Piercings & MRT Untersuchung
Hallo
ich hab vor längerer Zeit eine wirklich lesenswerte Abhandlung öffentlich irgendwo in einen Internetforum zum Thema gelesen. Der Text ist nicht von mir, ich kenne aber auch den ursprünglichen Author nicht.
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Zuerst aber einige Worte zu mir. Ich bin promovierter Physiker und arbeite seit 18 Jahren in der Forschung an Kernspintomographen, zudem gebe ich Vorlesungen an der Uni. Seit 7 Jahren bin ich Forschungsleiter in einem klinischen MR-Labor und als solcher Sicherheitsbeauftragter für MRT Untersuchungen.
Physikalische Wirkungsmechanismen und Gefahrenquellen:
1. Röntgen und CT:
Beide Methoden beruhen auf der Bestimmung der Absorption von ionisierender Strahlung (Röntgenstrahlung) durch das Gewebe. Je höher die Dichte eines Gewebetypes oder Fremdkörpers ist, desto höher ist die Röntgenabsorption. So erscheinen dichte Strukturen, wie Knochen oder chirurgische Implantate und Piercings, hell bzw. weiß auf Röntgenbildern, während sich weniger dichte Gewebe, wie Muskel, Organe oder das Gehirn, dunkel abbilden. Röntgen hat keine weitere Wechselwirkung mit metallischen Implantaten oder Piercings und beinhalten somit auch keine gesundheitlichen Risiken! Piercings wie auch Implantate verdecken jedoch, durch ihre hohe Röntgenabsorption, möglicherweise vorhandene anatomische Veränderungen und können so eine Diagnose unmöglich machen! Viele Ärzte bestehen aus diesem Grund auf eine Entfernung von Piercings, um keine Verletzungen oder Veränderung zu übersehen. Eventuell kann durch einen geschickt gewählten Röntgenwinkel eine Verdeckung der zu untersuchenden Organe vermeiden, dies liegt allerdings im Ermessen des Arztes.
Ich denke, dass der Aufwand des Entfernens von Piercings durchaus in Kauf genommen werden sollte. Wer möchte schon, dass z.B. ein entstehender Knoten in der Brust aufgrund eines BWP nicht richtig erkannt wird? Dass Microdermals oder Dermal Anchors nicht entfernt werden, versteht sich von selbst. Man sollte jedoch den Arzt darauf hinweisen, so dass er den Röntgenwinkel optimal wählen kann.
Eine Wechselwirkung von Röntgenuntersuchungen mit Tattoos gibt es NICHT. Selbst bei Tattoos mit metallhaltiger Farbe, ist die Röntgenabsorption so gering, dass die Bildqualität nicht beeinträchtigt wird.
2. MRT:
Die möglichen Wechselwirkungen zwischen Tattoos und Piercings bei Kernspinuntersuchungen sind wesentlich komplexer. Im Gegensatz zu Röntgenmethoden basiert die MRT nicht auf ionisierender Strahlung. Die MRT nutzt eine magnetische Eigenschaft von Atomkernen, den Kernspin, um Gewebearten und -konzentrationen zu unterscheiden und abzubilden. Dazu werden drei verschiedene physikalische Techniken benötigt, deren Wirkungsweise und deren mögliche Risiken ich in der Folge beschreiben werde:
a) Das statische Magnetfeld:
Heutzutage werden in der Klinik MR-Geräte mit Feldstärken von 0.5 Tesla bis zu 3 Tesla, in der Forschung sogar bis zu 10 Tesla verwendet. Tesla ist ein Maß für die Stärke eines Magneten. Über den Daumen gepeilt entspricht 1 Tesla ca. der 10000-fachen Stärke des Erdmagnetfeldes! MR-Geräte sind also extrem starke Magnete.
Das Magnetfeld wird bei MR-Untersuchungen benötigt, um die Energiezustände der Atomkerne im Körper unterscheiden zu können. Modellhaft könnte man sagen, die Atomkerne werden im Magnetfeld ausgerichtet. Diese Ausrichtung ist ungefährlich und verschwindet wieder, sobald man das Magnetfeld verlässt.
Wie nun jeder weis, zieht ein Magnet verschiedene Metallsorten an. Dies geschieht ausschließlich bei ferromagnetischen Metallen, also Metallverbindungen, die Eisen, Nickel oder Kobalt enthalten. Ein starkes Magnetfeld, wie das eines MR-Gerätes würde solche Metalle sehr stark anziehen und damit bewegen. Dies kann Schmerzen hervorrufen oder im schlimmsten Fall benachbartes Gewebe verletzen.
Tattoofarben, selbst metallhaltige, sind durch das statische Magnetfeld nicht beeinflusst. Es existieren hier keinerlei Risiken.
