avarrassterne3Jetzt verstehe ich schon eher, worum es dir geht - bilde ich mir halt ein. ;-)
Also, dieses Aufopfernde, in dem oft auch nur schlecht versteckt eine Gegenleistung schlummert, da bin ich auch ziemlich schmerzfrei. Ich bin da offenbar so wie du. Ich mache etwas, wenn ich es machen möchte, erwarte dann auch keine Gegenleistung. Und wenn ich in Dinge oder Personen investiere und mir über den Ausgang der Sache nicht im Klaren bin, dann weiß ich auch, dass ich meine Grenzen achten muss, weil bei der Sache vielleicht nichts herauskommt, und dass ich mich dann auch bei niemandem darüber beschweren kann - und das will ich auch gar nicht. Ich bin aber auch relativ schmerzfrei, wenn jemand anderes etwas von mir will. Ich sehe mich da nicht in der Pflicht, nur weil die Person unaufgefordert irgendetwas für mich getan hat. Ich reagiere auf emotionale Erpressungen und auf vor ostentativ zur Schau gestellte Erwartungshaltungen relativ allergisch und mit Ignorieren und Schweigen. Ich denke, dass es der Lernprozess dieser Menschen ist, eigene Grenzen zu wahren. Der andere kann nicht Gedanken lesen oder in die Zukunft sehen.
Kommunikation: Ich bin zwar höflich und ein Freund der Diplomatie und dessen, dass man sich bemüht, andere nicht zu verletzen, aber auch eher direkt, kann im Naheverhältnis auch sehr laut, temperamentvoll und ausfallend werden, dazu muss man mich aber kennen. Meine Wut zeige ich nicht jedem. Für Subtilitäten bin ich zu blöd. Da wurde mir auch schon vorgeworfen, nicht ausreichend zwischen den Zeilen gelesen zu haben. Da haben mir manche auch schon gesagt, sie hätten es mir doch schon gesagt, aber ich habe es wohl einfach nicht kapiert. Ich brauche relativ klare Botschaften. Da ich aber berufsbedingt immer wieder lange im Ausland war und mich auch mit Kommunikationsstilen beschäftigen musste, weiß ich, dass es auch große kulturelle Unterschiede in Bezug auf Kommunikation gibt. Im deutschen Sprachraum sind wir tendenziell im internationalen Vergleich direkt. In Frankreich ist es wesentlich häufiger und lange nicht so unhöflich, jemanden zu unterbrechen. Es drückt sogar Interesse am Gespräch aus. In Indien, wo ich ja derzeit lebe und arbeite (zur Zeit gerade daheim in Österreich) wird indirekt kommuniziert. Da frage ich mich auch bei manchen Antworten, ob das jetzt ein deutsches (oder in meinem Fall österreichisches), jedenfalls ein deutschsprachiges oder ein indisches Ja oder Nein war. Oder ob das, was der andere mir da sonst noch so erzählt, ob das "Ja, aber..." eigentlich ein Nein ist. Wenn man nicht kommen will, sagt man, man kommt ein andermal. Wenn man nicht will, ist man verhindert. Wenn man vielleicht kommt, kommt man nicht. Wenn man keine Lust auf eine Aktivität hat, ist man verhindert etc. Es werden immer so Ablenkungen ins Spiel gebracht. Wenn man etwas ablehnt, sagt man nicht direkt nein. Man sagt, was man nicht ablehnt, also was man tun kann. Und somit ist klar, dass das, was man nicht erwähnt, nicht getan werden kann. Wenn man etwas ablehnen will, verweist man auf einen anderen Zeitpunkt, eine andere Aktivität, eine andere Person, die vielleicht Zeit haben könnte. Und es wäre extem unhöflich, zu sagen, dass man nicht ins Kino gehen will. In Westafrika war es dasselbe. Gewisse Absagen und Formulierungen, die auf Deutsch und in Europa ganz normal sind oder eben von direkteren Menschen benutzt werden können, sind in Indien absolut undenkbar und würden das Gegenüber massiv vor den Kopf stoßen, einem Affront gleichkommen und müssen unter allen Umständen vermieden werden, weil sie viel zu konfrontativ sind. Andererseits aber sind Inder extrem aufdringlich in Belangen, in denen wir hier nobel zurückhaltend sind. Man kann in Indien auch fragen, was der andere verdient. Das ist dort einfach ein Smalltalkthema.
