Hallo,
Ich bin mittlerweile so verzweifelt und ich weiß nicht weiter.
Er: noch 34, deutsch, berufstätig, lebt im Ausland
Ich: 26, asiatisch, mit Migrationshintergrund, frisch das Masterstudium beendet und auf der Jobsuche, arbeite als Trainee und lebe in Deutschland
Wir sind seit einem 3/4 Jahr zusammen. Mitte Juli 1 Jahr.
Eigentlich haben er und ich relativ viele Gemeisamkeiten. Wir achten auf die Gesundheit, gehen zusammen aus, unternehmen mal gerne getrennt mit Freunden, sind kaum eifersüchtig, wir vertrauen uns, sind ehrlich zueinander, tolerieren, was wir beruflich machen.
Das Problem ist jedoch der Charakter.
Er: sehr rational, immer sachlich, manchmal sehr radikal, weil er in Schubladen denkt, er würde vielleicht nicht unbedingt zugeben wollen, aber ein Besserwisser
Ich: kann sehr emotional sein, zu HSP neigend, detailverliebt
1. Es gibt Momente, da wünsche ich mir mehr Zweisamkeiten. Klar, ist es schwierig, weil wir eine eine extreme Form einer Fernbeziehung führen. Aber für mich persönlich ist die Entfernung kein großes Problem, auch wenn ich ihn vermisse.
Er zeigt jedoch kaum seine Gefühle und ich weiß nicht, woran ich bin. Leider ist er auch sowas von gar nicht romantisch. Obwohl ich mit ihm darüber gesprochen habe, ist es oftmals Funkstille, wenn nichts von mir zuerst kommt.
2. Er kritisiert mich ständig. Sogar wenn ich eigentlich nicht im Unrecht bin. Er kritisiert mich, warum ich nicht besser gehandelt hätte und zählt auf, wie er an seiner Stelle "besser" reagiert hätte. Dabei wollte ich mit ihm über Probleme sprechen. Eigentlich habe ich nichts gegen Kritiken, ich persönlich finde sie wichtig für die Selbstweiterentwicklung. Jedoch bin ich der Meinung, es gibt Momente, da sollte man erst einmal zuhören und nicht kritisieren. Wenn man merkt, dass die emotionale Phase beendet ist, dass man mit den Kritiken beginnen kann. Für ihn spielt das keine Rolle. Er muss ganz direkt, ohne auf die Gefühle anderer einzugehen, sofort kritisieren und los werden, was er denkt. Die Kritik weitet sich meist immer so aus, dass er doch 9 Jahre älter ist als ich und er mehr Berufs- und Lebenserfahrung hat als ich. Dass ich noch so vieles lernen müsste, wie das Sozialleben funktioniert. Er verbessert mich ständig und will mich belehren. Ich fühle mich dadurch wie ein Versager, ein Kleinkind, das nichts selbstständig bewältigen kann, und vor allem ihm nicht gleich gestellt. Manchmal bekomme ich sogar das Gefühl, er schaut mich von oben herab und denkt, er sei was Besseres als ich. Ich finde das einfach nur sehr respektlos. Ich beginne mich zu verteidigen und werde leider dann laut. Bevor ich jedoch laut werde, bitte ich ihn mit seinen negativen Kritiken aufzuhören, weil ich noch sehr emotional aufgeladen bin. Seine Antwort dazu heißt, ich muss härter werden. Auch wenn seine Kritiken manchmal eigentlich nicht so schlecht sind, kommt bei mir nichts an, sondern nur verletzt, weil ich das Gefühl bekomme, dass er mich nicht unterstützt.
3. Zwar bin ich in Deutschland aufgewachsen, aber bin nicht hier geboren. Somit bin ich intensiver mit zwei Kulturen und Sprachen aufgewachsen.
Obwohl mein Freund sehr oft und lange im Ausland, insbesondere in asiatischen Räumen gearbeitet hat, versucht er nicht einmal ein bisschen für meine Wurzel zu interessieren. Er pauschalisiert und sagt, dass er die asiatische Kultur kennt, dabei ist jedes Land so verschieden. Er kennt unsere Landsgerichte nicht einmal wirklich. Noch nie hat er mich wegen unserer Kultur nachgefragt, wie es ist, zB wie die Küche wäre oder das Verhaltensmuster. Sein Schubladen denken kommt zu Vorschein und denkt sich sein Teil, das war's auch. Keine Neugier, kein Interesse, kein Irgendwas, nichts. Ihm ist es egal, hauptsache ich verstehe was von der deutschen Kultur und beherrsche die Sprache, damit er privat mit seiner Freundin nicht wie auf der Arbeit ständig auf Englisch reden muss, sondern sich auf seine Muttersprache unterhalten kann.
Somit frage ich mich natürlich, ob ich ihn überhaupt meiner Familie vorstellen kann, wenn er so wenig Respekt vor unserer Kultur zeigen kann.
4. Er hat eine Einstellung, womit ich kaum was anfangen kann bzw. wo ich das größte Problem sehe. Seine Einstellung ist, ich bin so wie ich bin, daran wird sich nichts ändern und ich werde mich auch niemals für irgendwen ändern.
Als ich ihn kennen gelernt hatte, kannte ich seine Einstellung natürlich noch nicht. Es fing an, als ich meine Wünsche und Bedürfnisse ehrlich erzählt habe. Da seine Vorstellungen anders waren, gab's keine Lösung. Nicht einmal Kompromisse. Entweder es läuft so, wie er's will oder wir streiten uns. Von ihm kommt leider auch nie Lösungsvorschläge oder versucht das Problem zu analysieren und aufzuklären.
Ich fange an ihm Vorwürfe zu machen, wobei ich mich langsam auch nicht mehr leiden kann, wenn ich damit beginne. Aber es fällt mir verdammt schwer damit aufzuhören, weil er ja auch so stur ist.
Mittlerweile ist so vieles ausgeatet. Ich hatte mich irgendwann mal so sehr verletzt gefühlt, dass ich wie ein Spiegel reagiert habe. Damit wollte ich ihm zeigen, dass er mich so ständig verletzt.
Nun denkt er, er kann mir ja Vorwürfe machen, weil ich ihn öfter mal gemacht habe, als wäre das ein Rachezug.
Momentan haben wir nun eine Auszeit genommen. Bzw. ich war diejenige, die das unbedingt wollte. Ich wusste, dass es so nicht mehr weitergeht. Er fühlt sich meinetwegen gestresst und ich fühle mich seinetwegen verletzt. Lieblos gesagt, will ich nicht ständig rumbetteln, dass er mir dies oder das gibt, was ich mir wünsche. Ich möchte auch mal, dass er sich selbst die Mühe machst, mir zu gefallen. Aber ich will auch nicht, dass ich ihm deshalb ständig Vorwürfe mache, weil er nicht machen will, wegen seiner Einstellung. Vor allem will ich nicht, dass er irgendwann meinetwegen so erschöpft ist, dass er mich los werden will. Das klingt bescheuert, aber die Auszeit ist meine momentane Art und Weise mich zu bemühen, um ihn nicht zu verlieren, weil ich Angst habe, dass ich ihn verliere, wenn es so weiter läuft wie bisher.
Ich weiß nicht mehr weiter. Bin ich etwa zu überempfindlich?