Es tut mir leid, dass du das durchmachst. Vieles von dem, was du schreibst, deckt sich mit den Erfahrungen, die ich in Beiträgen von Nutzern aus aller Welt gelesen habe. Dennoch kann man nie mit absoluter Sicherheit sagen, dass all diese Symptome allein von Isotretinoin herrühren. Ich zweifle nicht daran, dass manche Beschwerden auch psychischer Natur sein könnten – oder zumindest durch psychische Belastungen verstärkt werden. Hier stellt sich natürlich die Frage, wie sehr die physischen Symptome, dein psychisches Leid auslösen. Und inwieweit, dass wieder die physischen Symptome triggert. Beides vermengt sich dann natürlich irgendwann zu einem sich selbst befeuernden Teufelskreis.
Es gibt auch Studien, die eine Verbindung zwischen Isotretinoin und Depressionen oder sogar Suiziden nahelegen. Der amerikanische Psychologe Doug Bremner hat hierzu geforscht und eher kritische Ergebnisse veröffentlicht. Allerdings liefern unterschiedliche Meta-Analysen verschiedene Ergebnisse. Und genau das ist das Problem: Die Studienlage ist nicht eindeutig, und deshalb wird nichts gegen das Medikament unternommen. Zudem hilft es vielen Menschen, was die Debatte umso komplizierter macht. Je nach ethischer Einstellung könnte es als moralisch vertretbar angesehen werden, das Leid einiger in Kauf zu nehmen, um vielen anderen zu helfen.
Was aber wirklich nicht in Ordnung ist, ist die mangelnde Kommunikation über die möglichen Nebenwirkungen. das ganze Thema ist ein endloses „Rabbit Hole“, und ich rate eigentlich davon ab, sich zu sehr damit zu beschäftigen. Bei mir hat das ein starkes Gefühl von Ungerechtigkeit und Hilflosigkeit ausgelöst, und das tut der eigenen Psyche sicher keinen Gefallen.
Solltest du dennoch die politischen und finanziellen Hintergründe der Problematik verstehen wollen, kann ich dir Reddit mit dem Schlagworten "accutane" und "isotretinoin" und das Buch The Goose That Laid the Golden Egg: Accutane, the Truth That Had to Be Told von Doug Bremner empfehlen. Bremner ist allerdings auch nicht ganz unumstritten, da ihm methodische Mängel bei seinen Studien vorgeworfen werden. Auch soll er aufgrund seiner Position als psych. Gutachter im einem isotretinoin-korrelierten Suizid nicht ganz unbefangen sein.
Zu deiner Frage: Mein Gesundheitszustand hat sich auch im letzten Jahr eher verschlechtert, und ich gehe nicht immer positiv mit dem Thema um. Hauptsächlich versuche ich, mich abzulenken und mich auf mein Studium zu konzentrieren. Für mich ist es mental am belastendsten, mich zu sehr mit dem Thema zu beschäftigen – das rate ich auch dir, Ablenkung. Ich weiß, dass das leichter gesagt als getan ist. Was deine Depressionen angeht, würde ich dir kognitive Verhaltenstherapie empfehlen. Welche Therapieform am sinnvollsten ist, hängt jedoch stark von der individuellen Situation ab.
Akzeptanz ist ein langer und schwieriger Prozess, aber das bedeutet nicht, dass du dich aktiv ständig mit deiner Gesundheit oder dem Medikament auseinandersetzen musst. Auch ein eher passives Akzeptieren ist möglich. Mir hat stoische Philosophie geholfen, ein sehr unterstützender Freundeskreis und die Ablenkung durch mein Psychologiestudium.
Ich wünsche dir alles Gute und hoffe, dass es dir bald besser geht.
