beate_12721586Ich möchte von der "anderen Seite" antworten, als Teamleiter in der IT, und meiner Erfahrung mit Mitarbeitern mit - ich darf gar nicht wissen ob wirklich - psychischen Krankheiten. Mir fällt nicht leicht, in der Situation allen Aspekten und Interessen, die in der Situation miteinander konkurrieren, gerecht zu werden.
Aus meiner geschäfltichen Rolle als "Repräsentant vor Ort" für die Geschäftsinteressen der Firma habe ich die Aufgabe, ein gutes Ergebnis an Teamleistung zu erreichen. Dazu gehört auch, dass im Team jeder das Gefühl hat, entsprechend seinen Leistungen fair behandelt zu werden.
Tue ich das nicht, fahre ich die anderen Teammitglieder in die Frustration.
In meiner Rolle als Mensch sehe ich, dass jeder von uns, und Menschen mit psychischen aus dem Üblichen schlagenden Eigenschaften, so seine besonderen Bedürfnisse hat. Und dass, aus sozialer Sicht, wir als Gesellschaft versuchen sollten, jeden im Boot zu halten, den wir können.
Tue ich das nicht, handele ich nach allgemeiner Wahrnehmung als unsozial.
Soweit, so verstanden. Was es schwer macht, sind Situationen in denen zwei Dinge zusammen kommen, nämlich psychologische Eigenschaften, die ein menschliches Miteinander und eine geschäftlich befriedigende Arbeitsleistung schlicht unmöglich machen, und dem Zwang des Arbeitsrechts, das zwar sozial gedacht ist, allerdings zu Situationen führen kann, die überhaupt nicht sozial sind, und an der schließlich alle leiden.
Ich muss in meiner Rolle demjenigen, wenn seine Arbeitsergebnisse - leider kam es vor - schlicht unbrauchbar waren, ihm das mitteilen. Dabei kann ich den Verdacht haben, dass er gar nicht anders kann, aufgrund seiner Eigenschaften. Ich darf allerdings weder die Personalabteilung fragen, ob mein Verdacht stimmt, noch denjenigen in ärztliche Behandlung senden, noch fragen, ob er sich schon in einer solchen befindet, denn das verbietet die Vertraulichkeit seiner Gesundheitsdaten.
Ich selbst müsste nun in der Situation letzlich eine Ausbildung als Psychotherapeut haben, um mit demjenigen im allerbesten Sinne gut umgehen zu können. Die habe ich allerdings nicht, ich kann mir das lediglich zu einem gewissen Teil laienhaft zusammen lesen. Die Soft Skills Trainings, die ich so ziemlich alle nehme, gehen so gut wie alle von belastungsfreien Ausgangslagen aus. Psychische Probleme sind im Management nur am Rande thematisiert.
Damit sitzen nun zwei Menschen in einer Situation miteinander, die gezwungenermassen beide am falschen Ort sind. Der Mitarbeiter, der in einer hochgezüchteten kommerziellen Umgebung keinen Platz findet, und der Vorgesetzte, der als Sozialarbeiter nicht taugt. Das Arbeitsrecht erlaubt daraus keinen Ausweg: Ich bin gezwungen mit jedem Mitarbeiter umzugehen als sei er gesund, ausserdem muss ich ihn bezahlen (lassen) als sei er gesund, also erhält er ein frustrierendes Feed-Back. Die Frage, ob er vielleicht aufgrund einer Krankheit gar nicht kann, darf ich nicht stellen, und wüsste ich es, fehlt mir die Ausbildung damit umzugehen, und wüsste ich es, so darf ich die Konsequenz daraus dass er nicht kann, nämlich ihn aus dem Arbeitsumfeld zu entfernen, nicht durchsetzen.
So ende ich in der Lage eines Psychotherapeuten, soll eine Umgebung bereitstellen wie in einer Psychopraxis, befinde mich jedoch in einer rein kommerziellen Arbeitsumgebung.
Die Gesellschaft lädt die Betreuung psychisch Kranker einfach auf mir ab.
Die Schmerzen auf allen Seiten sind vorprogrammiert. Es finden teils Work-Shops statt um betroffene Teamleiter vom Burn-Out zu schützen. Je nach psychologischer Krankheit bekommen die erkrankten Mitarbeiter das mit, oder merken es nicht, nicht jedes Bild erlaubt eine Empathie für den Chef. Falls sie es überhaupt mitbekommen, kündigen sie nicht von sich aus, denn ihre Lage ist immernoch besser als die Alternativen, die ihnen offen stehen.
Wie sähe aus Sicht psychisch Erkrankter (und da wird je nach persönlichem Bild sich wohl eine völlig unterschiedliche Antwort ergeben) eine gute Lösung aus? Wie bringt man kommerzielle Anforderungen, Datenschutz, Arbeitsrecht, und ein erkrankungsgerechte persönliche Zwänge unter einen Hut?