Hallo zusammen :),
ich schreibe euch hier, weil ich mit meinen Freundinnen irgendwie nicht darüber reden möchte. Es ist so privat und wahrscheinlich würden sie mein Anliegen falsch verstehen.
Mein Freund und ich sind seit 4 Jahren zusammen. Er ist in den meisten Bereichen perfekt für mich. Wir lieben uns sehr und tun auch viel füreinander, um den anderen glücklich zu machen.
Ich dachte bisher auch, dass wir streitmäßig gut zusammen passen. Das folgende Streitverhalten ist nur ab und zu aufgetreten. Bisher war es so: einer ärgert sich, motzt den anderen ein wenig an. Der andere ärgert sich über den Tonfall und macht nicht damit im Zusammenhang stehende Vorwürfe. Beide werden laut. Aber bald wird es wieder ruhig und man entschuldigt sich.
Ich dachte bisher, dass das eine gute Sache ist. Ich kann auch aufbrausend sein. Ich habe leider in der Kindheit gelernt, dass man nur bekommt, was man will, wenn man laut wird. Es ist ein Verhalten, das ich sehr schwer wieder los werde.
Aber... Ich habe mich verbessert in meiner Streitkultur. Und das verdanke ich ihm. Ich hatte bisher immer krasse Verlustängste in einer Beziehung. Deshalb habe ich die Partner (unlogischerweise) von mir weggestoßen. Ich bin laut und aggressiv geworden, habe gedroht abzuhauen.
Dieses Verhalten habe ich am Anfang unserer Beziehung auch meinem Freund gegenüber gezeigt, ihn aber vorher gewarnt, dass dieses Verhalten von meinen Verlustängsten herrührt. Er hat daraufhin mir gezeigt, dass alles in Ordnung ist.
4 Jahre später passiert mir dieses Ausfallendwerden immer seltener. Auch drohe ich ihm nicht mehr damit ihn zu verlassen (auch wenn das etwas länger gedauert hat, das loszuwerden). Jedes Mal, wenn ich mich daneben benommen habe, entschuldige ich mich bei ihm - mir macht es auch nichts mehr aus, mich zu entschuldigen, weil ich ihn liebe und die Harmonie wiederherstellen will.
Mein Problem ist nun, dass mein Freund in letzter Zeit (erst) ein Streitverhalten an den Tag legt, was mir teilweise sogar Angst macht. Wegen Kleinigkeiten wird er richtig aggressiv. Er kommt nah an mich ran und schnautzt mich an. Und er beruhigt sich gar nicht mehr richtig. Zudem sagt er mir manchmal "dann hau doch ab", ohne dass ich dahingehend etwas angedeutet habe.
Er entschuldigt sich nie danach. Die Worte "es tut mir leid" sind ihm noch nie über die Lippen gekommen, höchstens ein "ich hätte nicht" oder "war nicht so gemeint" . Wenn ich dann auch über die Stränge geschlagen habe, bin ich dann aber auch zu stolz mich (für meine kleineren Vergehen) zu entschuldigen, wenn er das nie über die Lippen bekommt, egal was er gemacht hat.
Mein Herz blutet, wenn ich jetzt über gestern Abend berichte.
Wir haben uns fertig gemacht, um mit seinen Eltern essen zu gehen (die haben das natürlich wegen Corona sehr vermisst). Wir waren spät dran und etwas gestresst. Die Gefahr motzig zu werden, steigt dann bei uns beiden exponentiell.
Nun ja, ich war bereits fertig und etwas genervt, dass er es noch nicht war, obwohl er vor mir angefangen hatte. Da fängt er an seine Fingernägel zu schneiden - da musste ich kurz tief durchatmen (warum ist das nötig, wenn wir gerade los wollen?). Dann wollte ich nochmal kurz ans Waschbecken. Er legt die Schere auf die nasse Ablage. Und da erkenne ich, dass es meine Schere ist. Er hat weder gefragt, die zu benutzen, noch ist er sorgsam damit umgegangen - die rostet doch, wenn sie ins nasse gelegt wird. Ich habe nur einen kurzen Kommentar abgelassen, dass er die Schere dann auch wieder dahin zurücklegen soll, wo er sie her hat.
Er hat das - natürlich - in den falschen Hals bekommen und ist mir gegenüber sofort ausfallend/aggressiv geworden und beschwerte sich, wie ich sowas sagen könne, wenn wir uns gerade fertig machen und ich hätte ja ans Waschbecken gewollt, sodass er keine Zeit hatte, das wegzulegen. Und ich hätte meinen Mund zu halten bei sowas.
Ich halte sicher nicht meinen Mund, wenn mir jemand so ankommt. Ich habe ihn beleidigt (keine Glanzleistung, aber ich habe es geschafft nicht laut zu werden) - ich lasse mir nicht den Mund verbieten. Und wir sind dann los.
