Ich kenne das genauso
Du beschreibst genau das was ich (und sicher die meisten hier) auch kenne.
Ich bin 38 und habe Essstörungen seit ich 16 war.
Bzw. wohl schon sehr viel früher, nur hat mit 16 die Kotzerei angefangen. Davor hab ich grundsätzlich immer zu viel gegessen, zu fett, zu süss und sehr oft heimlich.
Zu meinen "besten Zeiten" hab ich mich gefühlt den ganzen tag übergeben, es ging teilweise vor der Arbeit los und endete vor dem schlafen gehen, wenn ich denn dann schlafen konnte.
Kompensiert hab ich damit auch sämtliche Gefühlslagen. Meistens war es Einsamkeit, Traurigkeit, Isolation und zeitweise auch viel Gewohnheit, weil ich viel zu tief da drin steckte.
Ich konnte egal wieviel ich gegessen habe auch immernoch weiter essen. Das wäre auch heute so wenn ich mir freien Lauf lassen würde.
Ich war mein Leben lang übergewichtig (Höchstgewicht 112kg) und habe 2005 mit WW 40kg auf endlich mal gesundem Weg abgenommen. Ich hab sehr viel über gesunde, ausgewogene Ernährung gelernt und mich zum ersten mal in meinem Leben auch gerne bewegt.
Schicksalsschläge wie 4 Fehlgeburten in recht kurzer Zeit, die Geburt meiner Tochter mit Down Syndrom und Herzfehler, schlecht laufenden Ehe (mitunter auch viel von mir verursacht, in Folge meiner vielen psychischen Probleme), Tochter 3 Monate mit 3 Herz OPs im KH, Stress und enormer Druck weil ich fast alles allein machte, zusätzlich normaler Alltag, weitere 3 Fehlgeburten bis mein Sohn kam, immer schlechter laufende Ehe, ich hab mich mehr und mehr von meinem (noch) Mann entfernt und mich regelrecht eingemauert.
Kompensiert habe ich das immer übers Essen.
Leider muss ich zugeben dass ich auch in der Schwangerschaft mit meiner Maus gekotzt habe. Natürlich sollte immer alles besser werden, was nach hinten los ging.
Mir ist es gelegentlich Phasenweise gelungen aufzuhören, mal ein Paar Wochen und mal ein Paar Monate.
Nachdem mein Ex ausgezogen war dachte ich werde ich endlich glücklich, nur wurde da alles wieder schlimmer. Einige Monate nach seinem Auszug ging das Kotzen wieder los und ich merkte dass ich nicht durch die Mauer kam die ich um mich herum gebaut habe. Diese richtete sich letztlich gegen meine Kinder:-((
Ich habe die Grundversorgung geleistet und konnte kaum drüber hinaus gehen.
Ich hab mir immer sehr Kinder gewünscht und bin heute nicht in der Lage das umzusetzen was ich mir für die Kids und für mich wünsche.
Wie erwähnt habe ich ein behindertes Kind, die 2 sind sehr unterschiedlich. Da ist es extrem schwierig beiden gerecht zu werden.
Wie das meiste im Leben gelingt das mal mehr und mal weniger gut.
Ich habe nie eine richtige Therapie gemacht. Sondern bin mittlerweile ein sehr bewusst denkender Mensch.
Ich versuche nicht mehr so viel an das zu denken was ich nicht habe, sondern das zu sehen was ich habe.
Und wenn ich genau gucke ist das was ich habe nicht all zu schlecht.
Was das kotzen angeht, bin ich seit dem 29.06.2015 "sauber" mit nur einem einzigen Rückfall am 31.12.2015.
Öfters ist der Drang zu Kotzen noch da und an der Stelle, möchte ich Dir auch sagen dass das (wahrscheinlich) NIE ganz aufhören wird.
Bei mir zieht sich das durch mein bisheriges Leben und ich hab für mich erkannt, dass auch das einfach ein Teil von MIR ist und ich nicht weniger liebenswert bin weil ich eine Essstörung habe.
Vielleicht ebnet sich irgendwann mal der Weg jemandem mit meiner Geschichte und meinen Erfahrungen zu helfen. Auch wenn ich nur einer Lady helfen kann, dann war es doch für etwas gut.
Auch wenn sich das hier für den ein oder anderen gut anhört, ich habe trotzdem noch etliche Baustellen.
Ich kann mich kaum freuen, ich lache wenig. Es gibt ganz viel was ich schön finde und auch gerne mache, aber die richtige Freude dahinter fehlt. Das tut mir besonders weh für meine Kinder. Egal was sie machen, ich kann nicht diese Freude oder Stolz empfinden wie es wohl bei vielen der Fall ist.
Ich weiss nicht ob das schon fehlende Emphatien sind und ob ich die wieder bekommen kann.
Was ich mir mal wünschen würde, wären Gefühle die mal zum heulen mein Herz über laufen lassen würden.
Dass ich das nicht kann macht mich traurig:-(
Was ich tatsächlich gut kann, ist meinen Kids zu sagen dass ich sie liebe.
Ich weiss nicht ob sie es spüren, da ich oft wie ein Eisklotz wirke, aber ich hoffe dass sie meinen Worten glauben.
LG Nick