leniIch bin voll einverstanden, mit dem was du schreibst. Lass mich einige Dinge aus persönlicher Sicht präzisieren, um den Blick möglicherweise noch etwas zu weiten (oder zu schärfen).
"Wo" ist nicht "Wie". Offline, online, tatsächlich kann das egal sein und Freunde und Feinde verbegen sich in beiden Welten. Deshalb das "Wie". Und hier wiederhole ich mich, wenn ich an die hohe Inkompatibilität zufälliger Begegnungen erinnere. Der Schriftsteller Thomas Meyer schreibt dazu treffend: "Der Liebe ist nicht zu trauen, oder besser, man sollte sich nicht mit ihr begnügen. Man darf nicht glauben, magnetische Empfindung gegenüber jemandem, den man überhaupt nicht kennt, sei ein Garant für eine harmonische Zukunft mit ihm. Vielmehr sollten wir der zugegebenermassen unromantischen, aber entscheidenden Frage nach der Kompatibilität und dem Wohlbefinden die nötige Beachtung schenken; also den Partner oder den Menschen, von dem wir uns wünschen, dass er dazu wird, nicht nur danach beurteilen, wie attraktiv und interessant er auf uns wirkt, sondern auch danach, ob wir uns mit ihm verstehen, ob er also eine ähnliche Weltsicht hat und ähnlich reif ist, ob uns seine Nähe gesamthaft guttut."
Was hat das alles mit dem "Wie" zu tun? Natürlich kann ich mich aus dem Moment begeistern und verführen lassen, natürlich kann ich an Liebe auf den ersten Blick glauben, und natürlich gibt es die äusserst erfolgreichen Beispiele, die dieses "richtige Verlieben und Lieben" untermauern - die Magie des ersten Augenblickes.
Für wesentlich erfolgsversprechender halte ich das, was viele Therapeuten, Flirt- und Datingprofis, sogenannte "Zusammenführexperten" in Abrede oder als äusserst schwierig darstellen. Liebe die aus Freundschaft wächst. Da ist also zuerst der Mensch den man kennen und wertschätzen lernt, den man zu mögen beginnt, der über gemeinsame Zeit, Aktivitäten und Übereinstimmungen immer deutlicher auf dem Radar erscheint, bis er sich im Herz einbrennt und man ihn zu lieben beginnt. Unromantisch? Nur wenn man sich keine Zeit gibt, vor sich selber davon rennt oder keinen Plan hat.
Du schreibst, dass du glaubst, dass es keine Grenzen mehr gebe. Meine Erfahrung ist gerade andersrum. Grenzen, Zäune und Mauern, ich sehe und erlebe sie überall, die Arbeit sie niederzureissen ist ohne Ende und manchmal wohl auch fraglich. Physisch wie psychisch stabilisieren wir uns mehrheitlich nur in einem geschützten Rahmen. Freiheit ist nur solange toll, wie man hinter sich einen Raum weiss, in den man sich im schlimmsten Falle zurückziehen kann. So ist der Weg ein kurzer zu "gleich zu gleich gesellt sich gerne". Das Gleiche erschliesst sich aber nicht über das Äussere, sondern über das Charakterliche. Anders gesagt: Punk und Klassik stehen nicht im Wiederspruch, die Abwesenheit von Musik wäre es.
Und dann gibt es natürlich die berechtigte Sorge, zu sehr in der eigenen Welt, zu sehr in der eigenen Blase gefangen zu sein. Nicht an anderes herangeführt zu werden macht blind und intollerant. Das dürfte auch für den Sex, die Liebe, die Beziehungen und das Zusammenleben ganz allgemein gelten. Dazu habe ich über die letzten Tage ein wirklich spannendes, brandaktuelles Buch gelesen:
"Die Schönheit der Differenz - Miteinander anders denken - von Autorin Hadija Haruna-Oelker, im btb Verlag.
Im Leittext steht unter anderem "...indem wir einander Räume schaffen, Sprache finden, uns mit Offenheit begegnen und erfahren wollen, was uns bisher noch unbekannt ist."
Das müsste man für sich unterstreichen, auf der Suche, auf dem Weg in eine Freundschaft, in eine Liebe, in eine Partnerschaft.