esmi_12546993Hmmm
ich kann nur aus meiner eigenen Erfahrung mit einer Hündin berichten, die knurrend ihre Plätze, ihr Futter, ihre Ruhe, ihren Körper,... verteidigt hat. Ihre Motivation war aber nicht "Dominanz", sondern ganz einfach nur Angst. Sie hatte gelernt, dass Menschen ihre Sprache eh nicht verstehen, wenn sie nicht furchtbar deutlich (knurren, beißen) wird. Als sie zu mir kam, war das Verhalten so gefestigt, dass man von der Angst nicht mehr viel gesehen hat - man sah einfach nur noch den Hund, der bei jeder Kleinigkeit ein riesiges Getöse machte.
Wenn man bei ihr versuchte, durch körperliche Übermacht zu "gewinnen", bestätigte man sie nur in ihrer Einschätzung von Menschen denen es egal ist, was sie möchte und was sie ausdrückt. Durch aktiven Einsatz von Beschwichtigungssignalen (so gut diese einem Menschen möglich sind) und starker Beachtung ihrer kleineren Signale (Züngeln, Ohren anlegen, ...) hat sie langsam mehr Vertrauen gewonnen. Nach einiger Zeit durfte ich sogar mit ihr auf einer Decke sitzen, wenn sie etwas zu knabbern hatte, und die Knabbereien zwischendurch nehmen. Sie hatte gelernt, dass sie mir vertrauen konnte. Auch konnte ich mich zu ihr auf ihre Plätze setzen. Was gar nicht ging, war eine "bedrohliche Haltung" (z.B. sie direkt fixieren und dabei über sie gebeugt stehen, oder eine laute grobe Sprechweise zu ihr), dann ging sie sofort wieder in die Offensive.
Es ist nur leider schwer möglich, über geschriebene Texte in einem Forum sicher festzustellen, ob dein Hund einfach unerzogen ist, und einfach zu oft mit dreistem Verhalten Erfolg hatte, oder ob bei ihr eine ähnliche Unsicherheit wie damals bei meiner Hündin zugrunde liegt. Je nachdem würde ich komplett unterschiedlich rangehen, um diese Situation anzugehen.
Ich würde sie den ganzen Tag in der Wohnung an der kurzen, schleifenden Leine laufen lassen, um eben wenn nötig auf sie einwirken zu können, ohne dich selbst zu gefährden und ihr damit wieder den Erfolg zu verschaffen, dass sie dich mit ihrem aggressiven Verhalten beeindruckt.
Mit dem Clicker kannst du weit mehr schaffen als sie z.B. beim rankommen zu bestätigen. Du kannst damit bewirken, dass sie Verhalten das du von ihr sehen möchtest, aktiv ausführen WILL - weil es sich für sie lohnt. Ein Hund ist normalerweise nicht auf Krawall aus. Es sind soziale Tiere die von Natur her darauf aus sind, Konflikte zu vermeiden. Es muss schon wirklich etwas arg schief laufen bzw. gelaufen sein, um einen Hund zum "Tyrannen" zu machen. Bei meiner Hündin war es menschliche Rücksichtslosigkeit, die sie zur Furie gemacht hatte, und es war erst Einfühlungsvermögen und Verständnis (von Hundesprache und ihrem Wesen), das eine Wendung ermöglichte. Ein Hund wird den Weg nehmen, der Erfolg bringt - und wenn dieser Weg für den Hund positiv ist, dann wird er ihn umso lieber nehmen.
Du sollst deinen Hund gar nicht ignorieren wenn es nicht sein muss, Absolute Nichtbeachtung ist eine Höchststrafe für das soziale Wesen Hund. Du sollst aber auch nicht auf jede Kleinigkeit die dein Hund macht, reagieren. Sie soll ja schließlich lernen *dich* im Blick zu haben - und nicht umgekehrt. Frisst sie Kabel an, hol sie da weg und gib ihr eine Alternative - und dann belohne das Annehmen der Alternative. Pack deine Kabel wie bei einem Welpen in Kabelsammler, lass nichts mehr rumliegen, schließe die Schlafzimmertür. Kurzum: Mach dein Haus "welpensicher", auch wenn sie inzwischen ein Junghund ist.
Ignoriere ansonsten Verhalten das nicht deine Einrichtung oder den Hund unmittelbar gefährdet - denn auch Strafe ist eine Form von Aufmerksamkeit, und manche Hunde nehmen lieber das in Kauf als gar nicht beachtet zu werden. Wenn sie hartnäckig darauf besteht, nicht erlaubte Dinge anzufressen, würde ich sie ohne großes Trara auf ihrem Platz anbinden oder für einen Moment vor die Tür setzen, bis sie sich beruhigt hat. Normalweise braucht es nicht viele solcher "Lektionen", bis ein Hund gelernt hat: "Das lohnt sich wirklich nicht für mich".
Auf der anderen Seite solltest du nicht mit Lob und Aufmerksamkeit geizen, wenn sie etwas nimmt, was du gut findest (Kauspielzeug oder so).
In solchen Momenten kannst du mit ihr gleich das "Tauschen" üben - wer etwas hergibt, bekommt etwas noch viel tolleres UND das hergegebene Ding zurück.
Benutze deine Aufmerksamkeit als Belohnung. Macht sie etwas nicht erwünschtes, führe sie wortlos (vielleicht noch ein kurzes "nein", aber mehr nicht) von dort weg und sorge dafür, dass sie nicht sofort dorthin zurückkehren kann.
Kommt sie denn oft bei dir an, und will auf ein Anstupsen hin gestreichelt werden? Wenn du deinen Hund streicheln willst, dann streichele sie. Aber streichele sie nicht, wenn sie ihre Ruhe haben möchte - sie hat auch ein Recht auf Rückzug. Und gleiches gilt für dich, denn nicht jeder will immer Kontakt haben, weder Hunde noch Menschen - kommt sie bei dir an und du willst deine Ruhe haben, zeig ihr, dass du keinen Kontakt wünschst. Meine Hunde haben verschiedene Arten sich mir zu nähern. Sie können z.B. auf die "Duuuuuu-huuuu, mir ist ja sooooo langweilig, mach was mit uns"-Art ("Pfötel, Wedel, Stups") ankommen, sie können aber auch einfach zu mir kommen, und sich neben mich setzen oder legen, und so Körperkontakt aufnehmen. Nr. 1 der Annährung wird je nach Situation eher nicht zum Erfolg führen, auf Nr. 2 wird durchaus mit Streicheln reagiert.
Konsequenz ist wirklich das Zauberwort, nur haben Hunde meist viel mehr Durchhaltevermögen als Menschen. Mach dir eine Liste der Dinge, die du bei deinem Hund wirklich gar nicht mehr sehen möchtest, und dann bleibe konsequent bei deinen Regeln. Keine Ausnahmen - nie.
Anderer Lesetipp: Turid Rugaas: Calming Signals. Ohne die wäre ich bei der angstaggressiven Hündin nie weiter gekommen.