Ich habe dem Spiegel auf diesen Artikel hin ganz ausführlich geschrieben, weshalb der Artikel sowie die derzeitigen Empfehlungen einfach Mist sind. Es wurde sogar etwas davon bei den Zuschriften gedruckt, aber wie zu erwarten leider nur ein relativ nichtssagender kleiner Abschnitt. Ich muss normalerweise meine eigene Meinung auch nicht irgendwo geschrieben sehen, aber es regt mich hier unglaublich auf wie hier wieder junge Eltern unglaublich verunsichert werden mit, das kann man eigentlich nicht anders nennen, Fake News. Vlt liest es ja hier doch jemand, der sich durch den Artikel verunsichert fühlt, aber vlt ein Kind hat, dass nicht freudig eine Brustmahlzeit monatlich durch Brei ersetzt haben will. (Ich bin Ökotrophologin und starte demnächst in die Ausbildung zur Still- und BLW-Beraterin,also vlt auch nicht ganz inkompetent...)
"Leider hat der Spiegel wieder einmal die Chance vertan, sachlich und differenziert zu einem sehr interessanten Thema zu berichten und zeigt sich wieder eher als die Bild-Zeitung für Akademiker. Die Recherche für den Artikel scheint tatsächlich lediglich auf den zwei angeführten Youtube-Videos und zwei Gegenstimmen von Experten zu beruhen. Damit versucht Frau Hackenbroch dann ihre offenbar eigenen negativen Ansichten zum BLW zu untermauern, aber das leider auch sehr schlecht.
Sie scheint sich weder die Mühe gemacht zu haben, das BLW-Standardwerk „Baby-led weaning: Das Grundlagenbuch“ von Gill Rapley und Tracy Murkett zumindest einmal querzulesen, noch andere Expertenfürstimmen anzuhören. BLW ist ja im Wesen nicht neu und Gill Rapley weder die Erfinderin einer extremen Randbewegung, noch die einzige qualifizierte Fürsprecherin dieser Ernährungsweise. Bekannte Kinderärzte wie Herbert Renz-Polster oder Verbände wie die Arbeitsgemeinschaft Freier Stillgruppen (AFS; in der u.a. medizinisches Fachpersonal organisiert ist) sprechen sich unter den Bedingungen, die auch Rapley in ihrem Buch anführt, durchaus für diese Form der Beikosteinführung aus.
Dazu gehört, dass es sich um ein gesundes, altersgemäß entwickeltes Kind handelt und die Eltern ihm insgesamt eine breite Palette gesunder, vollwertiger und geeigneter! (welche das wann sind, wird näher erklärt) Nahrungsmittel anbieten und bei jeder Mahlzeit auf jeden Fall einige verschiedene. Natürlich sollten diese größtenteils in einer Konsistenz und sonstigen Beschaffenheit dargeboten werden, die es dem Kind in seiner jeweiligen Entwicklungsphase ermöglichen, sie zu greifen, zum Mund zu führen und dort zu zerkleinern. Auch ohne Zähne kann ein gesundes 6 Monate altes Baby so sehr wohl eine Avocado, gut gegarte Zucchini oder Melone essen. Und auch Brei, mit dem die Eltern für das Kind einen Löffel zum selbst essen befüllen, ist explizit „erlaubt“. Sollte es sich um ein Frühchen oder auf irgendeine Art körperlich nicht voll entwickeltes/gehandicaptes Kind handeln oder man anderweitige Bedenken haben, diesen Weg der Beikosteinführung zu wählen, wird ausdrücklich dazu geraten, Rücksprache mit einem Ernährungsberater und/oder Kinderarzt zu halten.
