Liebe bissfest,
doch, ich ziehe den Krieg in Betracht. Ich kann mir nur eben, solange er behauptet, es sei ja alles kein Problem, nicht sicher sein. Aber ich habe nach weiteren Überlegungen mittlerweile den Eindruck, dass seine Eltern vielleicht "differenzierten Hass" betreiben. Das sieht man ja z.B. manchmal in deutschen Familien: Da ist es kein Problem, wenn die Tochter türkische Freundinnen hat, aber wenn sie mit Ahmet nach Hause käme, wäre die Kacke am dampfen, um es salopp auszudrücken. So ähnlich stelle ich mir das auch bei ihm vor.
Sein Vater scheint mir -zumindest laut Erzählungen- relativ gelassen zu sein. Seine Mutter ist allerdings -zumindest laut ihres FB Profils- eine muslimische Bosnierin vor dem Herrn. 99% ihrer "Gefällt mir" Angaben setzen sich aus "I love Islam", Koran, Ramadan, Moscheen, Bosnien und ähnlichen Gemeinschaften zusammen. Das lässt zwar nicht automatisch darauf schließen, dass sie Hass oder Vorurteile gegen andere hegt, aber es bestätigt zumindest das, was ich bereits über den Rest seiner Familie wusste: Alle sind übertrieben patriotisch und ihrem Glauben tief verbunden. Seine Schwester hat zwar einen Deutschen geheiratet, der jedoch zum Islam übergetreten ist (inkl. Beschneidung) und sowohl ihren Nachnamen als auch einen muslimischen Vornamen angenommen hat. Die Schwester ist angeblich nicht gläubig, aber mir kann niemand erzählen, dass ihr Mann solche Hürden auf sich nehmen würde, wenn Religion in der Familie unwichtig wäre.
Es enttäuscht mich, dass er bei meiner Familie, wie auf einem Jahrmarkt, ein und ausgegangen ist, auf unzähligen Geburtstagen getrunken und gegessen hat und von allen mit Herzlichkeit und Wärme empfangen wurde. Ich bin nicht mal von ihm enttäuscht, sondern von mir selber. Vielleicht war ich zu gutgläubig davon auszugehen, seine Familie sei genauso frei von nationalistischen Ressentiments wie meine, ohne Beweise einzufordern. Wenn ich die Diskussionen in unserer Beziehung Revue passieren lasse, fallen mir plötzlich unzählige Warnsignale auf. Er hat mir z.B. -vermeintlich scherzhaft- vorgeworfen, meine Familie sei zu "deutsch" und nicht ausreichend den eigenen Wurzeln verbunden. Das war ein wichtiger Unterschied zwischen uns: er bezeichnet sich als Bosnier, ich bezeichne mich als Deutsche mit serbischen Wurzeln. Er ist also definitiv in einem komplett anderen Umfeld aufgewachsen und entsprechend geprägt worden. Als Balkaner muss man leider manchmal erfahren, dass es auf allen drei Seiten solche und solche gibt: Menschen, die ihren Verstand nutzen und Liebe und Toleranz predigen und Menschen, deren Vorurteile von Generation zu Generation weitergereicht werden.
Das ist letztendlich auch der Knackpunkt für mich: Ich bin nicht mit seiner Mutter oder seinem Cousin oder seinem Schwippschwager 5. Grades zusammen, sondern mit IHM. Und wenn ER nicht in der Lage ist, vor seiner Familie zu mir zu stehen, spielt es keine Rolle, ob ER persönlich kein Problem mit Serben oder Kroaten hat.
Nochmals lieben Dank für deine guten Ratschläge, bissfest! Wir sind heute verabredet und ich werde den Rat aus deiner ersten Antwort an mich befolgen: Ich werde mit ihm offen reden und die Diskussion knallhart zu Ende führen. Es bringt nichts mehr, die Augen zu verschließen und meine Zeit in einer Beziehung zu vergeuden, wenn diese vielleicht eh zum Scheitern verurteilt ist.