juppiduhgenau das ist das Problem.
Es gibt keine Diagnose, aber wenn es sich um ADHS handeln sollte, ist das "Benehmen" ein Symptom einer Krankheit und keine Frage von Erziehung und Benehmen. Das lässt sich mit "Erziehung" und "Benehmen beibringen" ebenso wenig ändern wie ein Hautausschlag.
Schlimmstenfalls (und das meine ich wirklich als SCHLIMMSTENFALLS ) kann man eine so starke Angst erzeugen, dass es die äußeren Anzeichen unterdrückt - wobei die in den Fällen arg sein müsste um stärker als das zu sein. Diese Kinder sind dann recht sichere Kandidaten für die hohe Selbstmordrate unter AD(H)S-Betroffenen. Alles, was sie damit lernen, ist dass sie es nie schaffen werden, "richtig" zu sein. Kontrolle lernen sie so nicht. Änderung der Ursachen gibt es so auch nicht.
Eltern, die sich "in Grund und Boden schämen" erhöhen nur den so schon immensen Druck auf das Kind, also ich kann nur hoffen, die Eltern, um die es hier geht, tun das nicht. Oder höchstens weil sie sich nicht um die Diagnostik kümmern.
Als ich in dem Alter war, gab es die Krankheit schon - aber noch keine Diagnose (von ADS, nicht AHDS in meinem Falle).
Heißt im Klartext: Ich habe immer eeeeeeeeeeeeeeeewig gebraucht, um mit meinen Hausaufgaben fertig zu werden. Oder mit Augaben überhaupt. Mit den Klassenarbeiten meist nicht fertig geworden und deswegen schlechte Noten kassiert. Weil mich jede verdammte Fliege an der Wand, jede Bewegung, jedes Geräusch, jedeŕ Gedanke, jeder noch so unwichtige Mist von den wichtigen Dingen abgelenkt hat. Laute Musik zu den Hausaufgaben hätte geholfen. Ein nebenbei laufender Fernseher auch - war nur leider uuuundenkbar, sowas darf man nicht, das ist falsch, falsch, falsch - naja, hat mich später durchs Studium gebracht, denn da konnte es mir keiner mehr verbieten, ich habe nicht mehr bei meinen Eltern gewohnt.
Was haben Eltern, Lehrer, ... alle anderen gesehen: ist intelligent, aber es kommt nichts bei rum => ist "stinkend faul"! Oh und natürlich waren meine Eltern der Meinung, sie müssten mir ganz dringend Fleiß anerziehen.
Kann ich ihnen nur bedingt vorwerfen, zu der Zeit war ADS als Erkrankung unbekannt. Aber hätten sie mal gedacht und hinterfragt und mir mal zugehört / geglaubt... Schön ist anders. Ganz sicher. Schon allein die Sprüche ala "Du träumst wieder" taten nur noch weh, ich WOLLTE ja soooo gern mal einfach damit aufhören, aber so sehr ich mich auch angestrengt habe - es GING NICHT.
Als Teenager habe ich oft darüber nachgedacht, einfach vom Hochhaus....
Später als Erwachsener... im Berufsleben war ich so am Ar***, dass ich auf der Arbeit, mitten im Tippen (!) in den Sekundenschlaf gefallen bin. Wenn ich nach Hause kam, bin ich im Grunde nur noch ins Bett. Ich konnte eh keinem Gespräch mehr folgen, ich hatte in der Mitte des Satzes den Anfang schon wieder vergessen und bis zum Satzende war ich ganz wo anders mit meinen Gedanken. Ich habe buchstäblich jeden Funken Energie verbrannt, um "fleissig" zu sein, wie man es mir nachdrücklichst "BEIGEBRACHT" hat (und da waren Ohrfeigen noch mein geringstes Problem). Und dennoch ist nicht wirklich etwas sinnvolles bei heraus gekommen, wie man sich bei "Sekundenschlaf beim Tippen" denken kann.
Oder ich habe mich mit jemandem unterhalten, der mir gerade von einem schlimmen Problem erzählt hat, sagen wir der Kündigung im Job - und bin demjenigen mit "oh guck mal dort, das Flugzeug, das ist ein Transatlantikflug" ins Wort gefallen, weil bei mir nun einmal die unwichtigsten Eindrücke ever auch die WIRKLICH wichtigen überdecken und ich das ausgesprochen hatte, bevor ich in die Situation zurück gefunden hatte. Oh und an der Erziehung haben meine Eltern auch so gar nicht gespart.
Die ADS - Diagnose habe ich dann mit über 30 bekommen, weil einer meiner behandelnden Ärzte davon ausging, dass meine Persönlichkeitsstörungen (Borderline und schizoide Persönlichkeitsstörung) von einer unbehandelnden AD(H)S - Erkrankung in der Kindheit herrühren können, die "wegerzogen" wurden. Ich kann ihm schwer wiedersprechen, zumal die Kombination AD(H)S und Borderline wirklich recht häufig ist.
Nun, lange Rede kurzer Sinn: ab da erhielt ich Methylphenidat ( "Ritalin" ), am Anfang ausschließlich zum selbst bezahlen, inzwischen ist anerkannt, dass die Erkrankung nicht mit 18 aufhört und die Medikamente werden (zzgl. Zuzahlung) von der Kasse getragen.
Seit dem habe ich ein Leben. Meine berufliche Leistung liegt ohne Übertreibung mindestens beim 6fachen. Meine Familie hat noch etwas von mir, wenn ich nach der Arbeit nach Hause komme oder am WE da bin und ich kann noch etwas anderes machen als schlafen, wenn ich frei habe.
Aber mein Verständnis dafür, eine (potentielle) Erkrankung mit "Erziehung" zu bekämpfen liegt bei Null.
Mein Verständnis dafür, ein Kind weiter in dieser Hölle zu lassen, wenn man nicht ahnungslos ist, sondern selbst von einer Erkrankung ausgeht, liegt weit unter Null.