Hallo allerseits,


hab mich dazu entschlossen, hier mal im Forum mein Herz auszuschütten, weil ich mittlerweile echt total mit meinen Nerven am Ende bin.


Wird sicher ein halber Roman, aber es würde mich trotzdem freuen, wenns jemand lesen würde :-)


Aaalso... Ich studier Molekularbiologie, hab das Bachelor-Studium abgeschlossen und arbeite jetzt an meiner Magisterarbeit - und das mittlerweile seit eineinhalb Jahren. Es geht darum, daß ich meine praktische Arbeit im Labor erledige (gentechnische Experimente mit Mikroorganismen usw.), und ich brauch natürlich Ergebnisse, um die Arbeit schreiben zu können.


Tja - bis jetzt hab ich so gut wie keine (positiven) Ergebnisse - alles was ich bis jetzt gemacht habe, hat so nicht funktioniert. Ich kann nur sagen, ich hab meine Arbeit immer nach bestem Gewissen gemacht. Hab am Anfang auch einige Monate verloren, weil mein Betreuer bei der Planung der Experimente einige Fehler seinerseits übersehen hat und auch einige Fehler, die ich gemacht habe (und damals hatte ich noch nicht so die großartige Erfahrung) übersehen hat.
Das fällt natürlich alles auf mich zurück, und unser Institutsvorstand denkt natürlich auch, daß ich sozusagen alles falsch mach... wobei man bei diesen Experimenten teilweise jahrelang dran arbeitet, damit überhaupt mal was hinhaut. Ich hab wirklich schon sehr viel Zeit in meine Magisterarbeit investiert, nur wird mir immer wieder das Gefühl vermittelt, daß es nicht genug ist, was ich mache. Gut, ich war im letzten Frühjahr oftmals längere Zeit nicht da, aber da konnte ich nix dafür (Krankheit etc.).


Jetzt verbring ich im Schnitt so sieben Stunden am Tag dort im Labor (ohne Bezahlung), was ich eigentlich für viel Zeit halte. Hab meinem Betreuer und dem Institutschef auch schon gesagt, daß ich eigentlich nicht mehr Zeit investieren kann, da ich mir auch irgendwie nebenbei meinen Lebensunterhalt verdienen muß... das versteht aber anscheinend niemand! Wobei es bei uns ja auch Diplomanden gibt, die bezahlt werden - wovon es abhängt, ob man bezahlt wird oder nicht, weiß niemand so recht.


Das wirklich Schlimme ist, daß es auf diesem Institut wirklich sehr an Menschlichkeit mangelt - es zählt nur Forschung, Forschung, Forschung... vor ein paar Wochen hab ich erst erfahren, daß ein Mädel, das auch dort arbeitet und plötzlich nicht mehr da war, wegen der Arbeit mehrere Nervenzusammenbrüche hatte und längere Zeit im Krankenhaus verbracht hat. Daß es Leute gibt, die eine Familie und ein Privatleben haben, verstehen dort die wenigsten... Arbeit ok, Forschung ok, aber es muß doch alles seine Grenzen haben, oder?


Nun ja, mir ist mittlerweile klargeworden, daß mein Studium eigentlich komplett die falsche Wahl war... ich bin keine Forscherin...ich möchte es jetzt aber auch nicht hinschmeißen, da ich es ja doch hoffentlich bald abschließen werde.
Aber ich bin mit meinen Nerven am Ende. Ich hab Schlafstörungen, bin ständig nervös, und die Abstände zwischen meinen Einbrüchen, wo ich plötzlich einfach nicht mehr kann und stundenlang nur weine, werden immer kürzer. Ich hab Angst um meine Gesundheit, weiß aber, daß ich mir jetzt keine Pause nehmen kann - denn danach ist es bestimmt noch schlimmer, mich aufzuraffen und weiterzumachen.


Ich weiß echt nicht mehr, was ich tun soll, denn ich hab auch schon versucht, mit meinem Betreuer zu reden und ihm meine Lage klarzumachen, aber der versteht das überhaupt nicht. Für ihn ist seine Arbeit sein Leben - da gibts nix anderes, keine anderen Menschen, nix. Ich rede auch oft mit meinem Freund drüber, natürlich gehts mir dann kurzzeitig besser und ich bin froh, daß ich drüber reden kann - aber helfen kann er mir dabei auch nicht.


Ich weiß nur leider auch nicht mehr, wie ich mir selber helfen soll. Ich versuch jeden Tag, mein Bestes zu geben und jedem Tag etwas Positives abzugewinnen, aber so richtig funktioniert meine Strategie auch nicht... weil ich merke, daß es mir jeden Tag schlechter geht. Über eine Therapie hab ich natürlich schon nachgedacht, aber ich hab schon Therapieerfahrung, und ich denke eigentlich nicht, daß mir Reden allein in diesem Fall noch hilft.


