zosime_12827729Ja, können wir!
Ich denke, das erwarten wir auch nicht, dass alle uns loben. Ich kann auch so manchen Looks nichts abgewinnen und lobe die dann auch nicht.
Aber die Art wie ich das tue unterscheidet sich von Deiner. Ich nenne so etwas "für mich schön" oder "nicht schön" und begründe, warum. Ich gebe mir dabei große Mühe, es leidenschaftslos, also objektiv zu beurteilen.
Hier liegt der Unterschied. Das machst Du offensichtlich nicht. Du bist bei dem Thema schon einigermaßen emotional geladen, was sicherlich mit Deinen eigenen Ängsten und Deiner Vorgeschichte zu tun hat, die aber jetzt hier nicht zur Diskussion steht. Aber Indikatoren dafür gibts in Deinen Zeilen genug, so auch bisweilen etwas harte Worte. Fakt ist eines: Offensichtlich lebe ich mit meiner Einstellung den Dingen gegenüber wesentlich entspannter, freier und vor allem glücklicher, als Du es je sein wirst. Das sollte Dir zu denken geben und vielleicht auch darüber, dass es eine Schwäche ist, nicht aus dem Käfig von Geschlechterstereotypen ausbrechen zu können. Nicht umsonst habe ich schon mehrmals erwähnt, dass diese Stereotypen unfrei und beengt machen. Meiner Meinung nach bist Du kein schlechtes Beispiel dafür, denn mal ehrlich, ohne Stereotypen-Schranken in Deinem Kopf wärst Du heute nicht da wo Du emotional bist.
Du bist auch noch nicht so weit, dies mal vorurteilsfrei zu durchdenken. Das braucht Zeit und vor allem Besinnung. Dennoch möchte ich Dir zwei Schlagworte liefern, die Du bei Wikipaedia oder besser bei der dahinter stehenden Forschungsliteratur mal ruhig durchsinnieren solltest (Männlichkeit, Weiblichkeit). Aber bitte erst mal ne Nacht drüber schlafen.
Wenn Du den Themenkomplex mal an Dich ran lässt wirst Du merken, welches Gedankengefängnis Du dir in Bezug auf Männlichkeit und wahrscheinlich auf Weiblichkeit selbst aufgebaut hast. Du wirst begreifen, dass diese Zuschreibungen kulturell geprägt, also keineswegs feststehend sind und eigentlich überflüssig. Das lässt sich ja alles schön auch auf Bekleidungsstücke beziehen. Du wirst auch merken, dass der Begriff weiblich immer das Gegenteil darstelllt von dem, was die meisten als männlich ansehen. Und von daher bin ich mir ziemlich sicher, dass die Zuschreibung weiblich mit Absicht immer den Gegenpol zur Zuschreibung männlich darstellt. Genau dies war nämlich über lange Zeit DER Hebel, der es erst ermöglichte, Frauen zu unterdrücken. Wenn Du Du dir die einzelnen zugeschriebenen Eigenschaften mal durchliest, wirst Du schnell sehen, warum.
Durch die Emanzipation der Frauen hat sich da einseitig etwas geändert, obwohl ich da auch noch viele Defizite sehe - vor allem in der gleichwertigen Anerkennung von Tätigkeiten. Leider ist die Emanzipation bisher oft ein einseitiger Prozess, der Frauen zwar ein Eindringen in ehemals männliche Domänen ermögllicht, umgekehrt ist es jedoch nach wie vor in gewissen Gesellschaftsschichten verpönt, siehe Bekleidung. Es existiert folglich immer noch eine unterschiedliche Wertung zwischen Männlichkeit und Weiblichkeit als Begriff.
Im Großen führt dies zu folgenden Symptomen: Frauen können zwar heute arbeiten gehen, jedoch meist zu einem geringeren Lohn. Nach der bipolaren Geschlechterlogik ist dies folgerichtig, denn danach können Frauen ja, egal wie männlich sie agieren (in diesem Fall arbeiten), nie ganz den Status eines Mannes erreichen, da dieser ja einer höheren Wertigkeit unterliegt (bitte mal Begriff der Heteronormativität nachlesen). Im kleinen sieht das dann so aus, dass eine Frau sich oft wesentlich härter ins Zeug legen muss, um die selbe Anerkennung im Beruf zu bekommen als Männer und das oft bei weniger Lohn.
Ursache dafür ist die Ungleichwertigkeit der stereotypen Geschlechter. Nach dem selben Schema funktioniert dieses kleine Patriarchats-Aufrechterhaltungssystem bei unserem konkreten Beispiel. Hier werden nämlich Männer angehalten um Himmels Willen bloß immer stereotypisch männlich, als systemerhaltend zu agieren. Verstöße dagegen werden geahndet mit Ablehnung, Herabsetzung, usw. Bestes Beispiel sind Deine Zeilen. Du schreibst ja auch von einer Identitätsstörung. Insofern schneidest Du dir selbst ins Fleisch damit.
