leniEinmal aber schriebst Du, dass ein Mann sich einem wiederholten Kontakt verweigert habe. Also hast Du dann doch einen Versuch unternommen? Lief das so, indem er sich in irgendeinem der vielen möglichen social media abgemeldet hat und Du ihn nicht mehr erreichen konntest/kannst? - Meines Erachtens kommt es für Dich darauf an, einmal Deine eigenen Werte zu klären: z.B. welchen Wertkompass verbindest Du mit dem Gedanken an eine Beziehung? Das ist gar nicht trivial.
Im folgenden stelle ich Dir ganz unterschiedliche Fragen, die Du Dir selbst - am besten schriftlich - beantworten solltest:
- Welche Art Partner wünschst Du Dir. Soll er sehr zugewandt und liebevoll sein? Sehr anhänglich? Oder eher autark, stark und freiheitsbewusst? Soll er ein Familienmensch sein oder eher nicht?
(Das lässt sich hier unbegrenzt fortspinnen - ich bleibe bei wenigen Beispielen)
- Was möchtest Du selbst in die Beziehung einbringen. Was möchtest Du für ihn sein?
- Welche Rolle sollen das Körperliche, die Zärtlichkeit, die Sexualität in einer von Dir gewünschten Beziehung spielen?
(Das geht uns hier im Forum nichts an - aber glaube mir, dass eine Therapeutin Dich danach fragen würde! Das weiß ich aus eigener Erfahrung. Es ist alles andere als unwichtig für das Wertmuster, welches Du mit einer Partnerbeziehung verbindest).
- Welcher Mensch möchtest Du unabhängig von einem Partner sein?
Welche Art von Anerkennung benötigst Du? Was kannst Du Dir selbst geben?
Was könnte Dir jemand anderer geben, und was sollte er Dir unter allen Umständen geben?
Wie authentisch möchtest Du anderen Menschen gegenüber, vor allem aber einem möglichen Partner gegenüber auftreten?
Welche Erwartung hast Du an Dich selbst, was Authentizität angeht. Möchtest Du lieber Gefühle verbergen aus Angst verletzt werden zu können? Oder bist Du dann doch bereit zu dem Wagnis, Dich mit allem, was Du bist, nicht zu verstecken? Deine Gedanken und Gefühle einem Partner gegenüber preiszugeben, obwohl immer das Wagnis besteht, missverstanden und nicht akzeptiert zu werden? (Jede Art von Beziehung zwischen Menschen kann zu Enttäuschungen führen. Wer keine Enttäuschungen in kauf nimmt, sollte besser keine Beziehung eingehen. Daher ist es immer wichtig, mit sich selbst zu klären: Wozu bin ich bereit? Wie weit möchte ich gehen? Was kann ich verkraften? Welche Art von Verständnis erwarte ich von dem anderen?).
Du wirst beim Aufschreiben Deiner Werte relativ schnell erkennen, dass Ambivalenzen existieren. Z.B. könntest Du den Wunsch haben, endlich einmal bei jemand anderem so richtig gut "aufgehoben" zu sein und mit allem, was Du bist, angenommen zu werden. Andererseits ist dieser Gedanke auch erschreckend, denn das Verletzungspotential ist groß. Übrigens bei uns allen - ohne Ausnahme.
Wenn wir aber bei den Ambivalenzen verharren, werden wir unglücklich, vielleicht sogar todunglücklich.
Es geht daher um Entscheidungen, um ein Commitment.
Im nächsten Schritt geht es darum, alles zu tun, damit das Commitment auch REAL wird und nicht nur in der Phantasie existiert.
So könntest Du beispielsweise mal überlegen, was schrecklicher für Dich ist:
- seine Gefühle einmal kundzutun, die "Sturheit" aufgeben, von der Du schreibst
- oder sich vor einer Selbstkundgabe zu drücken, nicht zu Deinen Gefühlen und Deinem Interesse zu stehen und auf diese Weise schon an der Anfangshürde der Beziehungsaufnahme zu scheitern?
Vielleicht suchst Du ja eine Zuflucht bei so einem Zwischending zwischen den beiden Alternativen. Aber ob so ein Zwischending mehr ist als eine Ausflucht?
Am Ende muss doch ein klares Commitment stehen. Dies muss sich auf die Realität und nicht nur Träume beziehen, wie die Wirklichkeit doch eigentlich sein sollte. Wenn Dir ein solches Commitment gelingt, werden Dir auch folgende Sätze über die Lippen kommen:
"Es ist schön, mit Dir gemeinsame Zeit zu verbringen. Was sich daraus zwischen uns entwickeln könnte, weiß ich noch nicht. Aber ich würde Dich gerne wiedersehen."
Wenn es genau das ist, was Du empfindest, dann sage es, dann drücke es aus, dann stehe dazu. Und komme nicht auf den Gedanken, genau das Gegenteil zu sagen, damit er Deine Selbstkundgabe widerlegen sollte. Denn damit signalisierst Du, dass Authentizität nicht gerade Deine Stärke ist. Aber wozu Beziehungen führen, wenn man sie nicht als authentische Kommunikation versteht?
In der ACT sollen wir lernen, genau das zu tun, was unseren Zielen entspricht. Gesellschaftliche Konventionen, sich zu verstecken, passen eben nicht dazu. Überlassen wir solche Spielchen meinetwegen Politikern. In meinen persönlichen Beziehungen will ich doch mehr erreichen.
Dazu muss man sich erst einmal über seine Ziele im Detail klar werden (das Wort Detail ist hier wichtig!). Schließlich bedarf es eines ziemlich disziplinierten Commitment, um wertorientiert zu leben.
Was Dir helfen könnte, ist die Erkenntnis, dass es letztendlich zu einem Commitment keine Alternative gibt, wenn man nicht unglücklich werden möchte. Das Wagnis ist überhaupt keines: Der Kern Deiner Persönlichkeit wird z.B. nicht dadurch tangiert, dass Du Gefühle äußerst oder nicht äußerst. Ich hoffe, dass Du zu der Erkenntnis kommen kannst.
Du wirst dann auch lernen, genau die Menschen (darunter auch möglichen Partner) wertzuschätzen, die Dich weiterbringen können, da sie tatsächlich Deinen Werten entsprechen.