Dazu kommt noch meine riesengroße Angst vor der Zukunft - ich weiß inzwischen, daß ich auf keinen Fall in diesem Bereich arbeiten will. Ich brauch nach dem Studium auf jeden Fall was anderes... würde total gerne im Bereich Marketing oder Eventmanagement arbeiten. Tja, aber wer braucht da schon ne Molekularbiologin? Hab zwar nen Handelsakademie-Abschluß mit Schwerpunkt Marketing, aber das ist auch schon ein paar Jährchen her... ich hab einfach Angst.
Ich würd mir so sehr wünschen, mich wieder einmal frei und leicht fühlen zu können - hab das Gefühl, von meinen Sorgen erdrückt zu werden. Und so sehr ich mich auch anstrenge, an mir zu arbeiten - ich hab das Gefühl, völlig hilflos zu sein und mich selber nicht mehr zu kennen.
Ist es jemandem von euch schon mal ähnlich gegangen? Würde mich sehr über Erfahrungsberichte freuen... oder ein paar Tipps, wie man aus so einem Schlamassel rauskommt oder besser damit umgeht!


Danke, Lg Winni

Liebe Winni,
ich habe deinen Thread gelesen. Was ich dir jetzt so recht drauf antworten soll weiß ich nicht. Ich wollte aber nicht einfach nichts sagen. Ich kann rauslesen wie sehr du unter Druck stehst und wie sehr das Klima im Labor dich belastet. Ich kann dir nur raten: Zieh es durch; so wie ich dich verstanden habe hast du es ja nicht mehr lange!


Ich musste vor einem halben Jahr meine zweite Ausbildung abbrechen. Entweder ich hätte sie weitergeführt obwohl es mir gesundheitlich nicht gut geht oder ich breche ab. Das waren meine Optionen. Ich habe mich fürs zweite entschieden. Noch nie habe ich eine Entscheidung so bereut. Ich weiß, das es kaum möglich gewesen wäre unter den Umständen weiter durchzuhalben; aber das ich es nicht bis zum letzen versucht habe geht mir sehr an die Nieren. Nun steh ich da; mit den gleichen Zukunftsängsten wie du. In meinen ersten Beruf will ich nicht zurück (sowieso keine offenen Stellen)!


ABER: ich habe in meiner letzten Ausbildung Menschen getroffen die das 50 Lebensjahr überschritten hatten und trotzdem nochmal von vorne angefangen haben. Seitdem denke ich anders. Man ist nie zu alt für eine weitere Ausbildung. Immer kann man einen anderen Weg einschlagen. Bei dir wird der Weg in die Marketing Richtung gehen während ich mir erst einen Wegweiser suchen muss.


LG _ Jasmin _

    nergis_11945217

    Danke
    für deine Antwort :-)


    Ja du hast wohl recht - ich sollte das jetzt durchziehen... hab nur echt Panik,daß weiterhin nix funktioniert, obwohl ich echt gewissenhaft arbeite... naja,wir werden sehen!

      an0N_1188797299z

      Wenn du jemanden..
      zum reden brauchst dann kannst du mir gerne jederzeit eine PN schicken!


      Reden kann zwar keine Wunder bewirken aber vielleicht helfen auch mutmachende Worte um dir neue Kraft zu geben!


      Ich wünsch dir jedenfalls viel Erfolg

      ein Monat später

      Also... (ein paar gute (und hoffentlich nicht zu belehrende) Ratschläge)
      Hi,


      ich kenne diese Verzweiflung die du beschreibst. Ich selbst mach Biotechnologie und hab grad meine Bachelorarbeit fertig gemacht. Ich bin gegen Ende von meiner Laborarbeit nachts aufgewacht und musste mich übergeben weil ich so überarbeitet war. Was du wohl tun solltest ist auf jeden fall die Arbeit zu Ende zu bringen, denn dann hast du einen Abschluss und zeigst auch in deinem Lebenslauf dass du Durchhaltevermögen hast. Du solltest dir vor Augen halten dass "keine Ergebnisse"--> also das etwas nicht funktioniert hat, auch Ergebnisse sind, du also sagen kannst: ich hab das und das gemacht, aber das zeigt keine Wirkung, wenn man vielleicht den Versuch so und so abändert könnte das was bringen... Bei mir war das auch so und jetzt wird aus meiner Bachelorarbeit ein Paper.
      Was du mach könntest wäre z.B. ein MBA, also ein Master of Buisness Administration. Damit kannst du z.B. du mehr Biotech/Bio/Pharmafirmen beraten und dort mehr so im Marketing arbeiten und nicht im Labor. Deine Erfahrung aus der Mikrobio wird dir da viel helfen. So ein MBA dauert nicht so lange und lässt sich als Vollzeitstudium als auch als Abendstudium machen.
      Ich kenne dieses Gefühl dass man vielleicht doch nicht zum Forscher geboren ist, das war/ist bei mir im Kurs weit verbreitet. Die wahren Forscher, die die Nobelpreise bekommen und etliche Papers/Jahr produzieren sind meisten sozial etwas unfähig. Mach dir da also keinen Kopf wenn dir dein privates Leben wichtiger ist als deine Forschung. Außerdem kann es sein, dass du, wenn du in eine geeignte Forschungsgruppe kommst dich nicht so verausgaben musst.
      Außerdem, sprich mit deinem Betreuer genau ab, was du bereits versucht hast, was dabei rauskam und was du noch machen solltest damit das auch ne runde sache gibt. Überlege dir vorher selbst was du noch machen kannst und mach nen Termin mit deinem Betreuer (ist besser als das so zwischen Tür und Angel zu besprechen) und geh das mit ihm durch. Sag ihm dass du fertig werden willst und wie du dir deine Arbeit vorstellst, u.U. solltest du eine andere Sichtweise des Problems in betracht ziehen. Versuch deine Projekt-Fragestellung deinen Ergebnissen anzupassen. Dann sieht das in der fertigen Arbeit so aus als hättest du genau das gemacht was du machen wolltest, auch wenn nix dabei rauskam.