Er kam auf das Thema auf dem Weg zum Restaurant zurück und meinte, wie ich es wagen könnte, sowas anzusprechen, wenn wir uns fertig machen. Ich habe ihm gesagt, dass er vollkommen unverhältnismäßig auf meine Aussage reagiert habe.
Ich wollte das ganze klären, bevor wir ins Restaurant gehen - hätte das sonst nicht durchgehalten. Kurz vorm Restaurant sind wir auf dem Bürgersteig stehen geblieben. Und ich wollte einfach wissen, warum er so krass auf eine solche Kleinigkeit reagiert hat. Er hat nur wiederholt, dass er es nicht ab kann, wenn man so eine Kleinigkeit wie mit der Schere anspricht, wenn man eh gestresst ist.
Er hat das allerdings in einem so aggressiven Tonfall gesagt, dass ich zu ihm meinte, dass ich zurückgehe und nicht mit ins Restaurant komme. Er war immer weiter aggressiv und ich musste ihm mehrmals sagen, dass er auf Abstand gehen soll (mir macht es Angst, wenn ein Mann mir zu nah kommt, wenn er aggressiv ist, da sowohl mein Vater als auch mein Bruder mich in meiner Kindheit geschlagen haben). Er ist auch immer wieder einen Schritt zurückgegangen, hat sich aber nicht beruhigt und ist immer wieder näher gekommen, wenn er mich belehren wollte. In dieser Situation, bin ich die ganze Zeit ruhig geblieben und habe ihn immer wieder gebeten in einem normalen Tonfall mit mir zu reden.
Irgendwann kam ein Mädel und hat mich gefragt, ob alles in Ordnung ist.
Ich wäre fast im Boden versunken. Ich fand es so lieb, dass sie nachgefragt hat. Aber sie ging tatsächlich davon aus, dass ich Hilfe bräuchte.
Er hat mich noch nie irgendwie angefasst. Ich bin auch davon überzeugt, dass er das nicht macht. Aber wenn jemand mich in der Öffentlichkeit darauf anspricht, ob alles in Ordnung ist, scheint seine Art schon zu weit zu gehen.
Das Ding ist: würde mir das jemand erzählen, würde ich raten die Reißleine zu ziehen. Wer weiß, ob er nicht doch mal so ausrastet, dass er einen schlägt.
Aber... Ich sehe mich mitverantwortlich. Ich selbst habe in der Vergangenheit und auch selten jetzt noch mich nicht im Griff und werde selbst laut und aggressiv. Ich kenne die andere Seite. Klar, wenn ich aggressiv werde, ist das weniger beängstigend und in der Öffentlichkeit würde mir das nicht so passieren.
Ich habe ihm doch gezeigt, dass es ok ist aggressiv zu werden, weil ich es selbst war. Jetzt bin ich fast gar nicht mehr aggressiv - werde höchstens ausfallend und beleidigend, wenn er mal wieder über die Stränge schlägt.
Ich weiß leider nicht wie ich anders reagieren soll, wenn er mir mal wieder den Mund verbietet oder richtig aggressiv wird. Man kann dann nicht mit ihm reden (siehe gestern Abend). Ich beende dann die Diskussion mit einer Beleidigung.
Ich weiß nicht mehr, was ich machen soll - ich bin doch selbst streitgeschädigt. Mir fällt es sehr schwer mich in Streitsituatiinen zurückzuhalten. Ich kann fast physisch nicht nachgeben, wenn man mich angeht oder mir den Mund verbietet. Ich habe Angst unterzugehen und mich zu verlieren. Es hat doch keinen Sinn, dann einfach brav alles runterzuschlucken - dann denkt er, er kann machen, was er will.
Wie kann ich sonst reagieren, wenn er wieder aggressiv wird? Er war ursprünglich nicht so aggressiv - er ist auch laut geworden, aber nicht aggressiv. Ich würde so gerne wieder dahin zurückkehren. Ich will ihm das Gefühl geben, dass alles so ok ist, dass er seine Gedanken mir gegenüber eröffnen kann, ohne aggressiv werden zu müssen.
Er hat mir in einer ruhigen Minute mal erzählt, dass ich ihm das Gefühl gebe, dass alles, was er für mich macht, nichts wert erscheint, wenn ich ihm Vorwürfe mache. Er macht ja viel für mich. Und ich will ihm bestimmt nicht das Gefühl geben, dass das nichts mehr wert ist, nur weil ich mich ärger.
Aber wenn mich schon Frauen auf der Straße darauf ansprechen, ob alles in Ordnung ist, geht es einfach zu weit.
Ich weiß nicht mehr weiter. Habt ihr eine Idee, wie man das lösen kann?