Guten Tag,
mein Name ist Astrid und ich schreibe normalerweise nie in Forums. Doch ich habe mich jetzt entschieden die Geschichte meines Pflegesohns (ich nenne ihn ihr Fabian) und die unserer Familie zu erzählen. Vielleicht hilft es manchen anderen Pflegeeltern oder solchen die es werden wollen.
Für mich ist es eine Möglichkeit das bisher erlebte noch einmal widerzuspiegeln.
Unser Pflegesohn ist mittlerweile 16 und lebt jetzt seit 10 Jahren bei uns. Doch ich würde ihn nicht als Pflegesohn bezeichnen, er ist unser Sohn. Komme was wolle!
Auch wenn er manchmal das Gefühl hat. Dass, das nicht der Fall ist und er für uns eine Belastung ist.
Besonders momentan hat er wieder so eine Phase, wo er sehr verunsichert ist. Und sich nicht ganz zugehörig fühlt. Was aber nicht den Tatsachen entspricht.
Der Grund. Unser Sohn und seine Freundin haben uns vor zwei Monaten, ein Enkelkind geschenkt.
Was in Fabian, anscheinend die Angst hervorruft nicht mehr Teil der Familie zu sein.
Das äußert sich damit, dass er in alte Verhaltensmuster fällt. Die wir schon längst glaubten, überwunden zu haben. Doch wir haben schon so viel zusammen gemeistert. Das ich glaube, dass das nur eine kleine Hürde ist. Und er bald bemerkt, dass des auch für ihn eine Bereicherung sein kann.
Nach dem Auszug unseres Sohnes, fühlte ich eine innere Leere in mir, die schon fast einer Depression glich. Die erste Zeit konnte ich es einfach nicht benennen. Doch nach zwei Monaten keimte bei mir die Erkenntnis auf, dass es der wünsch nach noch einem Kind ist.
Verstehen sich mich bitte nicht falsch. Ich suchte nicht nach einem Ersatz für meinen Sohn. Er hat mich ja nicht verlassen, wir hegen einen sehr engen Kontakt zu einander und haben ein gutes und ausgeglichenes Verhältnis.
Wir wollten eigentlich immer zwei oder sogar drei Kinder. Doch wie das Leben manchmal so spielt, hatte ich vor meinem Sohn, schon zwei Fehlgeburten und auch er war eine Risikoschwangerschaft.
So das wir einfach nur glücklich waren ihn bekommen zu haben.
Ich merkte zwar manchmal, dass der Wunsch nach einem zweiten Kind noch immer real war.
Doch mit den Jahren rutschte er immer weiter in den Hintergrund. Bis zu diesem Zeitpunkt.
Wir wollten dann ein Kind adoptieren. Am liebsten natürlich ein Baby und perfekt wäre ein Mädchen.
Im Gegensatz zu meinem Mann, war ich damals etwas sehr naiv an die Sache herangegangen.
Die Dame vom Jugendamt holte mich hingegen sehr schnell auf den Boden der Tatsachen zurück.
Und gab uns (hauptsächlich mir) sehr schnell zu verstehen. Das wir auf eine Adoption gar nicht zu hoffen brauchten. Da wir schlicht und ergreifend zu alt waren. Ich bin heute 56 und mein Mann 60ig. Aber das tut hier nichts zur Sache.
Sie war ansonsten sehr nett, sagte wir hätten nur zwei Möglichkeiten. Ein Pflegekind oder eine Auslandsadoption. Sie machte uns klar, dass es sehr viele Kinder gäbe die eine Pflegefamilie bräuchten. Und das das eine gute allernative für uns sein könnte.
Ich war sehr skeptisch, da man ja Pflegekinder bekanntlich ja wieder zu den Eltern zurück sollten, sobald die ihr Leben wieder im Griff haben. Und das Besuchsrecht.
Ich habe angefangen mich mit Auslandsadoption zu beschäftigen, mein Mann war damals eher ein neutraler Part. Er versicherte mir, dass er voll hinter mir stehen würde, und alles tun würde. Egal ob Adoption oder Pflegekind, aber ich entscheiden müsse, welchen Weg wir gehen. Da ich die Mutter sein würde und somit die Hauptlast auf mir läge.
Nach zwei Wochen rief mich die Dame vom Jugendamt an. Und so nahm das Schicksal seinen Lauf.
An dieser Stelle möchte ich sagen, dass ich Fabian Einverständnis darüber eingeholt habe.
Seine Vergangenheit ins Internet zu stellen, auch wenn das hier anonym ist.
Das Jugendamt wusste nur sehr wenig über Fabian. Er war seiner Mutter wegen Misshandlungen und Verwahrlosung weggenommen worden. Es bestand der Verdacht auf Missbrauch durch ihren Freund, doch mehr war eigentlich nicht bekannt. Das Ausmaß der Misshandlungen zeigte sich erst nach und nach. Wie es bei Pflegekindern, so oft er Fall ist. Auch die Tatsache das Fabians Mutter wegen ihrer Drogensucht und den Misshandlungen die sie als Kind erlebt hatte in Behandlung war und ich glaube es noch ist. Hat einiges zu Tage gefördert. (Sie hat keinerlei Besuchsrecht und wir, einschließlich Fabian haben keinen Kontakt zu ihr. Da der Junge diesen nicht wünscht).
