Guten Abend,
Ich komme heute her mit einem Problem, mit dem ich monatelang eigentlich zu kämpfen hatte und welches mich gestern zu einer Entscheidung geführt hat, der sowohl der sinnvollste sowie auch der schmerzhafteste Schritt für mich gewesen ist, welches ich so in dieser Form lange nicht mehr erlebt habe.
Kurz zu mir oder besser gesagt zu uns: Meine Freundin und ich sind beide südländisch-muslimisch. Diesen Background besonders zu erwähnen ist wichtig, da in unserer Kultur gewisse Regeln herrschen, was die Partnerschaft angeht und die Übereinstimmung der Eltern beider Parteien einen hohen Stellenwert bei uns genießt. Das mag man nun kritisieren, wie man möchte, aber es ist nun mal Fakt, dass dies einen Menschen, der in einem solchen "Wertesystem" aufgewachsen ist, natürlich irgendwo immens beeinflusst.
Meine Freundin oder besser gesagt nun meine Ex ist 27 und war bereits schon mal verheiratet. Sie hat zwei Töchter. Als wir uns kennenlernten, wusste ich davon, und ich habe mir zunächst keine großen Gedanken darüber gemacht, da ich unser gemeinsames Verhältnis zunächst rein freundschaftlich oder zumindest platonisch betrachtet habe. Doch mit der Zeit entwickelten wir immer tiefere Gefühle füreinander und schließlich, als wir uns traffen, passte es perfekt und wir waren wie Feuer und Flamme füreinander.
Natürlich diskutierten wir sehr viel über dieses Thema: Wie wird das sein, wie werden (insbesondere) meine Eltern darauf reagieren, wie kann ich als Nichtvater bzw. als eine Person, der weder Ehe noch Kinder hat, gleich eine Ehe mit einer Mutter führen und dann auch noch mit zwei Kindern. Zwar hatte ich mit meinen Brüdern über dieses Problem gesprochen und die haben ihre Meinung mir gegenüber deutlich zum Ausdruck gebracht, aber auf ihren Ratschlag sollte ich mir viel Zeit lassen und außerordentlich darüber nachdenken, ob ich es denn wirklich will.
Zu Beginn dachte ich, dass ich dieser Herausforderung sicher gewachsen sei. Ich plante mit ihr eine gemeinsame Zukunft, stellte ihr meine Überlegungen vor und lange Zeit war ich auch glücklich. Doch nach einer Weile schlich sich immer mehr die Erkenntnis an mich heran, dass ich mehr Angst davor habe als ich erwartet hätte. Mich plagte das so sehr, dass ich manchmal wütend auf sie wurde wegen belanglosen Dingen. Dabei richtete die Wut sich einfach nur darauf, wieso das Leben uns solche Stolpersteine auf dem Weg legte.
Ich kann nicht sauer auf ihre Kinder sein, sauer auf ihren Ex-Mann (den sie im Übrigen für mich so weitestgehend meidete wie möglich, trotz der Tatsache, dass er der Vater ihrer Kinder war) und sauer auf ihre Vergangenheit. Dennoch wünschte ich mir jede Nacht so sehr, dass ich die Zeit zurückdrehen könnte bis zu dem Zeitpunkt, wo sie noch nicht geheiratet hatte, um dann in ihr Leben einzutreten.
Gestern Nacht gestand ich ihr unter Tränen, dass ich diese Bürde nicht tragen kann und wir diese Beziehung wohl beenden müssten. Es wurde viel geweint, viel gesagt, vieles bedauert und gegen Ende war sie nicht nur traurig, sondern auch enttäuscht gegenüber mir, denn schließlich wusste ich ja, worauf ich mich da einlasse. Tatsächlich wusste ich das, aber hätte ich noch länger gewartet, dann wäre es noch viel schlimmer geworden. Die Wahrheit, die ich versuchte zu verdrängen oder mit der ich versuchte Frieden zu schließen, war eine Wahrheit vor der sich mein Körper und meine Seele wehrte und mich innerlich auffraß. Ich wusste, dass das Risiko viel zu hoch war. Gestern war vermutlich die längste Nacht meines Lebens, wahrscheinlich wird sie das heute auch.
Heute versuchte ich mich abzulenken, habe aber insgeheim immer noch gehofft, sie würde anrufen. Ich wüsste auch nicht, was wir uns zu erzählen hätten, aber nur ihre Stimme zu hören, hätte mir gereicht. Ich habe wirklich lange mit mir gekämpft, sie nicht anzurufen und sie nicht zu stören oder weiter zu verletzen mit meiner Gegenwart, aber schließlich musste ich sie anrufen: Flugmodus. Oder blockiert. Keine Ahnung.
Ich bin so dermaßen zerrissen, und dabei habe ich diese Beziehung beendet. Ich habe Angst, nie wieder einen solch besonderen Menschen wiederzutreffen. Ich schäme mich so sehr, nicht mutig genug gewesen zu sein. Nicht unabhängiger. Nicht losgelöst zu sein von all den Maschen und Traditionen, die in meiner Kultur beherbergt sind... Ich hasse es im Moment, ich zu sein.
Ich habe nicht einmal eine Frage hierzu. Ich wollte mich nur kurz teilen und ausschütten.
Danke an jeden, der bis hierher gelesen hat.