Dama3344
Hallo Dama,
man kann es fast nicht glauben aber psychische Erkrankungen insbesondere die Depression sind vielerorts immer noch stigmatisiert. Es begegnet mir häufig, dass Menschen Gründe suchen warum ein anderer Mensch erkrankt ist, mit dem Hintergedanken "er/sie hat doch alles warum leidet er/sie plötzlich an Depressionen" Das heißt, es wird nicht der Mensch in seiner Erkrankung gesehen sondern was oder wer dafür die Schuld bekommt. Das spüren leider kranke Menschen sehr deutlich und denken dann mit ihnen stimmt etwas nicht. Das stimmt nur indirekt, denn mit ihnen ist alles in Ordnung sie sind "nur" krank.
Psychische Erkrankungen oder insbesondere auch die Depression sind nicht auf diese Art greifbar, dass man z.B. "den" Auslöser oder besser Missetäter identifizieren kann. Oftmals ist es ein Zusammenspiel aus mehreren Faktoren. Die genetische Disposition ist nur ein Aspekt von vielen. Wenn man alle Aspekte bündeln würde dann bliebe unterm Strich eine Disposition, eine gewisse Anfälligkeit zu erkranken. Das heißt, wir tragen eine Basis in uns, die bei einigen vielleicht stabiler ist als bei anderen. Was nun aber hinzu kommt und häufig als das Zünglein an der Waage betrachtet wird sind einfach ausgedrückt unsere Verletzlichkeiten oder fachlich Vulnerabiltäten. Das kann eine schwerwiegendes Erlebnis sein, welches man selbst als solches wahrnimmt. Das kann aber auch bis in unsere Kindheit durch die Erziehung durch unsere Eltern reichen. Hier ist alles möglich, Eltern, Schule, Freunde, Beruf oder Partnerschaften ect. Genauso wie Vulnerabilitäten uns schwächen gibt es etwas, was uns stärkt und das sind Ressourcen. Das sind alles Dinge, aus denen wir Kraft schöpfen und kann für jeden auch etwas anderes darstellen. Sie sind individuell. Du kannst dir das vorstellen, wie zwei Blitze, die auf einen Turm treffen. Sind es mehr Vulnerabilitäten stürzt ein Turm durch die Zerstörung ein. Wohingegen Ressourcen Risse im Turm verschließen.
Wer über zu viel Vulnerabiltäten in seinem Leben verfügt hat weniger Ressourcen, weniger Stabilität und somit wenig bis keine Lösungsstrategien zur Verfügung.
Eine psychische Erkrankung ist kein Luxusproblem.
Aber manchmal schon, wie wir uns selbst aufstellen. Unter einem ständigen sozialen Druck. Soziale Anerkennung, Erfolg auf Teufel komm raus und natürlich Erwartungen anderer an uns nicht nur unsere eigenen Erwartungen. Hinzu kommt der Stress, dem wir durch die Umstände und unserer Einstellung dazu ausgesetzt sind. Wir erleben Leistungsdruck oder haben das Gefühl etwas darstellen zu müssen, weil es andere von uns erwarten (Eltern, Partner) oder wir selber aufgrund von Glaubenssätzen davon überzeugt sind, so und so müssen wir sein.
Es ist nicht leicht in menschliche Abgründe zu blicken. Ich kann verstehen, wenn es einem Menschen zu viel wird, weil das was man dort erblickt möglicherweise Angst oder Unsicherheit auslöst. Oder auch alle anderen Gefühlsqualitäten. Das hat viel mit einem selber zu tun. Kann ich in den Abgrund blicken und mit dem was ich sehe umgehen oder suche ich Auswege nicht hineinzusehen.
LG Coeur