In der Regel haben Eltern, die sich aktiv für BLW entscheiden, sich vorher Rapleys Buch zu Gemüt geführt und/oder einen der von Ihnen auch angeführten Breifrei-Workshops besucht. Bei beiden wird durchaus auch darauf hingewiesen, dass eine Mischform von Brei und Fingerfood ebenso möglich ist. So wird es ja sogar von der DGKJ ab dem 6. Monat empfohlen (bei der dann natürlich auch keine geringere Gefahr des Erstickens oder Verschluckens besteht). Es wird auch erwähnt, dass selbst in Naturvölkern Nahrungsbrei gefüttert wird. Wie natürlich also ein Eingreifen bzw. Hilfe durch die Eltern beim Zufüttern ist, darf der geneigte Leser/Teilnehmer somit in Frage stellen. Auch davon, sich weitergehend über andere Formen und Bedingungen der Beikosteinführung zu informieren, wird nicht abgeraten. Bis auf die Aussage, dass das Kind gänzlich allein essen sollte, entsprechen Rapleys Empfehlungen auch voll und ganz denen der WHO. Diese empfiehlt ebenso lediglich das Anbieten geeigneter Speisen ab dem 6. Monat. Dabei definiert sie weder Art noch Menge der Nahrungsmittelgruppen genauer oder formuliert gar ganze Speisepläne. Sie rückt allerdings die Bedeutung des Stillens auch über das erste Lebensjahr hinaus sehr in den Vordergrund, im Gegensatz zur DGKJ. Das die Eltern auf mögliche Entwicklungsverzögerungen oder Mangelerscheinungen bei ihrem Kind achten, sollte sich ja eigentlich bei jeder Ernährungsform von selbst verstehen. Das extreme Beispiel, das im Artikel zur Fehlernährung mit BLW angeführt wurde, spricht daher nicht generell gegen die eine oder für eine andere Form der Beikost.
Zu den angeführten Videos: Ich wage zu behaupten, dass auch ein „Breikind“ bei der Einführung der Beikost und gerade beim ersten Mal eher weniger vom Essen tatsächlich in den Bauch bekommt. Außerdem ist es auch beim BLW durchaus erlaubt und sogar gewollt, Obst und Gemüse von der Schale zu befreien und vom Hund verschlepptes zu ersetzen. Nein im Ernst, Sie können doch nicht diese beiden Videos heranziehen, um zu behaupten, dass das selber essen nicht funktioniert?!?
Im übrigen ist es in der Tat so, auch wenn es Sie schockieren mag, dass Kinder leider nicht vor der Dummheit, Des- oder Fehlinformation ihrer Eltern geschützt sind, egal bei welcher Ernährungsweise. Das hat nicht Gill Rapley oder das Konzept des BLW zu verantworten. Eine Mutter kann stillen und mangel- oder fehlernährt sein, das Fläschchen fortwährend mit zu heißem Wasser aufgießen, wobei wichtige Nährstoffe zerstört werden, es zu lang stehen lassen, wobei sich Keime rasend vermehren. Ihr kann nicht bekannt sein, dass auch die DGKJ bemängelt, dass in Gläschenkost zu wenig Fett enthalten ist oder ein Gute-Nacht-Brei mit 40,2% Zucker vlt. auch nicht ideal für ein Baby ist, auch wenn beides sogar explizit zur Fütterung ab dem 6. Monat in den Handel kommt... Ich gehe davon aus, dass Säuglinge aufgrund dieser Umstände mindestens genauso häufig einen Mangel erleiden oder gar schwer erkranken, wie durch eine falsche oder unangebrachte „Selbstfütterung“ mit der Familienkost. („Ein Schuh“ gehört übrigens auch nicht zu einer gesunden Baby-Ernährung, auch nicht als Brei verfüttert. Das die intuitive Auswahl richtiger Nährstoffe auch in der oralen Phase nicht unbedingt nur „esoterischer Unfug“ ist, weiß sicher auch Dr. Caroli. Das Experiment das Dr. Clara Davis hierzu in den 20er/30er Jahren durchführte, ist in der Fachwelt allgemein bekannt.)
Einfach die Tatsache anzuführen, dass ein Eisenmangel erwiesenermaßen schlecht für die kindliche Entwicklung ist, ist übrigens kein Argument für oder gegen irgendeine Ernährungsweise. Ja, Flaschennahrung ist mit viel Eisen gegenüber der Muttermilch angereichert. Dafür gibt es sogar einen guten Grund. Das Eisen in der Muttermilch liegt in einer Form vor, die wesentlich besser aufgenommen wird, auch als das in anderer Nahrung. Auch die AFS sagt, dass Eisenmangel kein Problem von Stillkindern ist. Es gibt durchaus Untersuchungen, die zeigen, dass auch ein bis zum 8. Lebensmonat voll gestilltes Kind keinen Eisenmangel aufweisen muss. Ihre Kollegen von der Zelt haben zu dem Thema ebenfalls einen interessanten Artikel veröffentlicht (Stillkinder brauchen kein Fleisch aus Gläschen, von Andreas Fasel). Darin wird auch beschrieben, dass die Empfehlungen von FKE und DGKJ zur Eisenaufnahme mit der Beikost bzw. nicht ausreichenden Eisenmengen aus der Muttermilch doch auf sehr fragwürdigen Studien fußen. Mal abgesehen von der Zusammenarbeit der Mitarbeiter der Institute mit namhaften Babynahrungsherstellern, die mitunter auch an der Finanzierung derartiger Studien beteiligt sind. Oder etwa, dass Beteiligte parallel Bücher zum Thema Brei auf den Markt bringen. Ob man nur der Statistik trauen sollte, die man selbst gefälscht hat, hätte hier sicher im Zuge einer angemessenen Recherche vom Spiegel hinterfragt werden dürfen. Und hätte man bei dieser auch noch Rapleys Buch gelesen, hätte man auch dort einen Absatz gefunden, in dem darauf hingewiesen wird, dass auf die Eisenzufuhr zu achten ist, wie diese verbessert werden kann und eine Tabelle in der die Eisengehalte verschiedener Nahrungsmittel aufgeführt sind.
