Positive Erfahrungen
Liebe Leserin, lieber Leser!
Mitte Februar, nachdem ich mich für die Einnahme von Venlafaxin entschieden hatte, war ich auf der Suche nach Informationen und Erfahrungsberichten im Internet und war immens froh, so viele positive Beiträge zu finden, die mich ermutigt haben, auch die wirklich schlimmen ersten zwei Wochen durchzuhalten. Nun ist Juli, ich nehme seit knapp 5 Monaten 75mg retard täglich und mir geht es gut; sogar intensive Phasen des Glücks und der Zufriedenheit sind spürbar.
Auch wenn meine Ängste nicht weg sind, haben sie sich deutlich reduziert (vor allem die Panikattacken und deren Dauer). Sie waren jedoch nicht der eigentliche Grund für die Einnahme, da ich schon seit Jahren Ängste habe, die phasenweise mehr oder weniger bzw. besser oder schlechter zu bewältigen sind, wobei verhaltenstherapeutische Interventionen durchaus hilfreich waren. Zudem habe ich erkannt, dass "Maßhalten" (vor allem Balance zwischen Beruf und Privat, Leistung und Faulenzen, Ängste angehen und akzeptieren) ein wichtiger Faktor ist und die Angst das sogar positiv unterstützen kann.
Der Grund, weshalb es für mich notwendig wurde, Venlafaxin einzunehmen, war auf dem Kulminationspunkt vieler Trennungen und Abschiede die in mir aufkommenden Suizidgedanken, derer ich mich nicht mehr erwehren konnte - sie wurden zu Zwangsgedanken, obwohl ich keinen Selbsttötungswunsch in mir verspürte, sondern ich regelrecht Angst vor diesen Gedanken bekam und Sorge hatte, die Konsequenzen nicht mehr kontrollieren zu können. Jede Brücke, die ich sah, jedes höhere Haus, Messer, Putzmittel, Auto, Zug und so weiter lösten in mir diese Gedanken aus und es kostete zu viel Kraft gegen diese anzukämpfen - vor allem nachdem ich durch meine grundsätzliche Lebenssituation kräftemäßig schon recht geschwächt war.
Nun mag der geneigte Leser sich denken: Sooo heftig ist es ja gar nicht bei mir, da kann ich auf Tabletten verzichten. Ich wünsche Ihnen von Herzen, dass es bei Ihnen nicht so schlimm ist und Sie andere Wege der Genesung finden. Vermutlich gehöre ich zu dem Typus Mensch, der erstmal kräftig durchgerüttelt werden muss, damit ich mir das ganze Ausmaß meines Abgrundes eingestehen und entsprechend handeln kann. Insofern ist bei mir alles so gelaufen, dass es für mich gut ist. Dennoch muss es m.E. nicht so schlimm werden, dass es überhaupt eine Tabletteneinnahme rechtfertigt. Wir alle haben das Recht auf ein gutes, erfülltes Leben.
Wenn Sie sich für Venlafaxin entscheiden, ist das potenziell zunächst kein Spaziergang. In den ersten zwei Wochen habe ich den ganzen Tag gezittert, meine Gedanken waren noch heftiger und unkontrollierbarer, ich fühlte mich permanent fiebrig mit Durchfall, Kopfdruck und Schwindelgefühlen (vergrößerte Pupillen), konnte kaum aufstehen und nicht eine Minute allein zu Haus sein (geschweige denn unterwegs), weil es mir zu "gefährlich" erschien. Zu meinem Glück wohne ich neben einer Ärztin, die zu dem Zeitpunkt Patienten mit dem gleichen Medikament im Krankenhaus behandelte und mir versicherte, wie wichtig es sei, die Dosierung nicht zu reduzieren, sondern sie sogar zu erhöhen (zu Beginn waren 35mg vorgesehen, die ich eigenmächtig bereits reduziert hatte). Mit ihrer Hilfe erhöhte ich in ein paar Tagen die Dosis auf 75mg und knapp zwei Wochen später konnte ich kaum glauben, dass ich mich nach so langer Zeit immer besser fühlte - ich hatte völlig vergessen, wie dieses Glücksgefühl ist.
Vielleicht noch zwei Anmerkungungen: Mein Körpergewicht ist nach Ab- und Wiederzunahme letztlich gleich geblieben und ich mache inzwischen auch wieder regelmäßig Sport. Zudem hatte ich große Sorge vor sexuellen Dysfunktionen, denn Sexualität ist für mich ein wichtiger Einflussfaktor auf das Wohlbefinden, auch wenn es unter den damaligen Parametern erstmal sekundär war. Dennoch kam schon bald die Lust wieder und, auch wenn es in den ersten Wochen durchaus schwieriger war, Orgasmen waren zu jedem Zeitpunkt möglich. Sie fühl(t)en sich etwas anders an - irgendwie physischer, weniger "kopfig", hört sich vermutlich dämlich an - aber gut, sehr gut :-)
Alles in allem bin ich sehr dankbar, dass es diese Tabletten gibt und ich sie relativ gut vertrage. Wie lange ich sie noch nehmen werde, kann ich im Moment nicht absehen. Auch in dem Punkt vertraue ich darauf, dass ich zur richtigen Zeit die richtigen Informationen und Signale erhalten werde.
Mit herzlichen Genesungswünschen!
Vera