Seit kurzem lese ich mich ganz gerne quer durch dieses Forum, weil ich selber betroffen bin / war. Ich habe / hatte ein Verhältnis zu einem verheirateten Mann. Ich schreibe das so, weil ich nach jedem Trennungsversuch hoffe, dass es der Letzte war und mir die Trennung endlich gelingt.
Beim Durchlesen der Beiträge fällt mir auf, dass es ein gemeinsames Riesenproblem unter den Geliebten gibt: wieso schaffe ich es nicht, mich von dem Mann zu trennen, der mich letztendlich unglücklich macht, weil er nicht zu mir steht und seine Frau verlässt, obwohl er doch angeblich mich liebt und sie nicht.
Wieso fällt es uns so schwer, uns aus einer unerfüllenden frustrierenden kräftezehrenden Pseudobeziehung zu lösen?
Wir wissen alle sehr genau, dass sie uns schadet, dass wir mehr und besseres verdienen. Wir ahnen schon früh, dass sich nichts ändern wird und dennoch hoffen wir darauf. In unserer Pseudobeziehung entwickelt sich nichts so, wie in einer normalen Beziehung. Es kehrt kein Alltag ein, man gewöhnt sich nicht aneinander, wird nicht mit den kleinen Alltagsmacken des Partners vertraut, d.h. er relativiert sich nicht, wird nicht zum Durchschnittsmenschen, zum Lebenspartner. Er nervt nie und er macht uns nie vollkommen glücklich. Er bleibt immer ein unerfüllter Wunsch. Die wenige gemeinsame Zeit muss immer was besonderes sein, darf nie verplempert werden. Er sieht uns nie das Klo putzen oder mit fettigen Haaren und wir sehen ihn nie vor der Sportschau abhängen oder mal wieder den Müll vergessen zu haben. Verabredungen werden in letzter Minute abgesagt und wir stehen wieder auf Abruf bereit, denn morgen könnte es ja klappen. Wir teilen nichts, außer unserer beschränkten Zweisamkeit und selbst die ist oft nicht echt, denn nur zu oft ist seine Frau bei uns. In unserem Kopf. Wenn er krank ist, ist er bei seiner Frau. Sind wir krank, sind wir allein. Über unsere Ängst und Sorgen dürfen wir nicht reden, denn wir wollen es ihm schön machen, damit er endlich seine Frau verlässt. Es gibt keine gemeinsamen Freunde, keine Urlaube, kein gemeinsames Weihnachten, keine Verwandtenbesuche, wenig Zeit ganz allgemein. Es gibt nur die Hoffnung darauf und die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt. Wir werden hingehalten, der Mann spielt auf Zeit und wir hoffen: eines Tages wird es sein, wie es sein sollte.
Die ganze Zeit bleibt ein chronischer Mangel bestehen und das schafft eine Abhängigkeit die wir mit Liebe verwechseln.
Wir denken, aber er kann uns doch geben, was wir wirklich brauchen, denn es fehlt uns nur ein kleines bißchen und es wäre so, wie wir es uns wünschen. Wir denken, so wie wir uns nach dem fehlenden Rest sehnen, sehnt er sich doch auch danach uns diesen Rest zu gewähren. Denn er liebt uns doch, sagt er, und da muss er doch wollen, dass es uns gutgeht. Denken wir. Und wenn wir nur alles richtig machen, keinen Druck ausüben, immer Verständnis haben, unbeschwert und begehrenswerte Partnerinnen sind, dann wird sich unser Wunsch erfüllen, denn mehr kann er doch nicht wollen.
Ein bißchen sind wir wie der Esel, dem das Grasbüschel grad so vor die Nase gehalten wird, dass er knapp nicht drankommt, damit er ja nur fleißig trabt.
Und wir traben und hungrig bleiben wir auch.
Man nennt das auch: am langen Arm verhungern lassen.
Es gibt sogar einen psychologischen Fachausdruck: löschungsresistente intermittierende Verstärkung.
Googelt das mal.
chrishoch4