Hallo,
ich möchte ein bisschen was von meinem Leben erzählen, weil ich sonst keine Möglichkeit dazu habe.
Ich bin 30 (m) und verpasse das Leben. Ich verbringe mein Leben vor dem Monitor, in einem Zimmer ohne Tageslicht weil die Rollos immer unten sind. Ich unternehme gar nichts mehr, obwohl ich will, obwohl ich verschiedene Projekte starten will und eigentlich auch Lust dazu habe. Trotzdem sitze ich hier, Tag für Tag, komplett ohne Bewegung!
Ich bin sehr übergewichtig (170cm / 120kg). Ich kann in relativ kurzer Zeit gut was abnehmen, das Gewicht habe ich also keiner Krankheit oder Fehlfunktion zu verdanken sondern meiner Ernährung. Was schnell weg ist, kommt schnell wieder zurück, diese Erfahrung habe ich einige Male machen müssen.
Ich habe keine Freunde in meinem Wohnort, mein bester Freund lebt mittlerweile in den Staaten und die anderen ziehen Kinder groß, alle schön weit weg von mir. Auch die Familie ist weit weg, ich bin gänzlich einsam.
Ob ich was sperriges zu tragen habe oder ob ich einfach nur Essen gehen will egal was ich mache, ich muss alleine zurechtkommen. Ich habe mich damit abgefunden und plane mein Leben auch dementsprechend.
Ich führe über den ganzen Tag hinweg Selbstgespräche, manchmal stelle ich mir vor eine Partnerin zu haben, ihr erzähle ich dann was. Oft sind es auch andere Menschen, mit denen ich kommuniziere. Mir fällt auf dass ich Selbstgespräche führe, breche diese Gespräche aber nicht ab um mir nicht eingestehen zu müssen was ich da gerade mache, dadurch fühle ich mich in der Regel aber noch armseliger. Es ist einfach niemand da, 2-3 Mal in der Woche telefoniere ich mit meiner Mutter, ansonsten herrscht Stille.
Um es konkreter zu formulieren: etwas mit anderen unternehmen sah dieses Jahr so aus; Abschiedsessen des Freundes, Abendessen mit einer Bekannten (weil sie eine ganze Woche (!) alleine war und das nicht ertragen konnte hat sie mich angerufen, war ein netter Abend).
Dabei möchte ich doch was unternehmen, ich will verreisen, eine schöne Route durch Europa zum Beispiel, oder einfach nur Brunchen am Sonntag, Theater, Kabarett, ich habe Lust auf so vieles aber NICHTS davon möchte ich alleine unternehmen.
Ich bin (noch) jung, habe jede Menge Zeit, keine finanziellen Probleme und der Wille ist auch vorhanden. Aber es ist niemand da!
Ich war nie der Frauenheld, hatte aber keine Probleme neue Menschen kennenzulernen. Meine letzte Beziehung hielt vier Jahre, ein Jahr davon in der gemeinsamen Wohnung. Wir haben uns vor fast fünf Jahren getrennt, seither schlafe ich jede Nacht alleine.
Einige Zeit nach dieser Beziehung habe ich versucht jemanden kennenzulernen, ohne Erfolg. Eine hat sich glaube ich sogar beleidigt gefühlt, dass ICH an ihr interessiert war. 3-4 negative Erfahrungen später habe ich es seien gelassen, weil ich mir auch immer mehr meiner bewusst wurde. Für mich war es ein Rätsel, was ich denn falsch mache. Immer mehr konnte ich dann beobachten, dass es nicht darauf ankommt WAS man macht/sagt, sondern WER das macht. Der Satz You have to look fuckable enough to be treated like a human being hat einfach seine Richtigkeit!
Wenn man den optischen Anforderungen nicht entspricht, wirkt so gut wie alles ein verzweifelter flirt versuch. Mit diesem Gedanken habe ich mittlerweile Frieden geschlossen Wider Willen schaue ich Menschen nicht länger als zwei Sekunden an, um sie nicht zu stören.
Seit Jahren erzähle ich nichts mehr über meine Probleme, Sorgen, Ängste. Immer wenn ich das versucht habe wurde ich unterbrochen und habe mir stattdessen die Sorgen von anderen angehört. Nur der Psychologe, bei dem ich vor drei Jahren (vier Sitzungen) war, hat mir zugehört. Ich bin nicht mehr hin, weil er mir immer das gesagt hat was ich hören wollte. Seither hört kein Mensch mehr was von meinen Sorgen, ich erzähle ihnen zwar sehr viel, aber eben immer nur wenn sie nicht anwesend sind. Ansonsten geht es mir immer bestens!, wenn ich danach gefragt werde, immer schön mit einem aufgesetzten Lächeln.
Da gibt es auch seit einiger Zeit Gedanken, die ich täglich erfolgreich verdränge weil sie selbst für mich noch etwas ungewöhnlich sind. Ich weiß einfach nicht wohin damit. Ich kann sie aussprechen, auch in Selbstgesprächen nicht.
Ich bitte sehr darum, mir keine Ratschläge zu erteilen. Darauf bin ich nicht aus. Ich möchte einfach nur etwas Neues ausprobieren: Menschen was von meinem Leben erzählen, auch wenn daraus ein langer, unsortierter Text entsteht.
Die Bitte ist mir wichtig, weil ich die gut gemeinten Ratschläge garantiert bereits versucht habe umzusetzen erfolglos! Jeder Rat wird mir einmal mehr das Gefühl geben nicht verstanden zu werden.
Vielleicht mache ich hier den einen oder anderen auf folgendes aufmerksam, das wäre mir auch schon Freude genug!
Der seltsame Typ, der selten spricht, die Blicke abwendet, sich nicht traut, nichts erzählt, eben der unheimliche Typ den du kennst, der wurde so gemacht! Seine Erfahrungen erlauben ihm kein normales Leben. Er ist aber trotzdem ein menschliches Wesen, hat Gefühle, Wünsche, Träume und so etwas ähnliches wie ein Leben. Wenn er mal die Wohnung verlässt und etwas Sonne abbekommt, lass ihn doch einfach nicht spüren wie unheimlich er ist. Du musst ihm nicht die Hand reichen oder versuchen ihn zu retten, lass das lieber. Du wirst ihm schon eine große Hilfe sein, wenn du ihn nicht anschaust als wäre er ein Alien.
Wenn er die Sonne sieht und sich trotzdem wie ein normaler Mensch fühlt, wird er einen sehr guten Tag gehabt haben, trage doch bitte was dazu bei.