marie-marie
Hallo, marie-marie!
Da deine Freundinnen offenbar gerne urteilen, sollten sie sich dringend mit den Fragen auseinandersetzen, was Urteilen ist und was einen wann zum Urteilen berechtigt,
Und mit Begriffsbestimmungen für den Begriff "Prostitution".
Und zwar, bevor sie wieder unqualifiziert losquaken und aufgrund ihrer auf Unkenntnis basierenden unreflektierten Vorurteile Stigmatisierungen von Prostituierten zementieren und außerdem bei dir Unsicherheit schüren.
Und mit der Frage, ob das Attribut "Prostitution" per se moralische Verwerflichkeit impliziert und ob es moralisch richtig ist, das Attribut "Prostitution" immer mit moralischer Verwerflichkeit zu konnotieren.
Ich jedenfalls weiß nicht, was an Prostitution verwerflich sein soll, solange sie auf eine Weise geschieht, die für alle Beteiligten in Ordnung ist.
Prostitution bedeutet, sexuelle Dienstleistungen zu erbringen.
Begriffsbestimmungen finden sich zB in §2 ProstSchG:
Absatz 1 lautet:
(1) Eine sexuelle Dienstleistung ist eine sexuelle Handlung mindestens einer Person an oder vor mindestens einer anderen unmittelbar anwesenden Person gegen Entgelt oder das Zulassen einer sexuellen Handlung an oder vor der eigenen Person gegen Entgelt. Keine sexuellen Dienstleistungen sind Vorführungen mit ausschließlich darstellerischem Charakter, bei denen keine weitere der anwesenden Personen sexuell aktiv einbezogen ist.
Spielte bei deinen Wechselwirkungen irgendwo das Konzept "Sexuelle Handlung gegen Entgelt" eine Rolle?
(Das könntet schon deswegen eine schwierige Frage sein, weil der Gesetzgeber für "sexuelle Handlung" keine wirkliche Begriffsbestimmung in petto hat, sodass man für ein geeignetes Begriffsverständnis auf die in der ständigen Rechtsprechung zum Ausdruck gebrachte herrschende Meinung angewiesen ist anstatt auf Verlautbarungen des Gesetzgebers Bezug nehmen zu können. Bei den von dir dargelegten Sachverhalten und gestellten Fragen ist das aber belanglos, denn bei Herummachen und Herunterholen und Blasen handelt es sich zweifelsfrei um sexuelle Handlungen, sodass allenfalls noch zu klären ist, inwiefern die betreffenden sexuellen Handlungen gegen Entgelt erfolgten.)
Wenn sie nicht gegen Entgelt erfolgten, dann ist Prostitution ausgeschlossen.
Wenn sie gegen Entgelt erfolgten, dann ist Prostitution gegeben.
Die Frage, ob die sexuellen Handlungen bei den von dir geschilderten Sachverhalten gegen Entgelt erfolgten, ist meiner Meinung nach zu verneinen:
Entgelt ist die in einem Vertrag vereinbarte Gegenleistung für eine Leistung. Ich sehe nicht, dass zwischen deinen Wechselwirkungspartnern und dir irgendwelche Verträge (zB mündlich oder anderweitig) geschlossen worden wären, die sexuelle Handlungen und dafür zu erbringende Gegenleistungen zum Gegenstand gehabt hätten. Somit können deine sexuellen Handlungen nicht als sexuelle Handlungen gegen Entgelt klassifiziert werden und damit auch nicht als Prostitution.
Wenn es sich nicht um Prostitutionsszenarien handelt - worum dann?
Es mag sein, dass deine Wechselwirkungspartner dich mit dem Kalkül einluden, dich durch die Einladung zum Essen und/oder Trinken in einen Seinszustand zu versetzen, in dem du sexueller Interaktion weniger abgeneigt wärest. Dies wäre dann aber ohne einen Vertrag erfolgt, geschweige denn einen Vertrag über sexuelle Handlungen. So etwas nennt man nicht Prostitution, sondern Verführung.