Tolles System was sich die Obermachos so ausgedacht haben, nicht? Deswegen bin ich sehr stolz auf die Emanzipation vieler Frauen, eröffnet sie mir doch auch die Chance, dieses System zu verlassen, was ich auch getan habe - auf meine Art.
So, jetzt gibt es aber wie mich eine wachsende Zahl von Menschen, die das nicht mehr hinnehmen, nachdem ja selbst die Forschung sich von vernatürlichenden Annahmen über archtytisch vorhandene stereotype Geschlechter verabschiedet hat. Es gibt inzwischen nur noch sehr wenige Biologen und Mediziner, die das behaupten. Die Soziologie hat sich dem Thema mit der Disziplin der Gender-Studies auch angenommen und meiner Meinung nach anschaulich dargestellt, dass sich Eigenschaften und Vorlieben eben NICHT auf ein Geschlecht herunterbrechen lassen und es aber ein System gibt (Heteronormativität), dass dies künstlich versucht. Wie gesagt, eine wachsende Zahl von Menschen beginnt das zu verstehen und hört auf, Dinge und Eigenschaften als einem Geschlecht zugehörig zu interpretieren. So auch ich und einige andere hier. T4U etwa schreibt ja immer sinngemäß, das Klamotten schlicht Klamotten sind und viele nur den Fehler machen, diese als geschlechtszugehörig aufzufassen. Es ist in der Tat ein Fehler, denn stereotype Aufteilungen von Bekleidung stützen eine wahrgenommene, als natürlich angenommene Verschiedenheit von Anatomien und erhalten wiederum die Heteronormativität, die Frauen im Zaum hält. Ein schwerer Fehler, darauf reinzufallen, wie ich finde. Wir wissen es heute ja eigentlich besser.
So, und um dieses System zu durchbrechen (was sehr im Interesse von Frauen liegen sollte, ansonsten liegt der Verdacht des Masochismus nahe) müssen neue Männerbilder her, im Beruf, im Alltag - und auch in der Kleidung. Es solllte auch bei Männern keine Tabus und auch keine Wertung mehr geben, ansonsten wird es mit der Gleichberechtigung nichts. Gerade Mode ist hier neben den Medien ein machtvolles Werkzeug, sagt doch der Bekleidungsstil mehr als 1.000 Worte, wenn man die Hintergründe kennt. Sehr erschwerend kommt leider dazu, dass viele Menschen das nicht erkennen wollen oder können. Es ist doch so schön einfach, die Art eines Menschen auf einen Blick grob an seinem Geschlecht erkennen zu können und mit festen Erwartungen ins Feld ziehen zu können. Ist aber leider eine Illusion, auf die auch Du reinfällst, denn wie gesagt, Geschlecht und soziales Geschlecht sind nahezu unabhängig.
Ich bedaure inzwischen Menschen, die nicht aus ihrem Stereotypen-Käfig rauskönnen. Ich jammere da bestimmt nicht und die bösen Frauen habe ich nie beschuldigt. Ich habe von einer Anzahl gesprochen, die das nicht kapieren kann/will geschweige denn es nach außen einsehen oder zugeben. Im Gegenteil. In der großen Gewissheit, dass unser Gesellschaftssystem in Bezug auf Geschlecht schlicht ein ziemliches Kasperle-Theater ist, belächele ich die Borniertheit dieser Menschen und ihre fehlende Objektivität. Dass viele Menschen aufgrund ihrer Geschlechtergläubigkeit viele Nachteile und Frustrationen im Leben erleiden müssen, bemitleide ich und versuche stets, eine Alternative zu zeigen. Wer es nicht hören will oder kann, tja, sein Bier.
Insofern lege ich Dir ans Herz, meine Zeilen mal in Ruhe zu überdenken und dich mal zum Thema kundig zu machen. Es hat schließlich noch nie geschadet, mal über den Tellerrand hinauszusehen.
Was Deinen Satz weiter unten zum Thema bi betrifft, so probiers doch mal. Wenn Du mal unter Bisexualität googelst, wirst Du sehen, dass die weit überwiegende Mehrheit der Menschheit bis zu einem gewissen Grad bisexuell veranlagt ist. Die meisten verdrücken sich das aber wegen der gesellschaftlichen Normen (sprich Heteronormativität, sonst würde sie ja Binormativität heißen ;-) ). Viel Spaß dabei! Spätestens da kannst Du dann mal nachfühlen, was es heißt gegen die Heteronormativität zu verstoßen, so wie ich es etwa mit meinen Klamotten tue. Sobald Du dich mal in der Öffentlichkeit mit einer Frau küsst, wirst Du verstehen. Ach ja, noch was, die meisten aktiven nicht-nur-heterosexuellen Frauen teilen übrigens meine Meinung in Bezug auf Geschlechternormen.
Also, vielleicht haben ja meine Zeilen was zum Verständnis beigetragen, würde mich freuen. Ansonsten, naja, auch nicht so tragisch. Es ist ja nicht mein Anspruch, jeden zu bekehren.