Ich poste Dir mal was dazu,
das Deine Zweifel hoffentlich beseitigen hilft:
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Hintergrund
Einzelkinder: Kindheit ohne Konkurrenz?
Die meisten Paare gründen eine Familie mit der Absicht, später einmal (zwei oder mehr) Kinder zu haben. Wie die Statistik zeigt, bleibt es bei der Absicht. Die Familie mit nur einem Kind ist in den deutschsprachigen Ländern die häufigste Familienform und weiter im Zunehmen begriffen.
Die möglichen Gründe: Eltern stellen nach der Geburt ihres ersten Kindes fest, dass sie ihr Berufs- und Beziehungsleben beträchtlich einschränken müssten, wenn sie sich für ein zweites Kind entschliessen würden. Frauen wollen ihre Berufslaufbahn weiterverfolgen und sind nur für einen kurzfristigen Unterbruch zu haben. Sie lehnen es ab, Haushalt, Kinderversorgung und familienbezogene Aufgaben ihren beruflichen Perspektiven zu opfern oder entscheidend einzuschränken. Mit einem Kind sind diese Ansprüche einfacher zu bewältigen. Auch medizinische Gründe (sekundäre Sterilität) sind möglich, wenn der Kinderwunsch unerfüllt bleibt.
Die Zunahme der Einzelkinder hängt auch mit der progressiven Scheidungsrate zusammen: Paare trennen sich wieder, die Familienplanung ist damit beendet. Auf der anderen Seite sind es die gesellschaftlichen Werte, die sich gewandelt haben: Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung, Prestige, Leistung, Glück und Erfolg haben traditionellen gemeinschaftsbezogenen Werten wie Gruppe oder Familienzusammengehörigkeit den Rang abgelaufen. Kinder sind nicht mehr dazu da, den Lebensabend ihrer Eltern zu sichern, im Gegenteil, häufig stellen sie die Eltern vor ökonomische Probleme.
Vorurteile
Egoïste heisst ein Parfum der bekannten Firma Chanel. Angesprochen werden männliche Einzelkinder: Egozentriert, selbstbewusst, erfolgreich und individualistisch, wie diese Mittelpunktskinder seien, hätte der Name für sie einen ebenso hohen wie positiven Identifizierungsgrad, so die Erklärung der Marktpsychologin des Unternehmens. Als hätten sie auf dieses Parfüm mit dem ansprechenden Namen gewartet, würden sich Männer für diese Chanel-Kreation entscheiden: Egoiste - das bin ich! Ein Parfüm, das zu mir passt!
Auch die Medien tragen mit Schlagzeilen wie Kleine Prinzessinnen und Prinzen - Die neuen Sorgenkinder oder Geschwister bieten Schutz vor den Eltern zur hartnäckigen Zementierung happiger (Vor)Urteile über Einzelkinder bei. So ist denn auch die amerikanische Einzelkindforscherin Judith Blake überzeugt, dass Einzelkinder nur einen Nachteil haben: Sie leiden alle unter den Vorurteilen, die ihnen Lehrkräfte, Nachbar(inn)en, Verwandtschaft und auch andere Kinder entgegenbringen. Sachliche Informationen über das Thema sind oft uninteressant und finden in den Medien keine angemessene Verbreitung.
Was meinen die Einzelkinder?
Die deutsche Soziologin Marion Rollin führte eine Umfrage durch. Anhand offener Fragen mit 48 Einzel- und Geschwisterkindern erfasste sie die persönlichen Erfahrungen der Kinder. Sie wurden aufgefordert, was ihnen spontan im Hinblick auf die Vor- und Nachteile ihrer eigenen Lebenssituation einfiel. In den Antworten zeigt sich, was Einzel- und Geschwisterkinder unterschiedlich erfahren: Einzelkinder haben mehr Freiraum, ihre Individualität auszuleben. Sie geniessen ihr eigenes Zimmer, ihre ungestörte Ruhe und die Tatsache, dass sie die Zuwendung der Eltern beziehungsweise Weihnachts- und Geburtstagsgeschenke mit keinem Geschwister teilen müssen.
