Hallo...ich muss mir mal meine Gefühle und Gedanken von der Seele schreiben. Und hoffe, dass es hier vielleicht auch Personen mit ähnlichen Erfahrungen gibt und/oder Personen, die mir ein paar Ratschläge geben können.
Ich habe den Text grad geschrieben und er ist viel länger als geplant geworden. Und doch fehlt noch so viel....ich bedanke mich jetzt schon bei denen, die bis zum Ende lesen und dann auch noch antworten :D
Ich bin 31 Jahre alt und habe keinen Kontakt zu meinem „Vater“. Er hat meine Mutter noch vor meiner Geburt verlassen und ich habe bis zu meinem 11. Lebensjahr nie etwas von ihm gehört. Dann plötzlich über das Jugendamt mit der Forderung, dass ich jedes zweite Wochenende und die Hälfte der Ferien bei ihm verbringen sollte. Bei einem für mich wildfremden Menschen.
Ein großes Gefühlschaos begann, wir haben hin und wieder Briefe, später Mails geschrieben, aber immer wieder mit Unterbrechungen. Ich hatte so viele Fragen, warum er sich nie früher bei mir gemeldet hat, warum jetzt plötzlich...und irgendwie ist er in ein Fettnäpfchen nach dem nächsten getreten. Seine Formulierungen waren alles andere als kinderfreundlich! Irgendwann siegte in mir dann doch die Neugier und wir haben uns getroffen. Das Treffen dauerte ca. 20 Minuten, bis ich es abgebrochen habe und ihn nicht wiedersehen wollte. Einen Tag später traf die Klageschrift ein, dass er mir kaum noch Unterhalt zahlen könnte.
Ich habe damals mit dem Thema abgeschlossen. Dachte ich zumindest. Mittlerweile merke ich, dass ich alles bildlich gesprochen in ein kleines Päckchen gepackt und tief in meinem Inneren versteckt habe. Wenn andere mich fragten, ob es nicht schlimm wäre, ohne Vater aufzuwachsen, antwortete ich stets aus völliger Überzeugung: „Was ich nicht kenne, kann ich auch nicht vermissen.“
Ich wusste, dass ich eine Halbschwester habe, damals stand der Kontakt zu meinem Vater aber im Vordergrund. Später, als ich auf meine Halbschwester neugierig wurde, wusste ich nicht, wie ich sie erreichen sollte, ohne meinen Vater kontaktieren zu müssen. Schließlich habe ich sie vor kurzem über Facebook gefunden und wir schreiben seitdem.
Ich habe lange überlegt, ob ich sie überhaupt anschreiben sollte...denn ich wusste, dass ich damit dieses besagte Päckchen wieder hervorholen würde und wusste nicht, ob ich das wirklich will. Auf der anderen Seite habe ich mich als Erwachsene schon seit längerem immer mal wieder gefragt, ob ich mich mit dem Thema nochmal auseinandersetzen sollte.
Und jetzt kommt meine Mutter ins Spiel. Wir haben seit Ewigkeiten ein sehr inniges Verhältnis zueinander (Einzelkind und alleinerziehende Mutter...). Wenn sie nicht gewesen wäre, hätte ich die Briefe meines Vaters alle zerrissen und vernichtet. Sie hat dafür gesorgt, dass unser gesamter Schriftverkehr festgehalten wird...und dafür bin ich ihr sehr dankbar. Ich habe vor Kurzem das erste Mal diese Briefe als Erwachsene gelesen...und sehe plötzlich alles anders. Irgendwie wirkt auf mich plötzlich alles so klar...und ich verstehe mein damaliges Verhalten nicht mehr richtig. Ich frage mich, ob meine Mutter mich damals ganz unbewusst beeinflusst hat. Sie hat meinen Vater damals vor Wut und Verletzung nicht nur aus ihrem, sondern auch direkt mit aus meinem Leben verbannt. Sie hat in letzter Zeit häufiger angedeutet, dass dies ein Fehler war. Mir gegenüber. Aber ich WEISS, dass sie IMMER nur das Beste für mich wollte. Aber ich glaube langsam es war einfach nicht das Beste für mich...
Ich habe das Gefühl, in mir ist ein richtig fest sitzender Knoten geplatzt. Ich bin die Tage auf das Parential-Alienation-Syndrom gestoßen, also die Eltern-Kind-Entfremdung und frage mich, ob ich Teil davon geworden bin? Meine Mutter würde mir niemals bewusst sowas antun, aber als ich mich damit beschäftigt habe, kamen mir gewisse Dinge so bekannt vor: Dass es in Wirklichkeit damals nicht meine Meinung war, sondern ihre, obwohl ich fest davon überzeugt war. Dass ich absolut Null Schuldgefühle gegenüber meinem Vater hatte, obwohl ich ihn in meinen Briefen ziemlich scharf und aus meiner heutigen Sicht unfair angegangen bin. Klar, ich war wütend und verletzt, er hat innerhalb seiner „Verteidigung“ meine Mutter schlecht gemacht, obwohl er bei meinen hartnäckigen Fragen fast keine andere Wahl hatte. Und ich konnte als Kind nicht anders. Ich habe komplett dicht gemacht. Ich denke mittlerweile, er hatte damals gar keine nennenswerte Chance, länger anhaltenden Kontakt zu mir aufzubauen.
Im Moment denke ich, ich sollte ihm jetzt als Erwachsene doch nochmal eine Chance geben.
Und gleichzeitig frage ich mich, ob ich mit meiner Mutter darüber reden sollte? Ich fühle ich mich von ihr etwas übergangen. Aber was soll ein Gespräch bringen? Ich möchte ihr keine Vorwürfe machen, ich glaube diese macht sie sich mittlerweile selbst. Ich glaube auch nicht, dass mir dieses Gespräch guttun würde. Diese Einsicht allein hat in mir glaube ich schon viel bewegt.
Ich glaube aber, dass dieses ganze Chaos mein Leben mehr beeinflusst hat, als man sich vielleicht vorstellen kann. Ich habe schon immer unter fehlendem Selbstvertrauen gelitten. Ich habe bis heute noch keine Beziehung gehabt. Ich schiebe es grad alles auf diesen Hintergrund. Und gleichzeitig ist mir die Tage auch richtig bewusst geworden, dass ich im Hier und Jetzt lebe. Die Vergangenheit ist vergangen. Aber ich kann JETZT etwas tun, etwas verändern...
Vielleicht mag jemand mit mir seine Erfahrungen teilen?
Vielleicht hat jemand Ratschläge für mich, wie ich mit all dem am besten klarkommen kann?