det92Männer die in Vorleistung gehen und Frauen die ihre Gefühle, ihr Interesse erst später zeigen - nicht gerade eine seltene Situation, wie mir scheint, ja eher die Regel als die Ausnahme. Dass sich zwei über den Weg laufen, und sich bei beiden zeitgleich die selben Gefühle, das selbe Begehren, die selben Wünsche einstellen, halte ich für unrealsitisch. Es spurt immer jemand vor, es ist immer jemand weiter, mutiger, beharrlicher, optimistischer.
In diesem Sinne ist/wäre Leni ja eigentlich normal unterwegs. Dumm nur, dass sie auf Männer steht, die glauben eine viel zu grosse Auswahl zu haben. Und ich fürchte, dass sich da auch ein allgemeiner Zeitgeist, sich nicht anstrengen zu wollen, negativ auswirkt. Mann und Frau sind heute fast alle mehrgleisig unterwegs, beim geringsten Wiederstand, bei der geringsten Unstimmigkeit wechselt man zur potenziellen Partnerin B, zum potenziellen Partner C.
Es mag wiedersprüchlich klingen, passt aber wohl gut, wenn ich vermute, dass aus dieser letztlich konsumistischen Haltung heraus der Einzelne nicht wirklich spürt, was er haben will, was er für sich wirklich braucht. Man ist zu wenig bei sich selbst. Und das hat nichts mit überzogenen Ansprüchen, sondern eher mit dem Fehlen dieser zu tun. Wenn eigentlich jeder oder jede in Frage kommt (innerhalb einer bestimmten Community), hauptsache es fühlt sich locker und nicht schwierig an, habe ich doch selber keinen wirklichen Plan und dem Gegenüber keine Perspektive zu bieten! Langweiliger geht nicht!
Richtiger weise hat jemand geschrieben, dass sich Partner nicht aus dem Baukasten zusammenstellen lassen. Das mögen einige bedauern, aber genau die, so vermute ich, wüssten auch gar nicht, wie sie sich ihre Partnerin zusammenbasteln wollten, so sie könnten.
Ein weiterer Gedanke wäre, ob es in der (erfolglosen) Partnersuche möglicherweise auch um eine Leere bei uns Menschen geht, weil in der Beschaulichkeit unseres unaufgeregten Lebens letztlich alles überblickbar, geplant und durchgetacktet ist, es an Überraschungen, dem Ungeplanten, dem ganz anderen mangelt?
An die Adresse von Leni: Männer die drann bleiben, sich festlegen, sind halt wirklich die, denen du möglicherweise unterstellst, dich auf ein Podest zu heben. Männer, die sich von deiner anfänglichen Distanziertheit nicht abschrecken lassen, weil du ihnen wirklich gefällst, und weil vielleicht all jenes, was du an dir (unnötigerweise) ändern möchtest, Anziehung und Begehren weckt. Auch ist die Erfahrung vieler Männer die, dass zuviel Enthusiasmus am Start die Frauen in die Flucht schlägt. Also wird Mann vorsichtig, gerade dann, wenn von der Frau zu Beginn auch eher wenig kommt.
Leni, so scheint mir, ist weder Opfer noch Täterin, und den Therapeuten braucht nicht sie, sondern vermutlich die Gesellschaft, die Blase in der sie steckt. Unverbindlich und flexibel bleiben, sind die meist praktizierten Skills, Datingprofile gleichen Stellenanzeigen, ein gigantischer Marktplatz, wo auch gut Qualifizierte auf hundert Bewerbung keinen Job kriegen. Mit der Folge, dass heute Dreissigjährige herumeiern und pubertieren wie vor zwanzig Jahren die Zwanzigjährigen.