Die 11jährige Nadja: Wenn ich Geschwister hätte, würde ich nie soviel Geld und Verständnis kriegen. Ein Einzelkind ist immer zufrieden, weil ihm alles allein gehört, sogar die Eltern. Einzelkinder aber machen, dies zeigt die Umfrage, weniger soziale Erfahrungen in der Familie. Es gibt keinen Streit um Spielsachen, Mamas Bett muss nicht geteilt werden, das Schlittschuhlaufen scheitert nicht an der Rücksichtnahme auf ein kleineres Geschwister.
Umgekehrt ist aber auch niemand da, mit dem man ein Gespräch führen kann, das nicht für die Ohren der Eltern bestimmt ist: Ein Sonntag kann für ein Einzelkind, zumindest bis in die Pubertät, schon mal langweilig sein, wie der 13jährige Nicolas bestätigt: Ich bin ein Single. Das ist eine total einsame Sache. Wenn ich mal was anstellen will, fehlt mir der zweite Mann. Wenn ich was Verrücktes gemacht habe, habe ich nie einen Bundesgenossen, der mir hilft. Man ist immer allein den Eltern ausgeliefert.
Das Einzelkind und seine Eltern
Erich Kästner, ein Einzelkind, beschreibt in seiner Geschichte: Als ich ein kleiner Junge war, wie er von seinen Eltern eifersüchtig umworben wurde. Weihnachten war für ihn der schrecklichste Tag im Jahr. Schon Wochen vor dem grossen Ereignis sass sein Vater nächtelang in seiner Werkstatt und sägte, leimte, schnitzte, nagelte und pinselte neue Spielsachen für seinen Sohn. Die Mutter durchstreifte tagelang die Geschäfte nach Geschenken und füllte damit eine Kommode, bis sie fast platzte.
Es war ein Konkurrenzkampf aus Liebe zu mir, und es war ein verbissener Kampf. Es war ein Drama mit drei Personen, und der letzte Akt fand alljährlich am Heiligabend statt, so Kästner. Die Hauptrolle spielte ein kleiner Junge. Von seinem Talent aus dem Stegreif hing es ab, ob das Stück eine Komödie oder ein Trauerspiel wurde. War es dann soweit, stellten sich die Eltern links und rechts neben dem Gabentisch, jeder neben seine Gaben, als sei das Zimmer samt Fest halbiert. Unter Höllenqualen leidend, pendelte der kleine Junge am Tisch hin und her: Ich freute mich rechts zur Freude meiner Mutter. Ich freute mich an der linken Tischhälfte über den Pferdestall im allgemeinen. Und noch einmal rechts und noch einmal links und nirgends zu lange und nirgends zu flüchtig.
Unbestritten kann sich beim Kind aus dieser Not heraus (auch) Stärke entwickeln. Ein hohes Mass an Sensibilität, sich in andere Menschen hineinzuversetzen, kann der positive Ausdruck dieser Erfahrungen sein: Sobald sich ein Kind mit dem Vater identifiziert, kommt die Mutter, die ganz anders ist und die Gegenseite vertritt, und das Kind nimmt wieder Abstand von ihm und versetzt sich in ihre Lage. Abgrenzung ist für Einzelkinder lebensnotwendig, da sie das Verhalten ihrer Eltern ungefiltert und nicht verteilt auf andere Geschwister erleben.
Doch ein Einzelkinddasein birgt auch die Gefahr des Verwöhnens und Überbehütetseins in sich. Die Gefahr ist gross, dass Einzelkinder zur Projektionsfläche elterlicher Wünsche werden: Das Kind soll so sein, wie man selbst gerne geworden wäre! Noch heute darf dieser heimlich vorhandene Wunsch nicht laut geäussert werden, will man sich nicht der Kritik aussetzen.
