Ich (w, 13 Jahre) habe seit Wochen den Verdacht an Asperger Syndrom leiden zu können. Schon mein halbes Leben lang suche ich nach einer Erklärung für mein Verhalten.
In meiner Familie bin ich das schwarze Schaf, weil alle eine hohe emotionale Intelligenz besitzen und extrovertiert sind. Ich war immer anders als alle anderen und wurde oft für komisch oder verrückt gehalten. Ich glaube, dass ich mal besser alles von Anfang an erzählen sollte.
Mein "Anders sein" fing schon in meiner frühen Kindheit an.
Ich lernte mit 8 Monaten laufen und sprach 3 Monate später meine ersten Sätze. Schon früh liebte ich es Geschichten vorgelesen zu bekommen und schaute mir gerne Bilderbücher an. Mit 4 Jahren lernte ich schließlich das Lesen und brachte mir auch das Schreiben selber bei. Ich war sehr lebhaft, stellte viele Fragen und redete gerne mit Erwachsenen über Gott und die Welt. Allen war klar, dass ich kein typischer Autist bin.
Trotzdem gab es diese Stereotypien (das sind in meinem Fall motorische Besegungsabläufe) die bei meinen Eltern für Verwirrung sorgten. Im Kindergartenalter entwickelte ich Verhaltensweisen, die von Außenstehen leicht als Tic intepretiert werden könnten. Tatsächlich handelte es sich bei mir aber um autistische Stereotypien. Mit 4 begann ich mit den Händen zu flattern und zu grimassieren. Später fing ich an auf den Zehen spitzen zu laufen und neue komplexe Stereotypien kamen hinzu, während viele wieder verschwanden. Ich liebte es z.B zu Schaukeln (stundelang) und auf und ab zu gehen (gerne auch im Kreis) Ich führte auch Selbstgespräche und hatte die verrücktesten Stereotypien. Ich dachte während ihnen immer über irgendwelche Themen nach oder stellte mir Sachen vor. In Autismusforen berichteten viele davon. Ich lernte die Stereotypien zu kontrollieren und machte sie nur, wenn mir langweilig war oder bei Reizüberflutung. Viele Stereotypien gingen mit der Zeit wieder weg und ich konnte sie auch unterdrücken. Zur Zeit habe ich nur noch eine Stereotypie und zwar das Auf und Ab gehen.
Meine Eltern deuteten mein Verhalten falsch, weil sie sich mit Autismus überhaupt nicht auskannten. Es gibt in unserer Familie auch keine Fälle von Autismus. Meine Mutter dachte, dass ich hyperaktiv wäre (sie hatte auch keinen Plan von ADS) und stellte mich mit dieser Frage auch bei meinem Kinderarzt vor. Der behauptete, dass eine Testung gar nicht nötig wäre, weil ich mich sehr gut konzentrieren könnte.
Mein Verhalten gab also immer noch Rätsel auf. Im Kindergarten sprach ich fast nur mit den Erzieherinnen, weil ich mich vor Gleichaltrigen und älteren Kindern fürchtete. Sie waren mir immer zu laut und albern. Mit jüngeren Kindern z.B mit meinem Bruder spielte ich aber sehr gerne und wollte immer die Anführerin sein. Ich erfand gerne Spiele für sie, an denen ich selbst nicht teilnahm. Mit Gleichaltrigen sprach ich fast gar nicht und ließ mir von ihnen alles sagen. Ich weiß bis heute nicht warum ich Gleichaltrige gemieden habe, aber ich war ihnen gegenüber sehr zurückhaltend und konnte nie so sein wie ich wirklich war. Das kann man meiner Meinung nach nicht mehr Schüchternheit nennen, weil ich mich gegenüber fremden Erwachsenen normal verhalten konnte.
Auch vor jüngeren Kindern hatte ich keine Angst.
Auffällig war, dass ich nie zu Kindergeburtstagen wollte. Da ich so ängstlich war und überhaupt keine Lust hatte meine "Freunde" zu treffen, musste meine Mutter mich immer dazu zwingen. Ansonsten hätte ich wohl nie Freunde gehabt bzw. sie schnell wieder verloren.
