Keine Schuld!
Dank an sunny für die Ausführungen! Genau so ist es, das Opfer trägt niemals die Verantwortung für das Fehlverhalten des Täters.
Aber um noch mal zur ursprünglichen Frage zurück zu kommen: Ich glaube, dass Opfer - oder sagen wir besser Überlebende - die Schuld häufig bei sich selbst suchen, ist kein typisches Frauen-Phänomen. Ich denke, das liegt eher daran, dass man innerlich nach Gründen sucht für das, was geschehen ist. Und gerade wenn es um menschliche Gewalt geht, ist es oftmals unglaublich schwer zu begreifen, dass da tatsächlich ein (oder mehrere) Mensch(en) so dermaßen bösartig und gegen jede Moralvorstellung gehandelt hat. Da ist es naheliegender, zu denken, dass man selbst etwas falsch gemacht hat und es deshalb dazu kam. Es geht ja auch darum, dass man sich irgendwie für die Zukunft rüsten muss: Wenn ich erkenne, dass der andere die komplette Schuld trägt, heißt das, dass ich künftig damit rechnen muss, dass mir wieder so jemand begegnet, der mir wieder so etwas antun würde. Wenn ich dagegen denke, dass ich selbst Schuld war, habe ich eine Chance, so etwas nicht noch einmal zu erleben, indem ich den begangenen Fehler nicht noch einmal mache.
Das Problem ist bloß, dass diese Denkweise völlig daneben ist. Erstens, weil man dann die ganze Zeit eine Schuld mit sich rumschleppt, die eigentlich einem anderen gebührt und zweitens weil man sich eben nicht auf diese Weise 100 %ig vor weiteren Erlebnissen dieser Art schützen kann. Es ist nunmal so, dass da draußen gewaltbereite Menschen rumlaufen und man muss lernen, mit diesem Risiko zu leben.
Schuldgefühle beim Opfer wirken langfristig nur selbstzerstörerisch und haben keinen positiven Nutzen. Daher ist es gut, wenn du mit rationalen Argumenten gegen die Schuldgefühle deiner Freundin angehst. Wahrscheinlich wird das die Schuldgefühle nicht eliminieren, aber trotzdem hilft ihr das zumindest mehr, als wenn du diese Schuldgefühle auch noch bestätigen würdest.