zosime_12827729Aha, da kommen wir der Sache schon näher
Für DICH sind das also keine Männer. Du sprichst also für Dich allein.
Ergo hast Du ja auch eine Vorstellung, wie für DICH ein Mann auszusehen hat und wie er auf keinen Fall aussehen sollte. Legitim. Wenn für DICH das Aussehen eines Menschen alles ist. Ja, die Ansicht gibts auch. Nur bitte nicht den Fehler machen und verallgemeinern.
Ich kann da jetzt nur für mich sprechen, aber mein Anspruch an einen Menschen bzw. an eine Frau ist da wesentlich anders gelagert. Für mich sind da körperlich genau zwei Dinge wichtig, die für mich weiblich belegt sind, naja eigentlich drei: Hupen, Mumu und ein halbwegs schlanker Körper.
Klar finde ich es auch attraktiv, wenn sich jetzt etwa eine Frau hübsch gemacht hat, mit den üblichen Werkzeugen, aber bei Weitem nicht immer. Denn ich will mit der Frau ja nicht nur mal kurz in die Kiste hüpfen, sondern bin an ihr als Mensch interessiert. Das ist für mich viel wichtiger. So, und da muss ich Dir ehrlich sagen, dass viele optisch attraktive Frauen dann aus der Zielgruppe ausscheiden, wobei Attraktivität Geschmackssache ist. Das hast Du ja selbst erkannt.
Ergo sind mir Eigenschaften, wie Zuverlässigkeit, Rückgrat, Selbstvertrauen, Ehrlichkeit, usw. viel wichtiger.
Du siehst also, dass ich auf die ganzen Frauenklischees, wie SIE sein sollte, herzlich wenig gebe. Ich erwarte von meiner Partnerin nicht, dass sie sich schminkt, hohe Hacken, Röcke und Nylons trägt. Ist mir ziemlich egal. Ich schätze sie als Mensch mit ihren guten und schlechten Eigenschaften. Das macht sie aus, nicht irgendwelches Puder oder Nagellack und die körperlichen Kriterien, die für mich wichtig sind, hat sie auch. Was heute so als weiblich etwa in der Mode angesehen wird, sehe ich anders, da sich jeder (Mann und Frau) so etwas kaufen kann. Und richtig traurig dabei ist, dass viele Frauen denken, dass sie etwa ohne Schminke und den ganzen Krams nicht als "Frau" rüberkämen. Irre und traurig. Die Folgen (Bulimie, Silikontitten, Botox, usw.) kennst Du ja. Offenbar hatte Simone de Beauvoir in ihrem Buch "Das zweite Geschlecht" doch recht mit dem Satz: "Man wird nicht als Frau geboren, man wird dazu gemacht." Sie hat nur übersehen, dass es Männern nicht anders geht.
Aber zurück zum Thema: Bei anderen Menschen ist mir Geschlecht oder Gender völlig egal, denn ich interagiere mit ihnen allen gleich. Nicht besser oder schlechter und auch nicht anders. Ich halte gerne einem Mann oder einer Frau mit Kinderwagen die Tür auf, aber einer Frau? Gehe mal davon aus, dass die das auch ohne meine Ritterlichkeit hinbekommt.
Auf einen Nenner gebracht habe ich es mir abgewöhnt, Menschen nach Stereotypen einzustufen, sondern lerne sie als Mensch kennen. Und so halte ich es auch mit Eigenschaften und Gegenständen, so auch Kleidung. Die sind für mich geschlechtslos und damit auch für mich tragbar, da ich wie auch bei anderen mich als individuell ansehe und daher zum Klischee eines Mannes nicht mehr so viele Bezugspunkte habe. Ich habe gar nicht den Anspruch, so unbedingt von allen und jedem als Mann wahrgenommen zu werden, da mein Wir-Gefühl mit dem Klischeemann zu wünschen übrig lässt. Wie bei allen anderen Menschen auch, baue ich viel lieber auf meine eigene Individualität, die mich einzigartig macht. Mit anderen Worten: ich bin ich und anatomisch männlich. Ich habe meine eigene, selbst erschaffene Identität. Zu einer Identität, die populär als männlich gilt, habe ich wenig Beziehung. Wäre mir viel zu eng und mit zu vielen Mann muss behaftet.
Deswegen ist es mir schlicht wurscht, was andere von mir denken, wenn ich auf hohen Hacken unterwegs bin. Ich habe aufgehört, in Kategorien männlich und weiblich zu denken und denke menschlich. Eine gesunde Einstellung, wie ich finde, die mich frei von unnützen Pflichten und Zwängen macht. Im Gegensatz zu den meisten Menschen kann ich mit Outfits spielen, mich jeden Tag modisch neu erfinden. Eine Freiheit, die ich für nichts in der Welt mehr abgeben möchte, denn sie macht nicht nur frei. Sie lässt einen sich selbst erkennen, weil man auf sich hören muss, anstatt auf Mens Health. Es eröffnet eine ungeahnte Vielfalt. Bin selbst oft erstaunt.
Ich habe erkannt, wie Gender funktioniert und spiele damit. Mal so, mal so, mal anders. Meine Freundin hat das auch erkannt, welche Last von ihr fiel, als sie begriff, dass sie bei mir Mensch sein kann und nicht Frau sein muss. Eine Erkenntnis, die uns seit vielen Jahren zusammenschweißt und uns jeden Tag neu entdecken lässt. Es wird einfach nicht langweilig.
Zu erkennen, wie unfrei und banal und Klischees machen und vielleicht zu erkennen, dass man nicht danach leben muss ist eine Sache. Aber es wagen, den Schritt heraus zu gehen, ist eine Sache die am Anfang sehr viel Mut benötigt. Insofern täuschst Du dich gewaltig, wenn Du solchen Männern unterstellst, die wären schwächlich. Weit gefehlt. Die sind mental wesentlich stärker als der Durchschnitt, weil die Dinge neu denken können und dies auch durchziehen. Es ist die wahre Stärke auch gegen den Strom schwimmen zu können und Neues zu machen.
Um das zu verstehen musst Du dir eine Sache klar machen. Von meinem Geschlecht habe ich mich nicht entfernt. Ich mag meinen Körper sehr gerne. Ich habe wie gesagt nur meinen Gender oder mein soziales Geschlecht (Summe meiner Eigenschaften) aus einem klischeehaften Männerkorsett befreit. Ob ich bei Dir dann als Mann ankomme oder nicht, so what?
Ich hoffe, Du konntest ein Stückchen begreifen, warum für mich und andere hier männlich und weiblich in weiten Teilen irrelevant geworden sind und wir deswegen eben auch Röcke, Strumpfhosen, Absatzschuhe wie selbstverständlich auch tragen, weil es UNS gefällt und ohne Beulen im Rock zu bekommen. Ist reine Emanzipation, dass wir genauso gleich sind, wie Frauen auch.