Was Geburtstage anlangt, so würde ich mir, wenn wir uns kennen würden, wohl wünschen, dass du mir gratulierst (Jedenfalls würde ich mich sehr freuen, da ich wohl aber wüsste, dass dir Geburtstage egal sind, wäre es dann aber auch kein großes Drama, wenn du es vergisst. Ich habe Freunde, die mir nicht zum Geburstag nicht gratulieren, obwohl sie in etwa wissen, wann mein Geburtstag ist. Sie legen entweder keinen Wert darauf oder denken nicht daran. Das tut unserer Freundschaft keinen Abbruch. Wenn ich nun aber eine Beziehung mit dir führen würde, würde ich es vermutlich schade finden, dass wir keinen schönen Abend anlässlich deines Geburtstags miteinander verbringen könnten, was auch immer das im Konkreten bedeuten würde), aber ich würde dir nicht gratulieren. Und ich kann das.
Ich bin aber jemand, der sich vor oder einer Unterhaltung ewig fragen kann, was ich wie sagen soll und ob ich so oder so wahrgenommen werde, wenn ich auf die eine oder andere Art formuliere. Wenn ich der Ansicht bin, dass ich mich falsch verhalten habe (natürlich merke ich es nicht immer, wenn es so ist), dann winde ich mich abends gepeinigt von Schuldgefühlen im Bett. Von Zweifeln und Unsicherheiten bin ich keineswegs frei. Dadurch, dass ich gern allein und relativ eigenständig bin, brauche ich nicht viele Freunde. Aber ich kenne auch das Gefühl, dass ich von den anderen gemocht werden will und dass mir Ablehnung wehtut. Da stehe ich nicht immer drüber. Daher habe ich Mitgefühl mit der TE. Aus eigener Erfahrung denke ich aber, dass es besser ist, bei sich zu bleiben, denn es hat keinen Sinn, die falschen Freunde oder Menschen anzuziehen.
Das konkrete Beispiel, an das ich immer denke, wenn ich schreibe, dass man die Grenzen des anderen wahren kann oder manches abfangen könnte ist jenes: Als Studentin lebte ich in Wien in einer Wohngemeinschaft. Unsere Wohnung war alt, funky, cool. Im Haus gab es aber auch sogenannte solide Hausparteien, die einem rechtschaffenen Lebenswandel nachgingen. Ich hörte sehr gern laute Musik. Eine ältere Dame läutete immer wieder uns an, bat uns leiser zu schalten. Ich bedankte mich immer dafür, dass sie zu uns kam und sich nicht gleich bei der Hausverwaltung beschwerte, und drehte auch leiser. Aber es geschah sehr oft, dass diese ältere Dame bei uns läuten musste. Erst als ich später selbst lärmempfindlicher wurde, dachte ich immer wieder mit klammem Gefühl an diese Dame zurück und dachte mir:" Ich hätte ja nicht immer warten müssen, bis sie anläutet." Wir wussten ja schon, dass die laute Musik sie stört." Manchmal weiß man sehr wohl, dass den anderen etwas stört, aber es passt einem nicht ins Konzept, ist unbequem oder man hat die entsprechende Rücksichtnahme noch nicht entwickelt. Auf mich traf damals wohl von allem etwas zu. Da muss ich ja nicht warten, bis der sich meldet, weil ja auch nicht jeder gern in der Rolle des sich Aufregenden ist.
Liebe TE, was mir zu dir noch eingefallen ist. Respektier dich selbst. Daraus wird sich einiges automatisch ergeben.