Das ist eben dein Weltbild: Gemeinschaft, Familie, dass sind für dich Werte, die in deinem Leben erfüllt werden müssen, damit du glücklich bist. Für mich sind das auch Werte - aber nicht um jeden Preis. Ich habe bereits eine Familie - mich liebende Eltern, tolle Geschwister, das ist für mich ein Wert. Ich habe ein paar sehr gute Freunde, mit denen sich jeder Unsinn anstellen lässt und mit ihnen alles bereden kann, was ich sonst nicht sagen sollte. Das ist für mich Gemeinschaft. Ich bin nicht einsam, ich habe ein gutes Umfeld das mich immer auffängt, auch wenns mal nicht so rund läuft. Ich finde es ehrlich gesagt ein wenig befremdlich, dass du das rüberkommen lässt, als ob das alleine in der Entscheidung für oder gegen Kinder liegt. Meine Leidensbereitschaft habe ich in den letzten zwei Jahren kennengelernt und ausgezehrt und ich bin nicht gerade begeistert davon, mir freiwillig weiteres Leiden aufzubürden.
Sind es denn alleine Kinder oder die Beziehung zu ihnen, die das Leben "in der Tiefe" lebenswert machen? Wenn das für dich stimmt und du das zu einer Art Aufgabe für dich gemacht hast - okay. Mein Leben ist dadurch lebenswert, das ich jeden Morgen aufstehen kann, jeder Tag was Neues bringt und mir jedes Mal Gelegenheiten und Begegnungen bringt, mich zu einem Menschen zu machen, der zufrieden ist und zu sich stehen kann. Anderen behilflich zu sein, etwas Gutes bewirken, das man aus einer inneren Überzeugung tut. Aber auch ein Leben so zu führen, dass man sich selber im Spiegel betrachten und man im Reinen ist mit sich selber. Wenn man mit sich selber auskommen kann, dann ist das Leben aus meiner Sicht lebenswert.
Meine Wortwahl beeinflusst nicht meine innere Haltung. Es ist ein Kind - mehr aber nicht. So wie jedes andere Kind auch und es fühlt sich eher als Fremdkörper an als "tiefe Verbundenheit". Ein Kind ist für mich kein "Wunder". Es ist ein rein biologischer Ablauf, so wie unsere ganze Umwelt funktioniert: Mit Wachstum, mit Entwicklung. Den Emotionalen Bezug sehe ich nämlich (noch) überhaupt nicht. Ich denke manchmal, mir fehlt dieses "Mutter-Gen" einfach, das einen ausflippen oder mit romantischen Ergüssen überhäufen lässt, wenn man Schwangere sieht oder sich irgendeiner "göttlichen Eingebung" verbunden fühlt, wenn man selbst schwanger ist. Ich streite nicht ab, dass das irgenwann kommen könnte, aber es würde mich nicht überraschen, wenn sich meine Haltung dazu nicht ändert und ich ein Leben lang mit Ablehung auf Kinder reagiere. Um dieser mal so genannten Antipathie entgegen zu wirken, müsste mir erst die Einsicht kommen, welchen emotionalen Wert mir dadurch gegeben wird, wenn ich mal eigene Kinder haben sollte. Den sehe ich nämlich nirgendwo, auch nicht in der Vorstellung, das mich ein Baby "verliebt anschaut".
Ja, so Geschichten liest man überall. Und wenn ich sehe, wie aktiv die Abtreibungsgegnerpropaganda im Netz grassiert, wundern mich vermehrte Berichte darüber auch nicht. Wie du weisst, habe ich bereits eine Abtreibung hinter mir und damals - verglichen mit heute - fühlte ich mich vor dem Abbruchtermin deutlich schlechter als jetzt. Ich gehe schwer davon aus, dass sich das nicht plötzlich ändert, wenn die Abtreibung gemacht wurde.
Nur zur klarstellung: Ich antworte dir nur noch aus Wohlwollen, nicht weil ich mich umstimmen lassen möchte oder noch irgendwelche Argumente gegen eine Abtreibung bräuchte. Ich habe all meine Zweifel abgelegt und werde den Termin nächste Woche wahrnehmen.