Der Spiegel hätte durchaus auch fragen dürfen, weshalb dieser (vermeintlich neuen) Bewegung denn so viele „Jünger“ zuströmen. Der Brei-Fahrplan der DGKJ mag sehr hilfreich und sinnvoll für Eltern sein, die keine Zeit, Lust oder die geistige Fähigkeit haben sich weitergehend mit dem Thema Säuglings- und Kinderernährung zu befassen. Was tun allerdings solche mit mehreren Kindern, denen die zeitlichen und finanziellen Ressourcen fehlen, separate Breie nach Rezept zu kochen und zu verfüttern oder ständig vergleichsweise teure Gläschen zu kaufen? Oder was ist, wenn man einfach eines der (gar nicht so seltenen) Babyexemplare besitzt, die sich nicht füttern lassen möchten oder einfach keinen Brei mögen? Vom 6. bis zum 10.Monat, in dem die DGKJ-Empfehlungen auch die Familienkost erlauben, ist es dann eine lange Zeit. In solchen Fällen wird der Versuch, das Kind ins gängige Breischema zu pressen ein einziger Kampf für Eltern und Kinder. Da sehen Eltern sich gezwungen, das Kind abzulenken, um den Löffel in den Mund zu mogeln oder gar gemeinsam festzuhalten und ihn irgendwie hineinzuzwingen. Denn der Brei muss ja laut Fahrplan eingeführt, die Mengen gesteigert und monatlich ganze Milchmahlzeiten ersetzt werden. Vollkommen gesunde Kinder werden quasi zwangsernährt. Da kann die DGKJ mit dazu schreiben, dass kein Kind gezwungen und auf Sättigungssignale beachtet werden sollen, wenn gleichzeitig eindringlich vor einem drohenden Nährstoffmangel bei Nicht-Einhaltung des Plans gewarnt wird (und Kinderärzte und nun auch der Spiegel noch zusätzlich Druck machen). Üben Eltern hier keinen Zwang bei der Fütterung aus, stehen sie am Ende vor dem gleichen „Problem“ wie BLW-Eltern. Und Alternativen scheint es nicht zu geben. Jedes Heft, das einem bei Vorsorgeuntersuchungen und nach der Entbindung im Krankenhaus in die Hand gedrückt wird, enthält lediglich und ausnahmslos die Empfehlungen der DGKJ. Sofern Hebammen und Kinderärzte sich nicht selbstständig über diese hinaus weiterbilden, erhält man auch hier nur die Anweisung, spätestens nach dem 6.Monat den Brei gemäß Schema einzuführen. Wenn man Pech hat, wird vom Kinderarzt sogar schon ab dem 4. Monat gefordert eine Milchmahlzeit ersetzt zu haben (denn ab dem 4.Monat erlaubt der Breiplan ja das Zufüttern). Reifezeichen werden vom „Fachpersonal“ aufgeweicht und so sitzen junge Mütter dann da, vor sich ein Säugling im Maxicosi zurückgelehnt. Und füllen dessen Bauch über den Zungenstoßreflex hinweg mit kalorienarmen Karottenbrei, der auch nicht selten zu Verstopfung führt, statt mit Muttermilch. Diese beliebte Position ist ebenfalls wunderbar zum Verschlucken geeignet. (Es gibt übrigens bereits eine Untersuchung die zeigt, dass Babys sich beim Selbst essen und gefüttert werden gleich häufig verschlucken. Gerade „Breikinder“ erbrechen sich sogar häufig, sobald der Brei dann nicht mehr ganz fein püriert gefüttert wird.) Ist das dann im Sinne der Kinder und sind hier Ihrer Meinung nach die Eltern vom selbstständigen Denken befreit, da sie ja den offiziellen Empfehlungen folgen?
