Ratzinger ist papst.
nachdem sich nun der puls langsam beruhigt und der adrenalinspiegel in die nähe gewohnter werte zurückkehrt, ist es nun zeit tief durchzuatmen und nachzudenken:
was ist passiert?
die leitfigur des katholischen konservativismus ist zum neuen papst gewählt worden. der dobermann gottes, der leitwolf der gegenreformer ist nun oberhirte über eine milliarde katholischer schafe.
was bedeutet das?
dass ein zwergstaat, der von männern im pensionsalter geführt wird, kein leuchtfeuer des freidenkenden modernismus ist, muss niemanden überraschen. der vatikan allerdings ist heute mehr als nur konservativ. er hat irgendwann im zwanzigsten jahrhundert den anschluss an das zeitgeschehen vollkommen verloren und ist mittlerweile derartig vorgestrig, dass die schwelle zum lächerlichen erreicht zu sein scheint.
das wird benedikt XVI wohl nicht ändern können. man hat den eindruck, dass ihm auch jedes bewusstsein für die notwendigkeit wichtiger änderungen fehlt. längst notwendige reformen in fragen wie gleichberechtigung der frau, pflichtzölibat, sexualmoral, befreiungstheologie oder der rechtsposition der laien in der kirche sind vom neuen papst mit sicherheit nicht zu erwarten.
kann uns das nicht egal sein?
berührt es uns aufgeklärte mitteleuropäer fern von jedem religiösen fanatismus überhaupt, welcher alte mann in seinem vatikanischen kämmerchen sitzt und seine abgestandenen überlegungen für große genial-göttliche geistesgaben hält?
wenn der papst - und das wird er wohl tun - so wie johannes paul II die welt mit moralischen wahnsinnigkeiten bekleckert, so wird das in europa niemanden wesentlich beeinflussen. konservative europäer sind ohnehin schon konservativ, sie werden vom papst kaum auf noch irrigere wege abgelenkt werden, progressivere europäer werden sich um den papst kaum kümmern. in afrika oder südamerika aber, wo mittlerweile deutlich mehr katholiken leben als in europa, können konservative ansagen des papstes sicher einigen schaden anrichten, dort hat das wort des papstes noch beträchtliches gewicht.
schlimmer noch als die möglichen schäden, die benedikt XVI nun anrichten kann, ist aber, dass die kirche eine echte chance verpasst hat.
ein progressiver, moderner, mutiger papst hätte viel bewirken können. er hätte - auch für europa - kräftige zeichen setzen, eine weltpolitische größe, eine moralische autorität werden können. eine starke, medienwirksame stimme, die sich für rechte von minderheiten und randgruppen, für zusammenhalt zwischen norden und süden, für unterstützung der armen, für vergebung und gegen krieg ausspricht, wäre wichtig für die welt - ganz egal, wie man zum christentum oder zum katholizismus steht. einiges am christentum hätte sich eine kräftige stimme durchaus verdient, eine globalisierte politik könnte einen klugen moralischen mahner sicher gebrauchen. der neue papst wird in dieser rolle sicher nie echte glaubwürdigkeit haben.
was wird jetzt geschehen?
in südamerika und afrika wird sich wohl nicht viel ändern. ich vermute aber, dass diese papstwahl die bedeutung des katholizismus in europa drastisch zurückgehen lassen wird.
man wird sich fragen, wozu man sich über verstaubte aussagen eines alten mannes ärgern soll, wenn man sie einfach ignorieren kann.
der katholizismus wird ein randphänomen werden, eine fast vergessene tradition für alte leute, die sonst eben nichts zu tun haben.
vielleicht ist es ja gut so.
schade ist es trotzdem:
religion könnte etwas wirklich sinnvolles sein,
eigentlich.
bleu de q (nicht katholisch)