sanftundsinnlichLiebe sanftundsinnlich,
es freut mich, dass Du meine Gedankengänge durchaus nachvollziehen konntest. Ich verstehe Dich dann also richtig, dass Du keine Bedenken gegen Nachschwimmunterricht in der Grundschule unter der Voraussetzung der Freiwilligkeit hast?! Nicht nur keine Bedenken, sondern das vielleicht auch als positiv beurteilst, weil die lieben Kleinen einen ungezwungenen Umgang mit Nacktheit quasi spielerisch/implizit lernen und verstehen, dass dies nichts Schlimmes ist, jedenfalls in bestimmten Situationen, im Gegenteil.
Ob dieses „Erlernte“ dann über die (Vor-)pubertät trägt, nun, Du hast Recht, in dieser Phase werden die Karten neu gemischt. Freilich, nach meinen Erfahrungen mit meinen Kindern gilt das vor allem im Verhältnis zwischen Eltern und ihren Kindern. Wie es in der Peer Group läuft, hängt stark vom Verhalten der RudelführerIn ab. Duscht er/sie nach dem Sport-/Schwimmunterricht nackt werden viele nachziehen, um Teil der Gruppe zu bleiben.
Unabhängig davon aber spricht das spätere Verhalten während der Pubertät nicht gegen ein Nacktschwimmunterricht deutlich vor der Pubertät.
Bleibt wieder die Frage „Zwang“. Hier bitte ich zu bedenken, dass zwischen Freiwilligkeit und Zwang, also Weiß und Schwarz, noch jede Menge Zwischenstufen bestehen, die Grautöne. Nach alldem, was ich über die Jahre über die Dynamik von Nacktheit vor anderen gelesen bzw. erzählt bekommen habe, dürfte es doch so sein, dass im Falle der Anordnung vom textilfreien Schwimmunterricht ein Teil der Kinder dieser Aufforderung ohne Weiteres nachkommt. Ein weiterer Teil dürfte erst einmal ein Gefühl der Verlegenheit (nicht Scham!) haben, das sich relativ schnell und ohne weitere Ansprache legt. Andere wiederum bedürfen noch ein wenig Aufmunterung oder Überzeugung (noch kein Zwang!) bis sie sich überwinden. Im Zweifel sind dann alle Kinder nackt im Wasser. Wenn nicht, da bin ich bei Cattalaya, ist das kein Fall mehr für die LehrerIn sondern für die Therapeutin. Fraglich wäre aber dann, ob es sinnvoll ist, einige wenige Kinder den Schwimmunterricht mit Badebekleidung zu erlauben, während alle anderen nackt sind?! Wir sind uns ja einig, dass die Gefahr negativer gruppendynamischer Prozesse sehr real ist und dann der Prozess der unfreiwillgen Entkleidung, also ohne Lehreraufsicht, deutlich unangenehmer werden kann…
Und: ob ein Zwang zu einer Traumatisierung im schlechesten aller Fälle oder doch zur Einsicht führt, auch das ist ja offen. Die Schule selbst ist ja ein Zwang, bei dem so gut wie niemand auf die Idee kommt, die Schulpflicht in Frage zu stellen.
Im Übrigen: Du, sanftundsinnlich, schreibst, dass Du im Laufe der Jahre zum FKK gekommen bist. Ich schätze, dass der Prozess, dies zu wagen, auch mit Unterstützung, eben Aufmunterung und Überzeugung, durch Dein Umfeld gefördert wurde? Natürlich, das Überwinden der Scham musstest Du selbst hinbekommen.
Was mich betrifft, mir hat eine Unterstützung gefehlt; genau genommen habe ich über zwei Jahre gebraucht, um zu verstehen, dass meine lieben Mitschüler mir – überspitzt formuliert – verdeutlichten, dass meine Scham mich nicht schützt, sondern schadet. In dieser Zeit habe ich Schwimmbäder vermieden, bin aus dem Fussballverein ausgetreten, weil Duschen nach dem Training angesagt war, m.a.W. habe ich durchaus selbst isoliert. Unnötigerweise, denn dieses Zurückziehen hat ja nicht verhindert, dass mir ab und an doch die Bade-/Unterhose heruntergezogen wurde.
Ich kann mich an einen Sommerurlaub mit meiner Mutter an der Nordsee erinnern. Ich war 11 Jahre. Wir sind häufig am Strand spazieren gegangen und einmal bis zum FKK – Bereich gekommen. Ich war hochgradig neugierig und habe gehofft einen Jungen zu sehen, der im Intimbereich so auszieht wie ich. Also wollte ich dort bleiben und mir alles genau anschauen. Natürlich habe ich mir auch überlegt, mir selbst die Badehose herunterzuziehen. Ich war, wenn mich meine Erinnerung nicht trügt, kurz davor. Eine Aufmunterung meiner Mutter, das Überzeugen, dass, salopp formuliert, mein Penis schon nicht abfallen wird, vielleicht sogar eine Motivation durch Belohnung, das blieb leider aus. Aus heutiger Sicht bedaure ich das.
Also, ich habe natürlich keine Studien zu Rate gezogen. Vieles, was zu meiner Auffassung geführt hat, basiert auf meinen Erfahrungen mit mir selbst und meinen Kindern. Bestärkt wurde das durch Meinungsaustausch in der realen und virtuellen Welt. Da waren auch Menschen dabei, die schrieben, dass sie Nacktschwimmunterricht erlebt haben und dass das ggf. nach einer Eingewöhnungsphase zur Selbstverständlichkeit wurde. Und wenn es einmal zu Bodyshaming kam, war das nur kurz….
Liebe Grüße an Dich und die anderen