Sie hätten durchaus auch hinterfragen dürfen woher denn die heutigen Empfehlungen stammen. In Zeitpunkt der Einführung und Menge des verabreichten Essens entsprechen diese nicht unbedingt dem, was als natürlich für die Entwöhnung eines Säuglings von der Muttermilch anzusehen ist. Sie entstanden aus der Tatsache, dass auch Frauen zur Arbeit in Fabrik und Büro gingen und auch, um die erheblichen Nährstoffdefizite der frühen Säuglingsmilchnahrung auszugleichen. Die FKE überprüfte dann irgendwann, ob sich nach diesem Schema gefütterte Säuglinge gut entwickelten und keinen Nährstoffmangel erlitten. Und so war es. Das System „hat sich bewährt“ hieß es dann und wurde zum allgemeinen Standard erhoben. Das kann doch aber im Umkehrschluss nicht bedeuten, dass jede andere Ernährungsweise einen Mangel verursacht. Festzustellen, ob beim BLW gegenüber der konventionellen Beikostfütterung Nährstofflücken entstehen, wäre denkbar einfach. Da ja offenbar eine berechtigte Sorge um das Kindeswohl zu bestehen scheint, könnten schlicht Ergebnisse aus den U6-Untersuchungen gesammelt werden. Der Allgemeinzustand wird dabei ohnehin beurteilt und es wird über die Ernährung gesprochen. Eine Frage nach der Art der Beikostmethode, ob zusätzlich noch gestillt oder die Flasche gegeben wird und evtl. eine Blutuntersuchung.
Nun gibt es ja aber auch andere Zeiten und andere (auch mit Deutschland vergleichbare) Länder, in denen nicht nach hiesigem Breiplan gefüttert wird und wurde. Und tatsächlich auch dort Kinder, die das ganze unbeschadet überleben. Ist das dann eine reine Glückssache oder sind das dann auch nur die, vor denen die Eltern ein Flugzeug Möhrchenbrei für die Oma kreisen lassen, bis es gegessen wurde?
Ob nun die Empfehlungen der FKE/DGKJ oder die von Gill Rapley zur Art der Durchführung von BLW, denn beides sind nichts weiter als Empfehlungen - zu dogmatisch verfolgt und ohne gesunden Menschenverstand können beide Wege an den Bedürfnissen des jeweiligen Kindes vorbei zielen und ihm gegebenenfalls sogar schaden. Bei richtiger Durchführung kann das (mehr oder weniger selbst geleitete) essen des Babys am Familientisch von Beginn an Familien viel Stress ersparen, das Kind vor allem in seiner motorischen Entwicklung fördern, zu einem gesunden Essverhalten für das weitere Leben beitragen und allen Beteiligten dabei sogar Spaß machen. Das setzt wie auch das reine Breifüttern selbstverständlich voraus, dass man grundsätzlich darüber informiert ist, was eine ausgewogene Ernährung ist, welchen besonderen Nährstoffbedarf ein Säugling/Kleinkind hat und dass man sich mit dem Kind ausreichend beschäftigt, um den Entwicklungsstand einschätzen zu können und ggf. Warnsignale für einen Mangel frühzeitig zu erkennen.
Sie ahnen es sicher schon, auch ich bin „Jüngerin“ der BLW-Bewegung. Ich habe mein Kind schlicht geeignete Erwachsenenkost mitessen lassen, in allen Konsistenzen, die es gibt. Dazu gehören auch Muße und Breie. Phasenweise wollte sie sogar gefüttert werden und ich bin diesem Wunsch nachgekommen. Auch bei einem verkehrt herum gehaltenen Löffel habe ich durchaus auch mal unterstützend eingegriffen. Ansonsten wurde und wird sie weiter nach Bedarf gestillt. Nun ist sie fast 14 Monate alt, Altersgenossen in der Entwicklung oft sogar weit voraus und hat bei keiner Vorsorgeuntersuchung je Anlass zur Sorge gegeben.
So verstehen und praktizieren alle halbwegs intelligenten Eltern Baby-led weaning und deren Kinder sind dann auch nicht gesünder oder kränker als konventionell ernährte Babys."