Geburtsbericht
Die 40. Schwangerschaftswoche war ziemlich anstrengend für mich. Nicht nur mein Frauenarzt sondern auch mein gesamtes Umfeld waren schon seit Monaten davon überzeugt, dass Kind Nr. 2 sich vor ET auf den Weg machen würde und das obwohl beim Großen bei ET+10 eingeleitet wurde.
Zuhause hatte ich seit Tagen alles fertig und mein Mann und ich warteten im Grunde minütlich darauf, dass aus meinen laschen-alle-20-Minuten-Wehen mal fiese-alle-5-Minuten-Wehen würden. Die vielen Nachfragen über Telefon und Telegram machten es nicht grade einfacher. Ich war also psychisch schon ziemlich angeschlagen, als ich am ET zur Vorsorge ging.
Die Fruchtwassermenge war schon seit der 32. Woche am unteren Rand und da mein Bauchbewohner einen kleinen Brustumfang hatte bestand zwischenzeitlich der Verdacht auf Wachstumsretardierung. Es überraschte mich also nicht sonderlich, dass mein Frauenarzt meinte, dass er die Verantwortung nicht länger alleine tragen will und ich mal in der Geburtsklinik vorstellig werden soll, ob sie einleiten oder weiter abwarten wollen.
Ich rief also abends in der Klinik an und machte einen Termin für den nächsten Morgen. Nun wurde ich doch etwas nervös. Zwar hatte ich mir seit Tagen gewünscht, dass es nun endlich losginge und durchaus auch mit dem Gedanken geliebäugelt, dass im Zweifel früher nachgeholfen würde, aber wo es nun ernst wurde, bekam ich doch Angst um mein Baby. Wie würde er mit dem Rausschmiss zurechtkommen? So gut wie der Große?
Ich rief bei meiner Hebi an und fragte um Rat. Sie meinte zwar, dass keine Hebamme gerne einleitet, weil es heißt in einen natürlichen Prozess einzugreifen und auch die Klinik, die ich mir ausgesucht hatte, ist dafür bekannt, den Dingen eher den natürlichen Lauf zu lassen. Dennoch hält sie die Indikation für ausreichend. Die Fruchtwasserproduktion sei das was die Plazenta als erstes zurückfährt. Niemand könne sagen, wie lange sie es noch tun wird. Sicher wäre nur, gäbe es erst einmal eine Unterversorgung würde es schwieriger für den Kleinen mit den Strapazen einer Spontangeburt zurecht zu kommen und damit würde auch ein Not-KS wahrscheinlicher. Vor Termin würde man sicher immer abwarten, aber bei einem reifen Kind wären die Chancen auf eine gute Geburt trotz Einleitung groß. Ich war also etwas beruhigt.
Am nächsten Morgen in der Klinik bekam ich dann also erst einmal ein CTG und den Vortrag der Oberärztin warum man nur einleitet wenn es wirklich notwendig ist (als wüsste ich das nicht; hatte ich doch beim Großen dafür gekämpft 10 Tage drüber gehen zu dürfen). Nachdem sie dann aber selbst auf dem US gesehen hatte, dass es kein(!) Fruchtwasserdepot mehr gibt, auch nicht hinter dem Kind, war plötzlich auch sie schnell mit Aufklärungsbogen und Cytotec-Tablette bei der Hand.
Mein Ausgangsbefund war also morgens um 10 Uhr: Muttermund 1-2 cm, GMH 1,7 cm wulstig medio-sacral, Wehen alle 20 min, die ich zwar gespürt habe, aber noch nicht veratmen musste. Ich bekam zunächst eine halbe Dosis (50 mg).
Ich bezog mein Zimmer auf Station und mein Mann fuhr nach Hause um unseren Großen von der Kita abzuholen.
Um 14 Uhr bekam ich dann die zweite Dosis (100mg). Danach wurden die Wehen schon etwas kräftiger. Als meine Mutter um 15 Uhr zu Besuch kam, meinte sie schon ich sähe nach Geburt aus. Sie überredete mich Treppen zu steigen. Wir stiegen also von der Cafeteria im Untergeschoss die Treppen bis zur Frauenklinik in der siebten Etage hoch. Überraschenderweise fand ich hochschwanger sein bei 32 Grad im Schatten schon so anstrengend, dass Treppensteigen da keine wirkliche Veränderung bedeutete ;-)
Auf Station angekommen wurden die Wehen immer stärker. Ich wollte mich nicht mehr setzen, sondern blieb lieber stehen und schaukelte mit dem Becken. Meine Mutter massierte mir das Kreuzbein. Gegen 17 Uhr musste ich zur Toilette und bemerkte eine Blutung. Ich erinnerte mich an die Worte meiner Hebi, dass die Zeichnungsblutung beim Zweiten Kind erst bei 3 bis 4 cm kommt. Jetzt war also klar: Es geht los!
Ich schrieb meinem Mann, er solle sich schon mal einen Babysitter für den Großen suchen und versuchte gleichzeitig meine Mutter zu verabschieden. Mir war klar, sie würde nicht gehen wollen wenn sie wüsste, dass es losgeht, aber ich wollte sie auf keinen Fall dabei haben.
