Das ist schon komisch, aber ich hatte mal einen Freund, den keiner mochte, außer mir.
Er hatte auch sein Land verlassen, um woanders sein Glück zu suchen, in seiner Heimat war es ihm ähnlich ergangen, außer der Frau mit der er dort zusammen war, mochte ihn niemand.
Er war gepflegt, freundlich und sah nicht schlecht aus, aber egal was er versuchte, er fand keine Freunde. Kollegen unternahmen immer nur nur aus Mitleid etwas mit ihm, weil er niemanden hatte (er und ich hatten damals auch eine Fernbeziehung innerhalb Deutschlands). Ein vermeintlicher Freund antwortete, nachdem er die Firma gewechselt hatte, nicht mal mehr auf seine Whatsapps. Ähnlich ging es ihm mit einem Typen aus der Kirche, der ihn ein paar Mal zu einem Familienessen eingeladen hatte. Dabei war mein unbeliebter Freund sehr großzügig und hilfsbereit! Er machte Geschenke, half bei Umzügen ohne eine Gegenleistung zu erwarten, diente anderen als Chaffeur.
Ich tat auch mein Möglichstes, um ihm ein soziales Umfeld zu schaffen, war anfangs recht zuversichtlich, obwohl ich von Anfang an wusste, dass ihn auch wo er herkam, niemand je gemocht hatte. Sogar seine Kinder hatten scheinbar ohne Schmerz den Kontakt abgebrochen. Aber auch mir gelang es nicht, ihn in irgendeiner sozialen Gruppe zu integrieren. Er schloss sich einer Laufgruppe an, ging ins Gym, sprach mit all seinen Nachbarn, bot ihnen an, ihnen bei der Auffrischung ihrer Fremdsprachenkenntnisse jederzeit behilflich zu sein. Nichts. Niente, nada...:-/
Irgendwann war es dann aus, zwischen ihm und mir und ich dachte anfangs, ich würde so etwas wie Trennungsschmerz fühlen, aber da war nichts. Ich vermisste ihn keinen Tag.
Mittlerweile glaube ich den Grund für seine Unbeliebtheit gefunden zu haben. Er war irgendwie eindimensional, wie ein Pappaufsteller - ich weiß, das klingt komisch. Aber letztlich fehlte es ihm an Identität, er machte, was von ihm erwartet wurde und schloss sich immer anderen und deren Interessen an, brachte aber nichts ein, rein gar nichts. Keine wirklichen Werte, keine Hobbies oder Ansichten, die ihn interessant machten, keinen eigenen Stil, keine geistigen Anregungen, noch nicht mal Macken, die einen nerven konnten. Er funktionierte nur als Anhängsel. War er alleine und hatte keine Arbeit zu erledigen, existierte er praktisch nicht, es gab nur Leere.
Ich weiß ja nicht, ob das der Grund auch bei dir ist, da ich dich nicht kenne, aber google vielleicht mal "Identität" bzw. "Säulen der Identität". Vielleicht ist das ja etwas woran es sich zu arbeiten lohnt.