Hallo ihr Lieben,
ich schreibe heute mal weil ich gut drauf bin.
Gut, dass heisst ich konnte aufstehen, mich waschen und Kaffee kochen.
Zu mir: Ich lebe allein, habe eine erwachsene Tochter.
Ich war früher sehr gesundheitsbewußt, Vegetarier, sportlich. Allerdings
eher burschikos als feminin. Hab mich irghendwie verändert.
Ich bin vor 3 Jahren vergewaltigt worden: Ich dachte, ich schaffe das schon,
aber da ich eine lange Vergewaltigungs- und Mißbrauchshistorie in der Ver-
gangenheit hatte, ist bei mir so etwas wie eine psychische Beeinträchtigung
entstanden. Der Vergewaltiger war ein Trainer beim Sport.
Berufsmäßig musste nach dem Vorfall "downgraden", da ich in meiner vorherigen
Arbeit erfolgreich viel mit Menschen zu tun hatte. Das ging absolut nicht mehr.
Ich arbeite jetzt in einer Werkstatt als Helfer, bin die meiste Zeit allein.
Nur so schaffe ich es.
Zur Zeit gehe ich nur zur Arbeit, danach manchmal kurz einkaufen,
sonst verlasse ich die Wohnung nicht. Soziale Kontakte habe ich eingestellt.
Ich spreche mit Niemandem mehr, schaue draußen auf der Strasse starr
auf den Boden, trage Sachen die mir extrem zu groß sind.
Ich habe mehrere Sicherheitsschlösser an meiner Tür eingebaut.
Ich lebe im Dunkeln, meine Rolläden sind immer herunter gezogen, Glühbirnen
raus gedreht. Geräusche verursachen mir Kopfschmerzen, deshalb habe ich
Kühlschrank & Co. schon lange aus gestöpselt. Meine Wohnung ist im Chaos,
ich zerstöre oft unwissentlich Dinge. Letztens war eine Tür zerschlagen, alles
aus den Schränken gezerrt. Ich kann mich nicht mehr erinnern, was da war.
Nachts liege ich oft wach, erlebe komische Zustände, bei denen ich halb wach
bin halb schlafe und mein ganzer Körper krampft sich zusammen, weshalb ich
meistens große Schmerzen habe.
Ich habe mir angewöhnt, regelmäßig Alkohol zu trinken. Vor allem abends/
nachts ist es schlimm, ich bekomme dann solche Panik, das ich es nicht mehr
aushalte. Ohne eine Flasche Schnaps geht dann gar nichts.
Meinen Kollegen auf der Arbeit lüge ich was vor, wenn die fragen, was hast
Du am Wochenende gemacht, sag ich, ich wär im Kino gewesen oder so.
Mein Hausarzt verharmlost das Ganze, ich war letztens mit ganz viel Mut
da und bin im Wartezimmer vor Angst fast zusammen gebochen. Er sagte nur:
"Wird schon wieder. Sie sind ja nicht krank."
***
Mit meiner Tochter habe ich letztens telefoniert. Sie sagte, dass es so nicht
weiter ginge. Sie würde den Kontakt abbrechen, wenn sich nicht etwas änderte.
Das ist eigentlich der Grund, warum ich hier schreibe: Sie ist der einzige Mensch,
mit dem ich noch Kontakt habe.
Sie sagt, ich sei eine Belastung, sei oft aggressiv.
Therapien bringen mir nichts. Hatte ich in der Vergangenheit, im Endeffekt habe
ich die Dinge mit mir selbst aus gemacht, mich selbst wieder auf gerichtet.
Früher hat mir der Sport geholfen, aber irgendwie komme ich jetzt nicht weiter.
Für einen Rat wäre ich dankbar.