Schließlich ging sie aber doch und ich kam um 17.30 im Kreißsaal an. Die diensthabende Hebamme hieß Evelyn und ich hatte sie mittags schon kurz kennengelernt. Sie kontrollierte kurz die Blutung, beruhigte mich, dass es tatsächlich nur eine Zeichnungsblutung sei und schloss mich ans CTG an.
Schon die zweite Wehe wollte ich nicht mehr im Sitzen aushalten. Ich kniete mich auf den Fußboden vor das Sofa und stützte mich mit den Armen ab. Ich musste die Wehen nun schon deutlich veratmen.
Mein Mann schrieb mir, dass der Große bei seinen Eltern sei und er jetzt losführe. Nach zwei weiteren Wehen tönte ich bereits laute UUUUUuuuuuhhs.
Nach der obligatorischen halben Stunde CTG lotste mich Evelyn zum Kreißsaal 2. Ich wollte erst protestieren, hatte ich mich doch auf gemütliches Einwehen in der Badewanne gefreut (wie bei der ersten Geburt), aber sie war schon dabei, Anweisungen in Richtung ihrer Kollegin zu rufen. Innerhalb von Minuten lag ich auf dem Kreißbett, bekam Lachgas über eine Maske und ein entkrampfendes Mittel sowie irgendetwas homöopathisches über den Zugang in der Hand.
Dann kam auch mein Mann dazu, sichtlich erstaunt, dass es schon so weit war. In den Wehenpausen konnten wir uns kurz unterhalten, aber die Wehen selbst waren schon ziemlich heftig und ich fand nicht den richtigen Atemrhythmus für das Lachgas (das hatte bei der ersten Geburt viel besser geklappt). Evelyn untersuchte mich und stellte fest: 5 cm!. Aber im Darm noch was im Weg. Also gabs ein Klistier und ich sollte trotz heftiger Wehen alle 2 min noch einmal zur Toilette. In dem Moment hab ich die Hebamme echt verflucht. Ich wollte meinen Rhythmus für die Geburt finden, hatte es so positiv in Erinnerung von meinem Großen, dass ich irgendwann ruhig atmen konnte, die Spitzen der Wehen durch das Lachgas abgefangen wurden und ich spüren konnte wie sich mein Sohn durchs Becken arbeitet. Diesmal kam ich mit den Ereignissen nicht wirklich mit. Mein Kopf war noch auf Station und noch gar nicht bei Geburt angelangt.
In einer der nächsten Wehenpausen fragte sie mich, ob eine Schwesternschülerin bei der Geburt dabei sein dürfte. Da hatte ich nichts gegen und eine richtig nette junge Schülerin kam dazu. Da ich grade so einen Brass auf die Hebamme hatte, tat es mir richtig gut noch eine weitere Person dabei zu haben.
Schließlich tat das Klistier seine Wirkung und ich schleppte mich tatsächlich bis zur Toilette. Auf der Toilette kam dann leider neben dem Erwarteten auch die nächste Wehe sehr unangenehm! Aber anschließend ging es mir tatsächlich besser und ich legte mich wieder aufs Kreißbett.
Bei der nächsten Untersuchung waren es dann schon 8 cm. Ich konnte das gar nicht glauben. Als Evelyn sagte Ich öffne jetzt die Fruchtblase, sagte ich daher auch Nein. Sie war ganz erstaunt: Warum denn nicht? Dann hast du gleich dein Baby im Arm! Keine Angst!. Ich sah ihr in die Augen und beschloss, dass ich ihr vertraue - sie sah so überzeugt aus. Also gab ich doch mein OK. Die Ärztin kam dazu und wenig später kam die Anweisung: Jetzt Kopf auf die Brust, Rücken rund und SCHIEB!!!!!!!!!!!. Ich hatte keinen Pressdrang (auch wieder anders als beim Großen), aber hab ihr auch da vertraut. Beim zweiten SCHIEB! bemerkte ich ein Brennen. Ich guckte zwischen meine Beine und konnte da ich in Seitenlage war, den Kopf sehen. Ich streckte meine Hand aus und fühlte das warme, nasse Köpfchen. Ich konnte es gar nicht fassen.
Dann sollte ich hecheln, weil er die Hand an der Schulter hatte. Da nahm er sie aber nicht weg, also musste es dann doch so gehen. Den Dammriss (1. Grades) und den Labienriss hab ich aber dieses Mal gar nicht gespürt.
Mit der 3. Presswehe war er also da und ich durfte ihn selbst und sofort auf meine Brust legen. Dieses unbeschreibliche Glücksgefühl mit dem nassen, schmierigen Wesen auf meinem Bauch, hat mir bei meinem Großen so gefehlt (er kam erst nach ein-zwei Minuten und in einem Handtuch auf meinen Bauch, weil vorher grünes Fruchtwasser abgesaugt werden musste). Ich war überwältigt und einfach nur überglücklich.
Um 19.46 Uhr, nach nur 2h 15 min im Kreißsaal kam T.heo mit 3420g und 53 cm zur Welt.
Die Plazenta kam 30 min später und genäht wurde jeweils mit 3-4 Knoten, aber halb so wild.
Ich habe diese Geburt viel besser weggesteckt als die Erste und bin im Moment zuversichtlich, dass ich diesmal von der Wochenbettdepression verschont bleibe.
Ina mit L.ukas (3 Jahre)
und T.heo (1 Woche)