Hallo ihr da draussen,
Seit längerer Zeit fühle ich mich einsam und unverstanden. Ich schreibe hier, weil ich ausser meinem Mann niemanden mehr habe, mit dem ich mich ehrlich austauschen kann. Mit fehlt das Gefühl, sozial irgendwo eingebunden zu sein seit Corona total, weil mit Corona mein ganzes soziales Netz zerbrochen ist.
Zu meiner Geschichte. Mein ganzes Leben habe ich mehr oder weniger so gestaltet, dass eine Familie problemlos hineingepasst hätte. Zeitweise habe ich es mir so sehr gewünscht, oft war ich aber auch froh, keine Kinder zu haben. Mit Ende zwanzig war der Wunsch stark, mein damaliger Partner und heutiger Ehemann war einfach noch nicht bereit dazu. Ich litt sehr darunter und versuchte damit klarzukommen. Es half mir enorm, mich auch mit den Schattenseiten der Mutterschaft zu befassen und mir nicht nur die Sonnenseiten auszumalen.
Mit Ende 33 war es soweit - er wäre bereit für ein Kind und ich wurde - zack - schwanger. Ich war zunächst sehr aufgeregt, aber auch voller Freude. Wir haben angestossen - mit alkoholfreiem Wein. Was mir jedoch etwas Sorgen bereitete war die Tatsache, dass ich die Woche vor Ausbleiben der Periode krank war und hohes Fieber hatte.
Ich spürte langsam, wie mir die Hormone immer mehr zusetzten, erlebte alles durch einen Schleier. Es war zunehmend schwierig, mich bei der Arbeit zu konzentrieren. Nach der Corona-Zeit und einer anschliessenden Weiterbildung fiel mir zum ersten Mal auf, wie still es um mich geworden war. Viele haben während der Corona-Zeit selber eine Familie gegründet. Meine engsten Freundinnen waren selber im KiWu-Behandlung, eine hatte zu diesem Zeitpunkt aber bereits ein Kind. Mit letzterer hatte bis zu diesem Zeitpunkt engen Kontakt, zumal ich Patin ihres Kindes bim und ich sie so gut wie ich konnte, unterstützt habe.
Als ich ihr von meinem positiven Test erzählt habe, machte sich so etwas wie Ernüchterung in mir breit. Sie schien sich überhaupt nicht für mich zu freuen. Sie murmelte irgendwas von Fehlgeburt. War sie etwa neidisch, dass es bei mir sofort geklappt hatte? Natürlich wollte ich auch meine andere Freundin nicht zu sehr damit belasten und verbrachte meine freie Zeit neben der Arbeit auf dem Sofa - die Wand anstarrend.
Ich wusste nicht, was ich in meiner Freizeit anfangen sollte. Corona hatte meine Hobbys zerstört und während der SS die Musikgruppe wiederzubeleben erschien mir als sinnlos. Ich las, dass Joggen schlecht für den Beckenboden und ein Puls über 140 schlecht für das Baby sein soll. Ich verzichtete auf Käse, Trockenfleisch, Salami und nahm wegen fehlendem Appetit immer mehr ab. Natürlich waren auch Sauna-Besuche tabu - und irgendwie alles, was mir über meine fehlenden Freundschaften hinweghalf. Es machte mich unendlich traurig und kraftlos. Zumal machten mir auch die möglichen Schattenseiten zu schaffen, mit denen ich mich vermutlich mehr als andere auseinandergesetzt habe zu schaffen. Ich hatte grosse Ängste und konnte ab 3.00 Uhr nicht mehr schlafen. Als ich mich jemandem anvertrauen wollte, hiess es: Warum denn? Du hast es ja so gewollt!
Auch von meiner Mutter erwartete ich keine grossartige moralische Unterstützung. Wir wurden noch nach der alten Schule erzogen: Geschlagen, eingesperrt, beschimpft und aufs gröbste beleidigt, mussten wir uns immer anhören, wie gut wir es ja hätten. Ihr ist es gefühlt wichtiger, dass ich wegen Schwangerschaft nicht bei der Arbeit fehle, als dass es mir tatsächlich gut geht.
Beim Frauenarzt erfuhr ich dann in der 10. Woche, dass ich eine Fehlgeburt erlitten habe. Einerseits war ich um das Wesen unendlich traurig, aber auch unendlich erleichtert, weil ich das Gefühl hatte, es nicht schaffen zu können. Ich begab mich dann auch in psychologische Abklärung.
Für mich war auch erstaunlich, wie mein Umfeld auf die Fehlgeburt reagiert hat. Nicht selten bekam ich zu hören, ich soll einfach dankbar sein, kein Kind mit Behinderung zu haben. Ich solle positiv sein. Dies auch, von meiner Freundin mit Kind. Es hat mich enorm verletzt. Sie wurde bald darauf schwanger und wollte, dass ich ihr wieder helfe. Mir fehlt einfach die Kraft dazu.
Ich weiss mittlerweile, dass es tolle Hilfsangebote gibt, doch die Angst vor einer erneuten Schwangerschaft ist aktuell grösses als der Kinderwunsch. Am meisten macht mir dieser Satz zu schaffen: Du hast es ja so gewollt.