Piercings können, falls sie ferromagnetische Bestandteile haben, vom Magneten angezogen also bewegt werden. Dies führt im allgemeinen aber nicht zu Verletzungen! In der Regel bestehen Piercings aus Chirurgenstahl, Titan oder nichtmetallischen Stoffen, werden also nicht vom Magnetfeld beeinflusst. Sie verursachen allerdings lokale Störungen des Magnetfeldes und machen dadurch MRT-Aufnahmen teilweise unbrauchbar! Ein Arzt wird aus diesem Grund meist darauf bestehen, dass Piercings entfernt werden, um Untersuchungsergebnisse nicht zu gefährden! Auch hier gilt wieder, der Aufwand des Entfernens von Piercings im Bereich des Untersuchungsbereichs sollte in Kauf genommen werden, damit keine Veränderungen des Gewebes übersehen werden!
b) Variierende Magnetfelder (Gradientenfelder):
Gradientenfelder werden zur Ortskodierung der MR-Untersuchung benötigt. Sie stellen sicher, dass die gemessenen MR-Signale millimetergenau einem bestimmten Ort im Körper zugeordnet werden können. Es werden dazu Magnetfelder sehr schnell ein- und ausgeschaltet. Dabei werden Ströme in leitenden Materialien, also auch im Gewebe und metallischen Fremdkörpern, induziert. Dies hat zwei verschiedene Konsequenzen:
Erstens können die Ströme zu einer Erwärmung sowohl des Gewebes als auch der Metalle führen, was im Extremfall Verbrennungen durch die erhitzten Metallobjekte nach sich ziehen kann! Die Gefahr bei Piercings ist relativ gering, da sie sich, durch ihre geringe Größe und die gute Abführung der Wärme nach außen, kaum merklich erhitzen können. In den USA wurde vor ca. 20 Jahren berichtet, dass im Bereich von Tattoos Verbrennungen beobachtet wurden. Zu dieser Zeit wurden in den USA metallhaltige Tattoofarben verwendet, die bei großflächigen Tattoos zu großen induzierten Strömen und damit zu einer starken Erhitzung führte. Heute werden zumindest in westlichen Industrienationen und in Japan keine metallhaltigen Farben verwendet, ein Risiko besteht hier also nicht! Anders sieht dies bei Tattoofarben aus, die in Ländern verwendet werden, die keine oder nur unzureichende Hygiene- und Kontrollbestimmungen haben. Wer also aus dem Urlaub in Thailand, Lateinamerika, Indien, etc Tattoos mit nach Hause bringt, sollte vor einer MR-Untersuchung seinem Arzt informieren.
Zweitens können Gradientenfelder, analog zu statischen Magnetfeldern, Metalle bewegen. Es gelten hier also die gleichen Vorsichtsmaßnahmen wie bei den statischen Magnetfeldern.
Wiederum kann die Wechselwirkung zwischen Gradientenfeldern und Piercings die MR-Bilder unbrauchbar machen. Also lieber Piercing raus und ein vernünftiges Untersuchungsergebnis als was übersehen.
c) Radiofrequenzpulse (RF-Pulse):
RF-Pulse werden bei MR-Untersuchungen benötigt, um den Atomkernen Energie zuzuführen. Ohne RF-Pulse kann kein MR-Signal entstehen. Wie der Name schon sagt, handelt es sich hier um elektromagnetische Wellen, die im gleichen Frequenzbereich wie Radiowellen liegen. Man könnte RF-Pulse also mit einem gewöhnlichen UKW-Radio empfangen. RF-Pulse führen dem Körper Energie zu und können zu einer Erwärmung des Gewebes und vor allem von metallischen Gegenständen (chirurgische Implantate, Piercings, metallhaltige Tattoofarben) im und am Körper führen. Dies wurde bis heute allerdings höchst selten berichtet, die Gefahr ist also als eher gering einzustufen.
Ich bin bekennender Adrenalinjunkie und hatte somit das zweifelhafte Vergnügen, bereits mehrere Platten, Nägel, Schrauben, Drähte in meinem Körper besessen zu haben. Zudem habe ich mehrere Piercings und 2 Tattoos, eins davon großflächig. Ich habe innerhalb der letzten 18 Jahren weder am noch im MR-Gerät (mehrere Hundert MR-Untersuchungen als Versuchskaninchen) je irgendwelche gesundheitsschädliche oder auch nur unangenehme Erfahrungen gemacht. Ich habe zwar jedes Mal gemerkt, dass sich meine Fingerringe und geschlossenen ringförmigen Piercings bei Bewegungen im Magnetfeld leicht drehen, was aber sobald man sich nicht mehr bewegt aufhört und absolut unproblematisch ist.
Als Fazit gilt, sowohl Piercings als auch Tattoos stellen, solange sie westlichen Standards entsprechen, bei MR- und Röntgenuntersuchungen kaum ein Risiko dar. Was aber bei Piercings immer in Betracht gezogen werden muss, ist, dass sie sowohl im MRT als auch beim Röntgen die Untersuchungsergebnisse verschlechtern und damit die Diagnose beeinträchtigen. Darum besser raus damit und eine sichere Diagnose bekommen, als sich stur stellen und eine Fehldiagnose riskieren. Auf alle Fälle sollte man den untersuchenden Arzt auf die Piercings hinweisen!
Das Gerücht, dass MR- oder Röntgen-Scanner durch Piercings kaputt gehen können, sind übrigens absoluter Humbug!
Ich hoffe, ich konnte etwas zu dem Thema beitragen und hab euch damit nicht gelangweilt!