Und doch haben solche Wünsche manchem Kind zu besseren Chancen verholfen, meint der Psychoanalytiker und Familientherapeut Horst-Eberhard Richter, selbst ein Einzelkind und heute Vater von vier Kindern: Es ist zweifellos ein normales und grundsätzlich positiv zu wertendes elterliches Bedürfnis, dass ihr Kind die Probleme des Lebens besser lösen möge als sie selbst. Es ist der persönliche Ausdruck des Menschheitsstrebens nach einem besseren Leben für die zukünftigen Generationen. Kritisch wird es dann, wenn die Projektion des elterlichen Ich-Ideals auf das Kind nur dem eigenen Verlangen entspricht, sich selbst zu heilen, seine unbefriedigten Wünsche (narzisstische Bedürftigkeit) und unbewältigten Konflikte über das Kind auszutragen.
(K)ein Unterschied
Unterscheiden sich Kinder ohne Geschwister von Kindern, die mit Geschwistern aufwachsen? Die Antwort der Psychiaterin und Forscherin Cécile Ernst und ihres Kollegen Jules Angst, beide aus Zürich, in ihrer Anfang der achtziger Jahre erschienenen Studie über die Bedeutung der Geschwisterfolge ist eindeutig: Entscheidend, so ihre These, seien allein die Qualität der Beziehung innerhalb der Familie und die soziale Schicht, aus der die Einzelkinder kommen.
In ihrer zwischen 1946 und 1980 ausgewerteten Literatur fanden sie keinen einzigen Hinweis darauf, dass Einzelkinder in ihrer intellektuellen oder charakterlichen Persönlichkeitsentwicklung entweder bevorzugt oder benachteiligt sind, wenn man sie mit Geschwisterkindern des gleichen Umfeldes vergleicht. Einzelkinder hätten es zwar oft schlechter, weil sie häufiger als alle anderen aus geschiedenen oder getrennten Partnerschaften stammen. Der Einflussfaktor sei hier aber die Scheidung, nicht das Einzelkinddasein an sich, betonen Ernst und Angst: Scheidung und Trennung der Eltern kann zwar die Entwicklung der Kinder beeinträchtigen, vergleicht man aber Einzelkinder mit Personen, die denselben familiären Hintergrund haben, lässt sich keine besondere Gefährdung der Einzelkinder erkennen.
Was jedoch die Einzelkind-Eltern angeht, so unterscheiden sie sich laut Hartmut Kasten, Psychologe, Pädagoge und Buchautor, von anderen Eltern in einigen wesentlichen Punkten: Beide Elternteile, vor allem aber die Mütter, legen weniger Gewicht auf geschlechtsrollenkonformes Verhalten bei ihren Kindern. Auch ist ihr eigenes Geschlechtsrollenverhalten liberaler und weniger stark an Stereotypien orientiert. Einzelkind-Eltern messen ihrer persönlichen Freiheit, ihrer beruflichen Karriere und ihrer partnerschaftlichen Beziehung einen grösseren Stellenwert bei als Eltern mit mehreren Kindern.
Insbesondere Mädchen werden in ihrer Geschlechtsrollenerziehung freier erzogen: Väter schenken ihrer Einzelkind-Tochter auch mal ein typisches Knabenspielzeug oder fördern sie technisch und naturwissenschaftlich. Sie fühlen sich nicht genötigt, ein starkes männliches Vorbild abzugeben, sondern können sich auch unmännliches, einfühlsames oder zärtliches Verhalten erlauben.
Anders verhalten sich Väter gegenüber ihrem männlichen Einzelkind: Sie zeigen sich rollenkonformer und wählen für ihr Kind geschlechtstypische Spiele und Spielsachen aus. Das Mädchenspielzeug wird abgelehnt. Väter sind bei ihren Einzelkind-Söhnen in ihrer eigenen Männlichkeit gefordert(er), ihren Kindern ein gutes Vorbild zu sein. Sie greifen dabei auf traditionelle männliche Geschlechtsrollenmerkmale zurück. Umgekehrt erwarten sie von ihren Söhnen auch männliches Verhalten.
Als Fazit bleibt: Mädchen profitieren stärker von ihrem Einzelkinddasein. Ob deshalb so krampfhaft an den Vorurteilen über das Einzelkind festgehalten wird? Oder möchte man(n) Einzelkind-Mütter zu einem zweiten Kind und damit zur Einschränkung/Aufgabe ihrer Berufstätigkeit einladen? "
gefunden unter:
http://www.toppharm.ch/news/hintergrund/1496/1498/-
Murmel