Hallo in die Runde,
ich bin neu hier und habe mich, nachdem ich seit längerem immer wieder Beiträge lese und verfolge, entschieden, mich selbst einmal zu melden. Eigentlich habe ich keine konkrete Frage, es fiel mir schon schwer, einen Titel für die Diskussion zu finden...
Vermutlich geht es mir darum, endlich einmal all das loszuwerden, was ich im Alltag herunterspiele, da ich weiß, was folgen würde, wenn ich den lieben Menschen um mich herum schildere, was wirklich los ist.
Ich habe mich eigentlich immer recht wohl gefühlt mit mir, bin ein offener und fröhlicher Mensch. Ich habe - äußerst ungewollt, so viel kann ich versichern, denn ich hasse kaum etwas mehr als bewusst inszenierte Hilflosigkeit und Mädchenniedlichkeit - diesen Bambitouch, ich bin nur 1,58 groß, habe große dunkle Augen und stets so um die 50 Kilo gewogen. Alles in allem also alles gut, ich hatte nie einen Grund, mich in irgendeiner Weise als minderwertig zu empfinden - und dennoch war es so. Stets habe ich mich mit meinen Freundinnen verglichen, fand immer alle anderen hübscher, witziger, klüger und charmanter als mich, völlig unabhängig von den Reaktionen auf meine Person. Ich habe Erfolg im Beruf und weiß, dass ich ohne größere Schwierigkeiten mit sehr vielem zurecht kommen kann. Trotz allem hatte ich immer das Bedürfnis, ein klitzekleines bisschen dünner zu sein, da kleine Menschen ja schon mit wenig mehr Gewicht schnell molliger aussehen.
Ich habe während meines Studiums völlig sorglos alles in mich hineingeschaufelt, was es gab, Sahnenudeln, Pizza, Fertigmahlzeiten, Chips... irgendwann dann angefangen, mehr auf mein Gewicht zu achten, sodass es sich bei 50 Kilo plus/minus einpendelte. Ich mache gern Sport und ich habe immer gern und mit Genuss gegessen.
Im letzten Jahr habe ich zehn Tage Urlaub in New York gemacht und bin durch das straffe Touristenwanderprogramm mit zwei Kilo weniger nach Hause gekommen. Das fand ich super. 48 Kilo, traumhaft! Dann kam Stress auf der Arbeit hinzu und immense psychische Belastungen durch eine Familiengeschichte. Irgendwann erster kleiner Kreislaufzusammenbruch, Gastritis Nummer eins, Gastritis Nummer zwei.. und immer weniger Gewicht, immer weniger Appetit. Und immer größeres Erstaunen darüber, wie viel man abnehmen kann. Das erste Mal der Gedanke, dass ich, wenn ich noch ein Kilo abnähme, ja mit Genuss eine dicke Pizza essen könne, denn ich habe mir ja quasi ein Kalorienkonto angelegt und darauf im Vorhinein viel gespart. Diese Pizza habe ich bis heute nicht gegessen. Ich esse noch nicht mal mehr Brot. Und wenn, dann so wenig, dass es nicht ins GEwicht fallen kann. Oder ich kaue und spucke es aus. Oder fühle mich immens schlecht. Jede Grammschwankung auf der Waage ist morgens die Hölle.
Was soll ich sagen, es wurde schlimmer und schlimmer, derzeit bin ich bei 41 Kilo, habe jede Freude am Essen verloren und stelle mit Schrecken fest, wie zwanghaft alles geworden ist. Ich esse immer das Gleiche, hochgradig gesund, aber kalorientechnisch nichts dahinter. Ich traue mich noch nicht mal mehr, einen ganzen Apfel zu essen. Mehr als 100g Obst am Tag sind nicht drin, dazu Rohkost ohne Ende, jeden Abend ca. 20 Gramm Harzer Käse, zwei Scheiben Putenbrustaufschnitt, Sauerkrautsaft, um die Verdauung anzukurbeln und fett- und kohlenhydratarmer Hüttenkäse. Rettich- und Gurkensalat, nur mit Kräuteressig angemacht. Alles muss abgewogen werden, nichts dem Zufall überlassen. Ich habe schon Beruhigungsmittel genommen abends, damit ich nicht mehr essen muss oder aber, um die Panik zu bekämpfen, wenn ich dann doch mehr gegessen habe, als ich "durfte" (zum Beispiel eine halbe Scheibe fettarmen Gouda). Ich bin mir völlig bewusst, dass das ein krankhaftes Verhalten ist. Gottseidank bin ich mit einer totalen Hingabe zu Nüssen, insbesondere Erdnüssen gesegnet, darauf kann ich nicht verzichten, und esse (trotz der horrenden Nährwerte) jeden Tag ein halbes Glas Erdnussmus. Ich weiß nicht, wo ich sonst mit meiner Kalorienbilanz stünde.
Ich weiß um all die Probleme, meine Periode kommt nicht mehr, ich habe schlechte Haut, unglaubliche Muskelschmerzen, alle Knochen stehen raus... Und dennoch sitze ich jetzt hier und ziehe meinen Bauch ein. Und kaufe mir immer noch viele Klamotten nicht, weil ich darin zu fett aussehen könnte. Wenn mir mal jemand nicht voller Schreck attestiert, wie dünn ich denn geworden sei, gehe ich davon aus, zugenommen zu haben. Ein "Du siehst aber gut aus" ist für mich das Zeichen, dass ich zu viel gegessen habe. Der Gedanke an Gewichtszunahme erfüllt mich mit Panik, daher auch der ablehnende Gedanke an eine Therapie, obwohl ich weiß, dass es nötig wäre. Ich bin Mitte 30 und stelle mit Schrecken fest, dass ich eine heftige Essstörung entwickelt und jeglichen Genuss verloren habe. Auch mein Geschmacksempfinden ist übrigens dahin. Dazu immer die Gedanken, wie andere es schaffen, normal zu essen und trotzdem dünn zu sein... Ständige Vergleiche mit anderen... Ich weiß nicht mehr weiter.
Uff, es tut mir leid, dass es so lang geworden ist, vermutlich musste es mal raus.. Manchmal kann ich mir einreden, dass alles halb so wild ist und meine Situation sich schon wieder klären wird, Vermutlich wird sie das nicht.
Danke fürs Lesen, ich weiß auch gar nicht, was man mir antworten könnte... konkret habe ich ja nichts gefragt... Also einfach danke, dass ich schreiben durfte, einmal nicht die Fassade wahren musste.
Euch allen viel Kraft bei euren Kämpfen und liebe Grüße
Peanut