Ich hatte keine Spezialinteressen und würde das Lesen nicht dazu zählen. Ich las alles was ich in die Finger bekommen konnte und legte mich nie auf ein Thema fest. Fantasiebücher interessierten mich genauso wie Ratgeber. Mit 7 Jahren las ich z.B Gesundheits- und Erziehungsratgeber, aber auch ganz normale Kinderbücher. Mit 6 schrieb ich meine ersten Fantasiegeschichten und war sonst auch sehr kreativ.
Das spricht gegen Asperger.
Auch abnormal war meine Art zu kommunizieren. Ich hatte nie Schwierigkeiten damit Gesichtsausdrücke zu erkennen, fand es aber trotzdem nur lästig Menschen anzuschauen.
Nur vertrauten Personen schaute ich in die Augen.
Ich mag keine oberflächlichen Gespräche (Smalltalk) und bevorzuge Diskussionen bzw. tiefgründige Gespräche. Ich rede gerne über diesselben Themen und steigere mich in Gesprächen oft hinein. Ich will z.B immer Recht haben und alles zu Ende diskutieren. Bei Gesprächen halte ich oft lange Vorträge und erwarte von anderen das Gleiche. Mir macht es Spaß alle meine Gedanken zu einem Thema auf einmal aus zu sprechen. Meine Eltern habe ich mit meinen Bemerkungen oft verletzt. Meine kritische Art brachte sie zur Weißglut.
Auch diskutieren war mit mir nicht gerade einfach. Ich suchte mir Diskussionsthemen aus, die für mein Alter nicht geeignet waren und wollte bei Erwachsenen immer mitreden. Ich habe nie verstanden, dass ich mich Regeln unterwerfen soll oder Angst vor Erwachsenen haben muss. Voralem Regeln habe ich ständig in Frage gestellt und ständig nachgehackt, sodass meine Eltern immer wahnsinnig geworden sind. Meist wollte ich meine Regeln durchsetzen oder den Sinn aller Regeln erfahren. Ich war sehr anstrengend und wollte alles wissen.
Für mich waren Aussagen wie "Das lernst du später" völlig unakzeptabel gewesen. Schon früh fiel auf, dass ich ein freches, lebhaftes Kind bin, dass je nach Situation extro- oder introvertiert sein kann. Grundsätzlich bin ich introvertiert und brauche zu Hause meine Ruhezeiten. Eine weitere Eigenschaft von mir ist, dass ich sehr verträumt bin und viel nachdenke. Nicht nur über mich selbst sondern auch über viele andere Sachen und Menschen. Ich mache mir oft Sorgen und bereite mich auf Situationen gedanklich vor. Obwohl ich spontan handeln kann, fühle ich mich bei Planung besser.
Ich denke oft in Bildern und habe eine sehr gute visuelle Vorstellungskraft, weil ich früher gerne Mosaik und Puzzles gemacht habe. Das ändert natürlich nichts daran, dass ich nicht zeichnen kann und in Sachen, die etwas mit Feinmotorik zu tun haben (Schnürsenkel binden etc.) eine Niete bin.
Meine Stärken sind Sprache, Kreativität, visuelle/sprachliche Logik und Räumliches Denken. Zahlen mag ich nicht so gerne :)
Ich würde mich als sehr anpassungsfähig beschreiben. Obwohl ich eigentlich sehr eigenwillig bin, gelingt es mir,
mich in der Schule sehr normal zu verhalten. Das ich mich verstellen muss ist zwar blöd, aber ich habe mich daran gewöhnt.
Die Schule hat für mich immer nur eine Nebenrolle gespielt.
Ich habe dort vor allem in der Grundschule nie etwas gelernt und mich nicht für meine Noten interessiert. Sie waren immer gut bis mittelmäßig. In der Schule habe ich nur geträumt, gemalt, Geschichten geschrieben etc. und oft blau gemacht.
Im Unterricht habe ich mich auch nie beteiligt, aber wusste die Antworten, wenn man mich einfach so drangenommen hat. Ich kann mich nur erinnern, dass ich meine bisherige Schulzeit als seehr langweilig und sinnlos empfunden habe. HA gemacht habe ich auch nie geschweige denn gelernt. Dadurch bin ich komplett faul geworden und kann mich nicht anstrengen bzw. motivieren. Mittlerweile wird mir das in der 7. Klasse sehr zum Verhängis und ich muss die Klasse wiederholen.
Hört sich das für euch nach Asperger Syndrom an? ^^