Oh, ich kann dich ja sooo gut verstehen! Bin zwar "erst" in der 26. Woche schwanger, dafür ist Kind 1 schon dreieinhalb Jahre, aber ich kenn das im Moment auch sehr gut, dass ich mich viel zu oft überfordert/hilflos fühle...
Ich glaube, wichtig ist erstmal, dass du selbst nicht so streng mit dir bist und dir selbst zugestehst, dass du zur Zeit einfach ein bisschen dünnhäutiger bist als sonst, und dementsprechend vielleicht nicht immer so reagieren kannst, wie du gerne würdest.
Ich versuche seit gut zwei Jahren, meine "althergebrachten Verhaltensweisen" in Bezug auf ein trotzendes Kleinkind (schimpfen, strafen etc) zu überschreiben und neue Verhaltensweisen einzuüben. Hat unschwanger auch schon relativ gut geklappt, aber je weiter die Schwangerschaft fortschreitet, desto mehr merke ich, wie ich in kritischen Situationen wieder in destruktives Verhalten zurückfalle.
Es gibt ein paar Strategien, die ich immer wieder versuche, anzuwenden - wie gesagt, klappt nicht immer...
Vor allem: möglichst ruhig bleiben. Durchatmen, bis 10 zählen, manchmal singe ich mir im Geist irgendeine Musik vor, die meine Laune hebt;-)
Oder, wenn ich wirklich geladen bin: "stummes Schimpfen"! Hab ich noch relativ "neu" im Repertoire, deswegen noch nicht wirklich zuverlässig abrufbar, aaaber: es hilft echt ungemein! Alles, was ich meinem Kind an den Kopf werfen würde, auch wirklich tun - aber halt nur in Gedanken! Dadurch kannst du selbst deinen Frust/Ärger/Aggression abbauen, verschärfst aber die Situation nicht unnötig, weil dein Kind nix davon mitbekommt!
Das erstmal an allgemeinen Tipps.
Konkret zu der Situation in der Krippe: dass die Erzieherinnen kopfschüttelnd daneben stehen, finde ich, mit Verlaub gesagt, unter aller Sau. Entweder sollen sie dich unterstützen, oder sich ganz raushalten. Aber das nur am Rande.
Vielleicht können sie dein Kind schonmal besser auf das Abholen vorbereiten? Wäre es eine Option, dass er von den Erzieherinnen angezogen wird und du ihn nur noch rausholen musst?
Alternativ, dass du deutlich früher kommst und Spielezeit im Flur explizit mit einplanst?
Grundsätzlich steigert es ja die Kooperationsbereitschaft des Kindes, wenn man ihm auch so weit wie möglich entgegen kommt.
Das dann aber auch verbalisieren: "Ich weiß, dass du gerne noch im Flur spielen möchtest, deswegen bin ich extra früher gekommen, damit dafür noch Zeit ist. Du darfst jetzt noch X Minuten spielen, und dann möchte ich, dass du mitkommst."
Ich mach es mit meiner Tochter auf dem Spielplatz immer so, wenn ich langsam los möchte, dass ich ihr das erstmal grob ankündige ("ich möchte jetzt bald los, aber erstmal kannst du noch ein bisschen spielen"), danach nochmal konkreter ("ich pack jetzt schonmal die Sachen ein, danach möchte ich mit dir los gehen") und das Ende bestimmt sie dann ("such dir bitte eine Sache aus, die du zum Abschluss noch machen möchtest, danach gehen wir"). Funktioniert meistens sehr gut.
Klar kommt es auch mal vor, dass sie ein letztes, ein allerletztes und ein allerallerletztes Mal rutschen möchte - je nach Situation, spricht da meiner Meinung nach nichts dagegen, solange klar bleibt, dass sich an der Aufbruchsituation ("wir gehen jetzt gleich nach Hause") nichts ändert.
Von dem "Trick" "Mama geht alleine" halte ich übrigens gar nichts - mir ist wichtig, dass meine Tochter darauf vertraut, dass ich IMMER für sie da bin und nicht einfach verschwinde, nur weil sie nicht nach meiner Pfeife tanzt.
Was ich im Ernstfall aber durchaus mache, wenn sie sich gar nicht losreißen kann, ich aber auf jeden Fall los will, ist: ich sage ich nochmal ganz deutlich, ICH will nach Hause, WEIL... (Einschub an dieser Stelle: am besten auch vermeiden, dass du sagst: WIR wollen nach Hause - denn dein Sohn will ja gar nicht...) und ich sage ihr dann, dass ich schonmal vorgehe - je nach dem, wo wir sind, bis zur Tür, bis zur Straße, bis zum Baum, ... soweit, dass sie mich auf jeden Fall noch sieht, und weiß, dass ich nicht weglaufe, aber so, dass ich ihr ganz klar vermittle: für mich ist die Spielezeit beendet und ich erwarte, dass sie nach kommt. Bzw ich sag das dann auch nochmal: "ich gehe jetzt los, und warte dann da vorne auf dich. Bring dein Spiel bitte zu Ende und komm dann nach".
Je nach dem, wie gut dein Sohn sich schon ausdrücken kann, ist es immer auch eine gute Idee, ihn einfach selbst zu fragen. "Ich weiß, du möchtest gerne noch hier bleiben, aber das geht jetzt nicht mehr, weil... Hast du eine Idee, was du stattdessen machen möchtest?" Oder "Gibt es etwas, das wir gemeinsam tun können, dass du lieber mit nach draußen willst?" Etc
Insgesamt ist es glaub ich einfach wahnsinnig wichtig, sich immer wieder klarzumachen, dass ein Kind in dem Alter nicht deswegen bockt/trotzt/brüllt, um uns zu ärgern, sondern weil es einfach (noch) nicht anders KANN!
Klar hilft es ein Stück weit, wenn du, auch zu Hause, immer vorher ankündigst, was als nächstes passieren wird. Damit vermeidest du zumindest, dass du dein Kind völlig überrumpelst. Das heißt aber ja noch lange nicht, dass dein Kind auch damit einverstanden ist!
Das kindliche Gehirn ist einfach noch nicht so weit, dass es "einfach so" damit klar kommen kann, wenn was nicht nach seinem Plan geht - auch, wenn es für uns Erwachsene um Kleinigkeiten geht und uns völlig logisch erscheint. Für das Kind bricht in dem Moment einfach eine Welt zusammen, und das beste, was man dann tun kann, ist: einfach da sein. In den Arm nehmen, trösten, aushalten.