Guten Abend,
kommen gerade von einem Geburtstag und es sollte eigentlich ein paar unbeschwerte Stunden werden.
Aber es wurde Seelenstripties.
Die Situation fing belanglos an: Der Sohn der Gastgeberin hat zur Zeit Probleme in seiner Partnerschaft und er lechzte regelrecht danach unsere Meinung zu hören. Ich muss dazu sagen, dass ich ihn bislang zwei Mal gesehen und nur wenige, belanglose Worte mit ihm gewechselt habe. Und da saßen wir nun und pflückten -auf eine im Nachhinein wirklich unschöne Art und Weise- seine Beziehung auseinander. Auf die Problematik, die da eigentlich vorlag, möchte ich an dieser Stelle auch nicht eingehen.
Aber das Bedürfniss, ihm etwas von mir mitzuteilen war so groß.
Durch die Worte, die er den Anderen entgegenbrachte, mit denen er versuchte, ihre Thesen zu widerlegen, habe mich so stark an mich selbst erinnert, an die Reibungspunkte zwischen meinem Lebensgefährten und mir, an die immer wieder aufflammenden Krisenherde in unserer Beziehung. Zuerst hielt ich mich zurück, doch irgendwann war ein gewisser Punkt erreicht, da war ich nicht mehr zu halten gewesen, ich musste meine Erfahrungswerte weitergeben. Und auch wenn ich im Nachhinein, wenn ich jetzt, wo ich die ganze "Geschichte" etwas reflektieren und auf mich wirken lassen konnte, in ihren gesamten Grundzügen anfange zu begreifen, feststellen muss, dass ich verletzend wurde -nicht mit den Worten und Phrasen an sich, sondern mit dem Sinn eben dieser. Er schien so verletzt und so endlos traurig darüber was ich ihm sagte.
Er hatte sich für einen kurzen Moment entblößt und sein Innerstes, seinen inneren Kampf mit sich selbst und auch mit seiner Partnerin bloßgelegt. Und wir alle hatten seine Stichworte erhalten und wussten alle etwas dazu zu sagen.
Die Anderen blieben dabei sachlich und bewahrten eine gewisse Distanz. Ich hingegen habe mich ebenfalls völlig entblößt mit dem was ich sagte. Und ich habe dies noch nicht mal gemerkt! Mein Kopf war voll von Gedanken, die alle auf ein Mal raus wollten und sie kamen raus -komischerweise in geordneten Bahnen, man konnte nachvollziehen was ich da überhaupt erzählte.
Aber das ist eigentlich gar nicht den Punkt, auf den ich gerne eingehen wollte. Vielmehr würde ich sehr gerne ein paar Meinungen dazu hören, ob Ihr auch solche Situationen kennt, wo jemand einem ein Stichwort -wie beim Filmdreh "Aaaand... Action!"- gibt und Ihr sofort anbeißt. Es ist wie ein unsichtbarer Magnet, dieses Thema reißt Euch sofort mit und an sich, Ihr seid völlig integriert, wie besessen dabei Euch mitzuteilen. Und das Mitteilen erfolgt nicht, weil Ihr von Euch selbst erzählen wollt, sondern weil Ihr helfen wollt, helfen wollt, Eurem Gegenüber begreiflich zu machen, was da in seiner eigenen kleinen Welt schief läuft. Eben WEIL Ihr das alles schon mal (in ähnlicher Weise) erlebt habt. Eben WEIL es Euch wichtig ist, dass Euer Gegenüber nicht die gleichen Fehler begeht. Eben WEIL die Thematik Euch so berührt und bewegt und beschäftigt.
Ist es überhaupt verständlich, was ich da sage?! Ich bin ziemlich verwirrt, aufgewühlt und noch viel zu sehr involviert.
Eigentlich möchte ich nur Folgendes sagen/fragen/wissen:
Hat wirklich jeder Mensch dieses Mitteilungsbedürfnis? Mitzuteilen, damit das Umfeld nicht die gleichen Fehler begeht, nicht in die gleichen Verhaltensmuster verfällt, daraus lernen kann.
Andererseits sagen die Eltern schon von Anfang an "Lern aus meinen/XY's Fehlern! Begeh sie nicht selbst!" - und wer schon mal auf diesen Satz gehört hat, möge bitte die Hand heben! Schätzungsweise melden sich kaum welche...
Ist es wirklich einfacher sich vor fremden Menschen zu offenbaren, alles zu zeigen? Weil man weiss, dass man bei der nächsten Begegnung nicht mehr darüber sprechen wird. Es wird abgehackt sein unter "wollen wir mal verschweigen". Das Paradoxe ist wirklich: Ich habe mich von der Situation hinreissen lassen, habe Gedanken ausgesprochen, die mein Freund noch nicht mal weiss -obwohl die Problematik ähnlich wie die zwischen uns ist und ich bislang noch nicht ausführlich mit ihm darüber gesprochen habe, obwohl seine Mutter neben mir saß, samt Tante und Cousine.
Nun denn, vielleicht ist ja jemand aus meinen "(un)geistigen Ergüssen" schlau geworden und möchte sich dazu äußern. Es würde mich freuen ein paar Statements zu hören oder auch mal den Kopf gewaschen zu bekommen -"Du erzählst gequirlten Schwachsinn"... Ansonsten war es angenehm mal alles runter zu schreiben.
Gute Nacht/Guten Morgen,
Eupel