sinnvoll. Aber die Version, dass die unteren Stufen das Hirn am Eingang abgeben und ohne Wenn und Aber tun, was Chef sagt und wie Chef sagt, kommt heute keine Firma mehr weiter. Da müssen Schranken fallen und Chefs nicht mehr "gottgleich" sein. Sie sind nun einmal Menschen, keine Götter und im Unterschied zu Göttern machen Menschen Fehler.
Alle Angestellten zu Schafen zu machen, die schön vor dem Wolf zittern und ansonsten nicht auszucken, ist für kein Unternehmen in unserer Zeit mehr sinnvoll.
Es geht darum, dass man - auf allen Hierarchieebenen mehr miteinander arbeitet als nebeneinander. Ein "sie" fördert das "nebeneinander" mehr, ein "Du" ist dem "miteinander" zuträglicher.