      Das wird schon, ich glaub da an dich!!
      Liebe Grüße
      Anna

        Kopf hoch
        Hallo Winni,


        kann mich meinen Vorrednern nur zustimmen. Du solltest versuchen durchzuhalten. Und ICH weiß, dass dies nicht so einfach ist. Momentan schreibe ich meine Diplomarbeit BWL, bin auch oft am verzweifeln. Das stressige Studium (bei uns liegen die Durchfallquoten bei fast 80%) hat mich in eine Depression gerissen. Noch arbeite ich mit meinem Psychologen daran wieder aus dem Sumpf zu gelangen. Momentan nehme ich ein Antidepressivum und es geht mir wirklich viel besser, mehr als die Hälfte meiner Arbeit ist fertig, aber jetzt kommt der komplizierte Teil, eine Analyse. Habe noch 2 Monate um meine Arbeit erfolgreich zu beenden. Hoffe das es mir auch gelingt.
        Allerdings sehe ich die Zukunft positiv, vielleicht solltest du sie auch als eine Art Chance sehen. Mein Studium ist im Prinzip auch meine zweite Ausbildung, wenn du etwas wirklich willst dann schaffst du es auch. Vielleicht solltest du dich auch einem Psychologen anvertrauen, ich denke mal ohne professionelle Hilfe wird es dir evtl. nicht besser gehen. Mir hat es sehr geholfen und ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass ich irgendwann auch ohne diese Tabletten leben kann! :-)


        LG J.

        8 Tage später
        an0N_1248261199z

        Danke
        für eure Antworten! Das hat mich zum Teil sehr aufgebaut :-)


        Mittlerweile ist auch ein wenig was vorangegangen - ich denke, daß ich dem Abschluß der Arbeit schon ziemlich nahe bin! Hoff ich halt... jeder, der etwas ähnliches beruflich macht bzw. studiert, wird glaub ich verstehen, wenn ich hier behaupte, daß viele Experimente im Bereich Biotechnologie/Mikrobiologie trotz guten Arbeitens schief gehen können und dabei oft Dinge passieren, die man nur wenig beeinflussen kann...
        Das zu akzeptieren war für mich lange Zeit ziemlich schwierig, aber ich arbeite an mir und so gehts jetzt ein wenig besser :-)


        Ich fühl mich auch deshalb viel wohler, weil ich mittlerweile am Institut eine sehr liebe Freundin gefunden habe, die eben erst mit der Diplomarbeit begonnen hat. Wir haben jede Menge Spaß und sind voll auf einer Wellenlänge. Wir haben eine Art "Galgenhumor" entwickelt, auf diese Art und Weise können wir mit gewissen Sachen auf der Uni besser umgehen *gg* Viel zu lachen ist ja doch eine gute Therapie! Und dazu kommt noch der Frühling...


        Naja, jedenfalls hab ich gestern mal angefangen, meine DA zu schreiben... ganz schöne Überwindung, sich hinzusetzen und mal anzufangen! Aber es war ein gutes Gefühl!


        Ich hab in den letzten Wochen versucht, massiv an mir und meinen Einstellungen zu arbeiten - und ich denke, ich hab schon viel erreicht. Fühle mich nicht mehr depressiv und ich will mich nicht mehr so runterziehen lassen. Ich versuch, im Hier und Jetzt zu leben und nicht zu viel über die Zukunft nachzugrübeln. Dadurch fühl ich mich irgendwie viel freier als vorher :-)


        queenanna, wo studierst du denn Biotech? In Österreich oder Deutschland?


        Lg winni