Auch Verführung halte ich nicht per se für verwerflich, solange sie nicht unter Umständen erfolgt, die aus der Angelegenheit einen Verstoß gegen die guten Sitten machen - etwa Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche der verführten Person.
Ob einer Wechselwirkung Prädikate wie "Prostitution" oder "Verführung" zugeschrieben werden können oder nicht, ist in meinen Augen für eine moralische Bewertung übrigens völlig belanglos.
(Nicht belanglos sind solche Prädikate wenn es um Rechtsvorschriften geht, für deren Greifen ausschlaggebend ist, ob das fragliche Prädikat zugeschrieben werden kann.
Bezogen auf das Prädikat "Prostitution" finden sich solche Rechtsvorschriften beispielsweise im Gesetz zum Schutz von in der Prostitution tätigen Personen (ProstSchG), im BGB, im StGB. im Steuerrecht und an diversen anderen Stellen. Aber da geht es nie um Bewertung in moralischer Hinsicht.)
Für eine moralische Bewertung von Belang ist allenfalls, ob es Aspekte gibt, die aus der fraglichen Wechselwirkung eine verwerfliche Angelegenheit machen. Und das ist für mich nicht daran geknüpft, ob das Prädikat "Prostitution" zugeschrieben werden kann, sondern daran, ob irgendwo Bosheit eine Rolle spielt. Wobei ich unter Bosheit die billigende Inkaufnahme der Beeinträchtigung des Seelenfriedens von Mitgeschöpfen in Situationen verstehe, in denen es zumutbar ist, von der Billigung abzusehen und/oder die Beeinträchtigung zu unterlassen und/oder der Beeinträchtigung abzuhelfen.
Ist das bei den von dir geschilderten Wechselwirkungen irgendwo gegeben?
Wenn nein, dann lasse dich nicht von deinen Freundinnen verunsichern, die noch dringend an ihrem Reflexionsvermögen arbeiten müssen anstatt stringente sachliche Argumentation mit unreflektierten Appellen an die Amygdala zu verwechseln, die auf Stigmatisierung von Prostitution und auf das Schlagwort "Prostitution" als moralisches Totschlagargument getriggert ist.
Arbeite dich auch nicht zu sehr daran ab, deine Freundinnen von deiner Sicht auf die Dinge zu überzeugen. Du bist nicht auf sie angewiesen. Die Überzeugungsarbeit könnte vergeblich sein, denn sie könnten sich bezogen auf diese Dinge in einem Seinszustand befinden, der nicht von Dauer ist, in dem sie aber Argumenten und der Forderung nach Stringenz nicht zugänglich sind und den der am Widerstand gegen die Nationalsozialisten beteiligte und am 9. April 1945 auf ausdrücklichen Befehl von Adolf Hitller im KZ Flossenbürg durch Erhängen hingerichtete Theologe Dietrich Bonhoeffer in seinem Aufsatz "Von der Dummheit" (https://de.wikisource.org/wiki/Von_der_Dummheit) als "Dummheit" bezeichnet hat, und dem auch intellektuell sehr bewegliche Menschen anheim fallen können.
Es geht mich zwar nichts an, aber ich frage mich, warum du solche Angelegenheiten von dir überhaupt mit deinen Freundinnen besprichst. Hattest du ein Bedürfnis. darüber zu sprechen? Wenn ja: Warum? Hattest du den Eindruck, dass sie in ihrem Reflexionsvermögen weit genug sind, dass ein Gespräch mit ihnen über diese Dinge dich irgendwie weiterbringen könnte? Ich habe diesen Eindruck nicht. Wenn du die Freundschaft erhalten willst, dann achte darauf, dich mit ihnen über Dinge zu unterhalten, die sie nicht überfordern, und mit Themen, mit denen sie derzeit überfordert sind, zu warten, bis sie so weit sind.
Mit freundlichem Gruß
Cattleya