Ihr Lieben,
ich erzähle Euch mal eine wahre Geschichte, die einer guten Freundin von mir leider passiert ist. Ich nenne sie Tanja und ihn Ralf. Ich ändere einige Daten ab, aber die Quintessenz bleibt die gleiche. Warum ich diese Geschichte erzähle? Vielleicht kann man sich was rausziehen, etwas daraus lernen? Ich weiß nicht. Aber es könnte ja sein.
Also.
Tanja und Ralf lernten sich vor ca. sieben Jahren im Alter von 23 und 24 auf einem Grillfest kennen. Sie waren sich recht schnell sympathisch und unternahmen bald nach dem Fest etwas miteinander. Einige Wochen später waren sie ein Paar. Sie waren glücklich. Ralf beendete bald sein Studium und fing an, in einer Firma zu arbeiten. Tanja studierte noch und jobbte nebenbei in Ralfs Firma. Bald zogen sie zusammen in eine schöne Wohnung in München.
Ab und zu unternahmen sie etwas mit Freunden, allerdings immer zu zweit. Meistens waren es andere Pärchen, die zu Besuch kamen. Tanja hatte Freundinnen über das Studium kennen gelernt, da diese jedoch solo waren und sich bei den Pärchenabenden fehl am Platz fühlten, schlief der Kontak langsam ein. Tanja vermisste nichts, denn sie hatte ja Ralf, ihr ein und alles, die schöne Wohnung und Ralfs Freunde. Mit ihrer besten Freundin traf sich Tanja in den sieben Jahren nur zwei Mal alleine, als Ralf auf Geschäftsreise war und ihr die Decke auf den Kopf fiel. Aber es machte ihr nichts aus, denn ihre beste Freundin sah sie ja öfters mit deren Freund zusammen auf Feiern oder beim gemütlichen Videogucken.
Als sie ein paar Jahre zusammen waren, machte Tanja ein sechsmonatiges Praktikum in Stockholm. Für sie war diese Zeit schrecklich, weil sie Ralf so vermisste und dort auch kaum neue Leute kennen lernte. Sie zählte die Tage bis zu ihrer Rückkehr.
In dieser Zeit nahm ihre beste Freundin Ralf öfters zu Unternehmungen mit, mit völlig reinem Gewissen, denn sie hatte ja selbst einen Freund und würde nie im Leben auf die Idee kommen, den Freund ihrer besten Freundin anzubaggern.
Als Tanja wieder zurück war, stellte ihre beste Freundin fest, dass sie, Tanja, von keiner der Unternehmungen von ihr und Ralf etwas wusste. Sie stellte Ralf zur Rede und er meinte, er habe Tanja das lieber verschwiegen, sie sei so eifersüchtig und das hätte nur Stress gegeben...
Im Freundeskreis sprach allmählich keiner mehr von "Tanja" oder "Ralf", sondern immer nur noch von "Ralf und Tanja" oder "Tanja und Ralf". Selbst zum ausdrücklichen Mädelabend brachte Tanja als einzige ihren Freund mit. Wenn man die beiden zusammen sah (und man sah sie entweder gar nicht oder zusammen), turtelten sie wie frisch verliebt herum und hielten sich den ganzen Abend an den Händen. Tanja tat alles für ihren Ralf. Sie mied ehemalige Freunde, die mit ihm nicht so prima klar kamen. Sie ging nicht zu Veranstaltungen, wenn er keine Zeit hatte. Sie sagte Abende mit ihrer besten Freundin ab, weil sie ihre Zeit lieber mit Ralf verbrachte. Ihre Freundin akzeptierte das irgendwann.
Tanja wachte eifersüchtig über Ralfs Freizeit, wenn er geschäftlich unterwegs war, telefonierten sie alle zwei Stunden. Sie besprach den Anrufbeantworter mit "Hier ist der Anschluss von Tanja und Ralf" und gewöhnte sich an, nur noch in der Wir-Form zu sprechen.
An dem Tag, als Tanjas beste Freundin und ihr Freund beschlossen, zu heiraten, machte Ralf aus heiterem Himmel Schluss mit Tanja. Er sagte, er bekomme keine Luft mehr, er ersticke in dieser Beziehung, er fühle sich wie halb tot und sehe keine gemeinsame Zukunft mehr. Tanja fiel aus allen Wolken. Sie hatte nichts davon geahnt.
Tanja musste sich eine neue Wohnung suchen. Als sie ihre neue Telefonnummer ihren Freunden bekannt geben wollte, stellte sie fest, dass ihr Verteiler, der früher gut und gerne eine dreistellige Personenzahl umfasst hatte, nur noch eine Handvoll Leute betrug. Alle anderen, die ihr einfielen, waren Freunde von Ralf.
Tanja fühlt sich sehr unglücklich und alleine. Sie hatte ihr ganzes Leben auf eine Zukunft mit Ralf ausgerichtet. Und er ist jetzt weg. Als sie sich mit ihrer besten Freundin über ihr Unglück unterhalten wollte, merkte Tanja, wie weit sich die beiden im Laufe der Jahre voneinander entfernt hatten. Ihre Freundin wollte ihr natürlich helfen, aber sie waren sich fremd geworden. Tanja stellte fest, dass sie fast nichts mehr von der damals so vertrauten Person weiß. Und so geht es ihr mit den meisten Freunden von früher.
Das war die Geschichte, in etwa. Es soll auf keinen Fall hämisch klingen, mir tut meine Freundin echt von Herzen leid. Aber ich habe das Ganze schon länger besorgt beobachtet. Leider hörte sie nie auf meine subtil angebrachten Bedenken. Vielleicht war ich zu subtil.
Liebe und nachdenkliche Grüße
NM