Du hast in deinem letzten Post wahrscheinlich den Nagel auf den Kopf getroffen. Es geht um ein Bedürfnis in dir, einmal NICHT die starke, reflektierende, über alles stehende sein zu müssen, sondern aufgefangen zu werden.
Und so wie du es beschreibst, "zerfällt" dein Freund selbst in 100 Stücke, wenn's mal kritisch wird.
Es ist natürlich eine unheimliche Stärke, seine Emotionen in den Griff zu bringen, das steht außer Zweifel. Darauf kannst du immer wieder zurück greifen, diese Ressource hast du eindeutig.
Es gehört aber auch zum Menschsein dazu, sich fallen lassen zu wollen, und "das alles", geborgen im Schoß, vertrauensvoll abgeben zu können. Ist das nicht möglich, fehlt etwas. Der Stresslevel (Cortisol) ist ständig erhöht, Regeneration schwieriger, Erschöpfung häufiger.
Wir lernen, mit Alter & Erfahrung, bestimmte Dinge gelassener zu sehen, Führung und Verantwortung zu übernehmen, aber wie du es beschreibst, es bleibt ein schaler Nachgeschmack, wenn man in einer Partnerschaft das Gefühl vermisst, für die emotionale Stimmung alleine verantwortlich zu sein.
In der Tat lese ich aus allen Postings Dauerverantwortung raus. Wie eine Mutter für ihr Kind oder zumindest eine Kindergartenpädagogin für ihren Schützling.
Mir persönlich wäre das inzwischen zu wenig Augenhöhe für eine schöne Beziehung, müsste ich doch dauernd in der neutralen Metaebene bleiben. Für die "Klärung" nicht schlecht, aber als Dauerzustand fatal. Echtes Einlassen, Vertrauen und Hingabe, absolute Wohltaten, sind schwierig bis unmöglich.
Ich sag nicht, dass sich das nicht entwickeln kann, aber derzeit schaut es so aus, als würden sich die Rollen bei euch ganz tief einzementieren. Deine Stärke, das Verantwortung übernehmen, seine Unerfahrenheit und Labilität... ein "Gleichgewicht" ohne Ausgleich, keine Waage, sondern eine tiefe Kuhle, wo man schwer wieder raus kommt.
Also Geduld, Zeit, abenteuerliche, teilweise kräftezehrende und schmerzhafte Reisestrecken liegen vor dir. Du wirst dich selbst noch besser kennenlernen, der Leideweg als Offenbarung, klingt fast schon christlich. Als aufgeklärte Menschen haben wir allerdings die Wahl, nicht immer den schwersten Weg zu wählen.
Alles gute für deine Entscheidung
Wünscht Frau evi