uli080457Vor knapp eine Jahr besuchte mich meine vitale, gegen die 80 Jahre steuernde Mutter. An der Sonne auf der Promenade schlendern, blieb sie plötzlich apruppt stehen, blickte mir ins Gesicht und fragte mich entsetzt: "Sieh dich um, wieso kleiden sich ältere Menschen eigentlich so grottenhässlich, und machen sich noch grauer als sie sonst schon sind?"
Daraus wurde eine angeregte Disskusion mit Folgen, zumal ich ihre Einschätzung absolut teilte und gerne auch auf die Männer erweitert sehe. Mir scheint, es gibt ein Alter, eine Grenze, wo viele die Lust verlieren, in den Kauf neuer Kleider zu investieren. Und sich fallen lassen auch in der äusseren Erscheinung. Meine Mutter, die Jahrzehnte lang für ein renommiertes Modelabel gearbeitet und entworfen hat, mag beruflich vorbelastet sein. Aber es ist tatsächlich erstaunlich, wie egal offenbar vielen Menschen ist, wie sie daherkommen. Nun beisst sich bei dieser Argumentation natürliche die Katze in den Schwanz. Zumal man auch da argumentieren könnte, es trage letztlich jeder was er wolle. Mir scheint aber, dass das nicht ganz freiwillig geschieht. Vermutlich ist es eine Mischung aus Tradition und Konvention, überholter Moral und diversen Handycaps, die Menschen in ihrem Outfit mit dem Alter verkümmern lässt. Wohl fehlt es auch an Ermutigung, Bestärkung und Lob in Freundschaften und Langzeitbezieungen, gleich welcher Art.
Als Mann kleide ich mich relativ neutral, bevorzuge eher klassische Schnitte im sportlich, eleganten Bereich, meide Schwarz und lasse mich gerne von Farben inspirieren. Und es gibt einen zur Jahreszeit und dem Ort passenden Wechsel. Ich habe viele Künstler, Designer und Architekten im Bekannten- und Freundeskreis, und finde stets, dass dort auch im Alter mutig(er) experimentiert wird.
Kein grosser Fan bin ich hingegen von "Uniformierungen", wo sich die Kleidung der Zuordnung zu einer Gruppe unterwirft und damit den betreffenden Menschen. Oft begegne ich genau dort all jenen, die nicht müde werden ihre Individualität zu betonen, um dann doch linientreu einem Mainstream zu folgen. Auf völlige Ablehnung stösst bei mir eigentlich nur jede Form von Militärklomotten, oder Anbiederung daran. Da habe ich auf wirklichen Kriegsschauplätzen zu viel Elend gesehen und erlebt, um für solche Kleidung im Privaten irgend eine Form von Verständnis aufzubringen. Und mit Basecaps auf den Köpfen von Männern und Frauen verbinde ich ab einem bestimmten Alter nicht erst seit Donald Trump dumpfe Hirnleistung.
Eine gute Freundin übrigens, sie schrammt demnächst an die 60, kleidet sich oftmals mehrfach um am Tag. Kleidung, so sagt sie, soll ihr Gemüt, ihre Verfassung spiegeln, aber auch ihre Rolle. Und die sei oft am Morgen eine andere als am Nachmittag und Abend. Die Frau hat nicht nur Stil, sie ist auch stets sehr sexy gekleidet und hat grossen Spass daran.
Mir scheint, in der Entwicklung deiner Töchter ist einiges schief gelaufen, oder aber, du hast einen so radikalen Schnitt vollzogen, dass sie ihm (noch) nicht (ganz) folgen können.