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In der Kolumnen-Reihe "60 Stimmen" schreiben unsere Leserinnen. In diesem Artikel: Carolin Kebekus hat die Schnauze voll von dem Druck und Stress, der durch Frauenzeitschriften aufgebaut wird.
Liebe Brigitte,
Ich hasse Dich! Vielleicht nicht Dich persönlich... Sagen wir, ich hasse Deine Zunft: Frauenzeitschriften.
Makellose Frauen mit makellosen Gesichtern strahlen mich von Euren Titelseiten an. Daneben stehen Eure Themen. Am fettesten gedruckt sind immer entweder die Diättipps, oder die Fitnesstipps, die meine niedersten Instinkte antriggern und immer mit dem Wort "endlich" beginnen. "Endlich"... einen flachen Bauch.... endlich.... die Bikinifigur.... endlich schlank. Und schon weiß ich wieder: Ich bin zu fett. Natürlich weiß ich, dass ich es nicht bin. Aber irgendwie auch wieder nicht. Ständig werde ich aber gezwungen, darüber nachzudenken, ob es nicht doch so sein könnte.
Wie viel Lebenszeit ich schon verschwendet habe, um über meinen Hintern nachzudenken. Denn durch Euch bin ich ja erst darauf gekommen, dass Cellulite scheiße aussieht.
Aber warum erzählt Ihr mir das? Klar, die Hälfte Eurer Hefte besteht aus Werbung, meistens für teure Kosmetik. Damit ich die kaufen möchte, muss ich ja erstmal denken, ich würde das brauchen.
Dafür sorgt Ihr mit Euren Artikeln und kriecht uns damit unter die Schädeldecke. "Gönnen Sie sich doch mal einen schönen Obsttag", "Ist es nicht schön, etwas für sich zu tun?", "Jede Frau hat doch Zeit für zehn Minuten Arschgymnastik am Tag".
Und immer habt Ihr hilfreiche Tipps zur Hand: Es ist nicht nötig, sich mit 40 schon unters Messer zu legen, wenn man mit 20 schon anfängt Botox zu benutzen. Das ist ja toll!
Mein Leben wäre so viel einfacher gewesen! Hätte mir einfach jemand mal die Wahrheit gesagt: Cellulite ist nur eine Frage der Beleuchtung! Mehr nicht!
Aber das dürfen wir nicht wissen, denn wir sollen uns lieber die teure Arschcreme für 80 Euro kaufen.
Aber Ihr seid es ja nicht alleine, an jeder Ecke werden wir Mädels heute angeschrieen, von Werbeplakaten, im Internet, in Modeblogs, bei Youtube...
Der Druck auf uns ist größer als je zuvor, ich muss nicht nur immer geil aussehen und studiert haben, ich muss auch 'ne Firma leiten, ein Haus bauen, meine Eltern pflegen und im Durchschnitt noch 1,3 Kinder bekommen. Wann soll ich das denn alles machen?
Eine Freundin von mir ist gerade schwanger und die hat panische Angst vor der Geburt. Natürlich total unmodern, heutzutage muss man so 'ne Geburt als moderne Frau doch im Lunchbreak wegatmen können.
Aber wenn du heutzutage die Geburt hinter dir hast, dann darfst du dich nicht erst mal auf deinen Lorbeeren ausruhen, dann geht der Stress erst richtig los. Denn mittlerweile ist es ja selbstverständlich geworden, dass man deinen Afterbabybody bewertet.
Afterbabybody, das ist für mich echt das Hasswort des Jahrtausends. Warum gibt es dieses Wort überhaupt? Jeden Tag bekommen wir aufs Brot geschmiert, welche Kackstelze, wie viele Minuten nach der Geburt wieder Unterwäsche modelt und in der Bild-Zeitung ihr abgemagertes Sixpack und ihre ausgemergelte Fresse präsentiert. Es ist ganz einfach, wieder fit zu werden... Man muss einfach nur 'n bisschen mehr Sport machen, ist gar kein Problem. Was?
Es gibt sogar einen Fitnesstrainer, der nennt sich den "Milf-Macher". Der trainiert reichen, hirnlosen Moderatorinnen ihren Mutterspeck in Sekundenschnelle ab, damit ihr Mann nicht ins "Pascha" geht und sie schnell wieder ne Milf wird. Milf? Nicht bekannt? Eine Milf ist eine Mom I'd like to ... Also ich hab mit vielen Müttern gesprochen, aber wenn die in den ersten Wochen nach der Geburt auf eine Sache keinen Bock hatten, dann aufs Knattern.
Das ist ein riesiger Geschäftszweig, jungen Müttern zu sagen, dass sie zu fett sind! Was für eine geniale Idee...
Jaaaa, man muss nur ganz einfach gut organisiert sein! Das haut uns Heidi Klum jeden Tag um die Ohren und schreit es uns halbnackt von jeder Litfasssäule entgegen! Da bleibt keine Zeit fürs Kind. Mama muss trainieren. Leute, wir diskutieren heutzutage über Mutterschutzgesetze bei der Bundeswehr und in den Familien darüber, ob Mama mit dem dicken Arsch überhaupt noch auf die Straße darf!
Der Afterbabybody. Da wird dir nach den ganzen Schmerzen und dem ganzen Stress ganz subtil gesagt, dass du einfach zu faul bist, um geil auszusehen und das auch noch von den eigenen Leuten. Was für eine gefährliche Entwicklung.
Mittlerweile ist es so, dass sich ganz viele Models das Baby im achten Monat per geplantem Kaiserschnitt rausholen lassen, nur um ein paar Kilos zu sparen. Ist doch krank, oder? Nicht genug, dass wir unser halbes Leben damit verbringen zu überlegen, ob wir fett sind, man muss jetzt auch schnell nach 'ner Geburt wieder fuckable werden. Frauen, die ein Kind gekriegt haben, die haben einen Menschen gemacht! Eigentlich müssten die zu diesen Weibern sagen, kniet nieder ihr Schlampen! Kniet nieder, denn dieser Körper hat Leben erschaffen!
Ich fang jetzt mal an, den Gegentrend zu starten. Ich starte jetzt den Afterbeerbody. Und da kann einfach jeder mitmachen. Prost!