Seine Mutter bekam Fabian sehr jung, (18, der Vater ist unbekannt) es schien als würde es trotzdem gut laufen. Sie hatte eine kleine Wohnung die das Sozialamt zahlte und kümmerte sich auch um das KInd. Dies schlug irgendwann zwischen Fabians zweiten und dritten Lebensjahr um.
Nachdem sie einen neuen Mann kennenlernte und sofort zu ihm zog. Dieser schlug Fabian und zwang ihn zu sexuellen Handlungen. Vergewaltigte ihn mit ca. vier Jahren, das erste Mal.
Und war äußerst brutal im Umgang mit ihm.
Das Jugendamt dachte vorerst das seine Mutter bei den Misshandlungen, eine passive Rolle spielte. Es stellte sich aber mit der Zeit heraus, dass auch sie Fabian geschlagen und zusammen mit ihrem Freund missbraucht hatte. Darüber hinaus prostituierten sie den Jungen für ihre Drogen.
Ich möchte hier keine Einzelheiten über die Art und Weise der Misshandlung und des Missbrauchs berichten. Doch glauben sie mir. Selbst ich, die es nur vom Hören weiß und es nicht selbst erlebt habe, habe Alptraume davon!
Fabians erste sechs Monate bei uns waren geprägt von der sogenannten Anpassungsphase.
Er war sehr ruhig viel eigentlich gar nicht auf. Versuchte so gut es ging Unsichtbar zu bleiben.
Fabian hatte teilweise sichtlich Angst vor uns und neuen Situationen. Verfiel dann in eine Starre.
Der Junge musste an alles langsam und ohne druck herangeführt werden. Sonst änderte es meist darin, dass er einnässte und sich komplett zurückzog.
Auch aus Angst er würde für die mangelnde Blasenkontrolle Schläge beziehen.
Ich muss sagen, dass ich mir diese Zeit zurücksehnte.
Als Fabian in die Übertragungsphase rutschte. Die geschlagene vier Jahre andauerte.
Und die mich teils so sehr verletzte und bestürzte, dass ich am liebsten aufgegeben hätte.
Was mein Mann aber nicht zuließ. Da er wusste, dass ich mir das nie verzeihen würde.
Ich möchte ihr auch niemanden Angst machen diese Phase ist zwar die Schwerste, kann aber auch nur ein paar Monate dauern.
Fabian hatte einfach sehr viel zum Aufarbeiten, das damals teils noch nicht bekannt war.
Und er lernen musste mit sich, seiner Umwelt und dem erlebtem klarzukommen.
Fabian begann seine alten traumatischen Erfahrungen und die damit verbundenen negativen Erwartungen und Ängste auf uns zu übertragen. Er benahm sich so, als ob auch wir ihn Misshandlung, Missbrauch und Verwahrlosen lassen würden.
Er log und erfand Geschichten. Erzählte der Psychologin er würde geschlagen und bekäme nichts zu essen.
Fabian zeigte eine wilde Mischung unterschiedlicher Übertragungsmuster
- er forderte meinen Mann und auch mich, mehr oder weniger direkt zu sexuellen Handlungen auf.
- er versuchte uns extrem zu reizen und zu provozieren.
- er verweigerte das essen das ich gekocht hatte, warf mir sogar zweimal das Teller nach.
- warf uns vor, dass wir ihn nicht haben wollen und er nur wegen dem Geld, das wir für ihn bekommen bei uns sei.
- er reagierte bei manchen Situationen aggressiv und schlug uns. Unserer Katze gegenüber, man hört ja öfter, dass solche Kinder Tiere/andere Kinder schlagen, war Fabian immer lieb. Er hat sie Stunden lang gestreichelt und wollte sie den ganzen Tag füttern. Auch zu anderen Kindern war er nie gewalttätig, eher schüchtern und vorsichtig.
Fabian erlebte die drei Phasen wenigstens schön brav hintereinander und trat den, in der Hälfte seines zehnten Lebensjahres in die Regressionsphase:
Wir dachten, es sei überstanden und er würde sich nun endlich richtig entwickeln, da begann Fabian sich zu benehmen wie ein Kleinkind. Obwohl ich sagen muss, ich habe diese Phase geliebt!
Wenn er bei uns war, war er anhänglich. Sog unsere gesamte liebe auf einmal in sich auf.
Und gab uns alles wieder zurück.
In diesem Abschnitt von Fabians Entwicklung wurden wir eine Familie.
Ich möchte noch anmerken, dass Fabian von Anfang an in psychologischer Betreuung war und noch ist. Mein Mann und ich nahmen sämtliche Hilfestellung vom Jugendamt (das in Fabians Fall sehr, sehr bemüht und aufmerksam war und ist) an. Und befinden uns ebenfalls in Betreuung. Einzeln sowie, zu zweit oder zu dritt mit Fabian. Das zahlen wir natürlich selbst. Auch Fabians Psychologin zahlen wir. Da sie nur Privatpatienten behandelt und das Amt diese kosten nicht übernimmt. Aber das nur anbei.
Auch meinem Mann möchte ich danken! Für seinen Einsatz und Engagement!
Dafür das er mir Rückhalt und Stärke gibt.
Vor allem aber dafür, dass er Fabian mit viel Geduld und Liebe aufzeigte, dass auch ein Vater wertvoll sein kann.
Und vor allem Fabian. Danke!
Dass du so bist, wie du bist. Es gibt nichts Schlechtes oder Verachtenswertes an dir.
Du bist unser Sohn und dafür danken wir dir!!
In Liebe deine Mutter