Vermischung von Religion mit Tradition
Tach zusammen,
vielleicht hilft es ja, mal das eine oder andere sachliche Argument heranzuziehen.
Die fünf Rechtsschulen des Islam lehnen Homosexualität ab. Das ist eine Tatsache. Es gibt allerdings nicht den 175 für die islamische Welt, wo gesagt wird, daß Schwule generell ermordet werden müssen. Die Rechtsschulen gehen unterschiedlich damit um, am schärfsten die Schiiten im Iran mit den bekannten Fällen der beiden hingerichteten Jungs Mahmud und Ayaz. (Mein privater Einschub dazu ist, daß ich bei einer solchen Meldung echte und massive Haßgefühle empfinde. Mittlerweile liegen glaubwürdige Aussagen vor, daß es sich um eine Gruppe Jungs gehandelt hat, die schon seit langem Sex untereinander hatten. Die angebliche Vergewaltigung des 13jährigen soll eine Erfindung des Vaters des Jungen sein, der lediglich um den Ruf seiner Familie besorgt war. Insofern war es ein Justizmord.)
Unter Homosexualität verstehen die Schulen liwat, das ist der schwule Analverkehr. Dafür gibt es unterschiedliche Strafen, die je nach Rechtsschule definiert werden. Sie reichen von Ermahung über Geldbußen und körperliche Strafen bis hin zur Todesstrafe. Es gab und gibt auch anerkannte Theologen, die die Todesstrafe dafür ablehnen und keine theologische Grundlage dafür sehen.
Allerdings fordern die islamischen Juristen auch sehr detaillierte Beweisführungen von vier unbescholtenen Zeugen. Es reicht nicht, bei der Polizei eine Anzeige zu machen. "Ich habe gehört, daß die beiden miteinander Sex hatten." oder "Ali ist schwul und hat Hamid gefickt." Die Zeugen müssen dabei gewesen sein und es mit annähernd gleichen Aussagen vor dem Richter bestätigen. Und die Beschuldigten müssen es zugeben. (Schwierig, ich denke, die wenigsten werden beim Sex vier Zeugen dabei haben. Anderserseits, wenn ich an meine Studentenzeit zurückdenke, aber das ist ein anderes Thema... )
Es gibt nämlich im Koran auch eine sehr interessante Stelle zum Thema üble Nachrede, Klatsch und Verleumdung. Das wird fast genauso negativ gesehen.
Nach islamischer Auffassung ist liwat eher eine Sünde gegen Gott und daher auch eher von diesem zu strafen. Und Gott schätzt es nicht, wenn - um es aktuell auszudrücken - jemand verleumdet oder gemobbt wird. Eine solche Aussage, die nicht anerkannt wird, kann mit bis zu 80 Peitschenhieben bestraft werden.
Von frommen Muslimen wird immer wieder auch gern auf die Stellen im Koran verwiesen, wo es um Lot sowie die Auslöschung der Stadt Sodom geht. Für die einen (übrigens auch viele evangelikale und katholische Prediger) ein ganz klarer Verweis darauf, daß Homosexualität ausgerottet werden muß, schließlich hat ja schon Gott eine sozusagen "schwule Stadt" dem Boden gleichgemacht.
Dabei wird gern vergessen, daß Mohammed sich auf eine Stelle im Alten Testament bezieht, die in ihrer ursprünglichen Fassung gar nichts, aber auch wirklich nichts mit Schwulsein zu tun hat. In der ursprünglichen Fassung geht es darum, daß dem Boten Gottes (Lot) der Gehorsam verweiger wurde. Und im weiteren Kontext geht es darum, daß in Sodom das Gastrecht gebrochen wurde, insofern als männliche Gäste vergewaltigt wurden. Später erst, im Christentum bei Paulus und Augustinus, wurde es dann uminterpretiert.
Das ist - ganz grob zusammengefaßt und nicht vollständig - ein Überblick über das, was es über Islam und Schwulsein zu sagen gibt.
Was der Islam akzeptiert, ist die Liebe zwischen Männern, sofern sie keusch bleibt. Dazu gibt es eine äußerst umfangreiche Poesie mit wirklich Tausenden von Gedichten.
Es ist eine Sache, was der Islam dazu sagt und eine ganz andere, was Muslime daraus machen. Liberale Muslime und es gibt sie -, haben kein Problem damit. Das konservative Lager hat eher die Haltung, es sei Sünde, aber das müsse derjenige später mit Gott abmachen, also Privatsache. Die islamistischen Eiferer und Haßprediger von der Salafistenfront wie dieser youtube-Prediger Abu Nagie sind ein ganz anderes Kaliber. Sie wollen Steine regnen lassen auf Schwule und bereiten den Boden für Verfolgung und Haß. Das hat aber wenig mit dem Islam zu tun.
Das Problem entsteht erst, seitdem Islamisten wie Pierre Vogel und Abu Nagie orientierungslose und sozial entwurzelte junge Migranten radikalisierten und ihnen einfache Antworten auf ihre Probleme gaben. Diese Typen machen den jungen Männern Angst und Angst verschärft deren Probleme nur.
Ich habe als Schwuler kein grundsätzliches Problem damit, daß es Muslime gibt. Da halte ich es mit Friedrich II.: Ein jeder möge nach seiner Facon selig werden. Wer will, soll den grün getupften Kützelmütz anbeten und meinetwegen um Mitternacht ein Pfund Mett über die Friedhofsmauer werfen, wenn derjenige glaubt, das tun zu müssen.
Eine andere Sache noch kam auch in den hiesigen Beiträgen zur Sprache. Und zwar die angebliche Toleranz des Westens gegenüber Homosexualität. Die Homosexualität ist, wenn man so will, erst eine Erfindung des Westens insofern sie eine Kategorisierung einführt. Hie Heterosexualität = Norm, da Homosexualität = abweichende Norm. Und man findet auch in den die Menschenrechte angeblich so hochhaltenden USA Beispiele, die genau das gegenteil belegen. Da muß man sich nur mal den letzten Wahlkampf ansehen und die Rolle, die die evangelikalen Pastoren gespielt haben. Man findet auf youtube gute Beispiele, wie diese Figuren z.B. den Hurrikan Katerina als Strafe Gottes für die Toleranz der Homosexualität einstufen. Es gibt auch ein Video aus dem Wahlkampf wo einer dieser Prediger einer der großen evangelikalen Sekten von einer Schwulen-Gestapo spricht, die das Land unterwandert. Oder man sehe sich das Treiben auf kreuz.net an.
Wir hier im aufgeklärten Westen haben auch unsere fanatischen Idioten, für die sich der Begriff Katholiban beginnt einzubürgern.
Es gibt einen sehr schönen Satz, den Ibn Hazm, einer der bekanntesten islamischen Theologen sprach und ich finde, beide Seiten täten gut daran, darüber nachzudenken.
"Die Liebe wird von der Religion weder missbilligt, noch vom Gesetz verboten, denn die Herzen sind ja in der Hand Gottes, des Mächtigen und Erhabenen."