Hallo,
nun wird sich so manch eine(r) wundern, weshalb man sich um diese Uhrzeit noch hinsetzt und schreibt.
Den Grund erfahren die jenigen unter euch, die einen langen Atem haben und sich die Mühe machen meine Zeilen zu lesen, später.
Die Anonymität des Internets macht es möglich, sich vieles von der Seele zu schreiben.
Und jetzt gerade in diesem Moment bin ich froh, dass es diese Möglichkeit gibt.
Ich bin 27 Jahre alt und wie der Titel schon sagt, hat sie (die Bulimie) es nach 12 Jahren erneut geschafft mein Leben zu bestimmen.
Es fing alles im Sommer 2014 an.
Ich wurde von 2 unbekannten Tätern, die zügig aufgrund von Zeugenaussagen ermittelt werden konnten, vergewaltigt.
Schnell merkte ich anhand von Schlafstörungen und ständigen Panikattacken, dass ich dieses Erlebnis nicht ohne Hilfe auf- bzw. verarbeiten kann.
Ich begab mich zeitig in die Betreuung von Wildwasser, welches zunächst eine große Hilfe darstellte.
Dort konnte ich mich jemandem anvertrauen, mir alles von der Seele reden. Bis heute nutze ich alle 2Wochen diese Gesprächstermine.
Ich glaubte , reden könnte viel bezwecken und es erleichterte mir den Alltag tatsächlich ungemein....bis der Selbsthass mich überwältigte.
Bis heute stelle ich mir die Frage "Warum warst du nicht in der Lage dich zu wehren, warum hast du nicht einmal um Hilfe gerufen?"
Auch, wenn ich insgeheim weiß, dass es für Vergewaltigungen keine Rechtfertigungen gibt, so gibt man sich doch ungewollt eine Mitschuld.
Der Selbsthass, der sich zu dem Zeitpunkt entwickelte , richtete sich vor allem gegen mein Äußeres.
Ich konnte mich nicht mehr ansehen, empfand mich als ekelhaftes Individuum.
Zunächst reagierte ich mich durch Sport ab.
Aus 2 Mal die Woche wurden 5-6 Mal jeweils 2 einhalb Stunden.
Der Sport half mir, ich fühlte mich danach auf positive Art und Weise ausgepowert. Aber auch das Gefühl war nach wenigen Monaten vorbei und immer noch fehlte mir trotz aller Gespräche, dem Sport, der Zuwendung von Familie und Freunden etwas..
Ohne bewusst ans Brechen zu denken, fing ich an wieder mehr zu essen.
Vor allem Süßes, so als schütte es tatsächlich die bis dato herbeigesehnten Endorphine aus.
Nunja, aus mehr essen wurde viel essen und aus viel wurde krankhaftes Fressen.
Mittlerweile ist es so schlimm, dass ich mehrmals täglich breche vor allen in den Abend und Nachtstunden.
Auch heute lag ich gerade um kurz vor Mitternacht im Bett, nachdem ich wieder eine Stunde mit Übergeben zugebracht habe, da kreisten die Gedanken erneut um das Essen.
Bis halb 2 hielt ich es aus, versuchte es lediglich einen Gedanken sein zu lassen.
Doch dann musste ich mich wieder in die Küche stellen.
Ja, ich koche mittlerweile auch nachts dafür.
Es zermürbt mich, es frisst mich quasi auf.
Ich zerstöre meinen Körper, vor 2 Wochen brach beim Essen eines weichen MarsRiegels ein Stück Backenzahn ab ohne, dass dieser durch Karies o.Ä vorgeschädigt gewesen wäre.
Meine rechte Hand ist gezeichnet von verhornter Haut auf dem Zeigefingergelenk und offenen Wunden , die durch das wuchtige "Reinhämmern" und Entlangratschen an den Zähnen entstehen und nicht zuletzt meine Mundwinkel, die mittlerweile ununterbrochen eingerissen und entzündet sind.
Bis vor 2 Monaten wog ich noch 56Kg bei einer Größe von 175m.
Beim letzten Wiegen vor einer Woche waren es 68Kg .
Ich nehme wieder unaufhörlich zu!
Mein Magen ist durch die enormen Essensmengen so erschlafft, dass die "Kraft" fehlt sich komplett zusammenzuziehen beim Übergeben und alles (wie vorher auch der Fall) wieder hinauszubefördern.
Dieses extreme Zunehmen setzt natürlich weiter unter Druck. Ich will nicht zunehmen , kann das Brechen aber auch nicht sein lassen.
Meine Gedanken drehen sich nur noch um Einkaufen, Kochen, Backen, Essen , Brechen und wenn ich dies mal für wenige Stunden abschütteln kann Frage ich mich , wann endlich der Prozess gegen die Täter beginnt.
Es macht mich fertig zu wissen, dass ich ihnen jeden Tag über den Weg laufen könnte, zu wissen, dass sie -dank unseres Rechtssystems- keine wirkliche Strafe zu erwarten haben, während ich nur selten bis gar nicht mehr in der Lage bin ,einen einzigen "normalen" Tag zu verbringen.
Tagsüber muss ich funktionieren, der Arbeit und vorallem meines Sohnes wegen.
Doch sobald dieser im Bett ist, geht der Horror erneut von vorne los und dauert bis in die Morgenstunden an.
Ich kann einfach nicht mehr.
Mit 14 Jahren war ich schon einmal an Bulimie erkrankt und befand mich 4Monate stationär in einer Fachklinik für Essstörungen.
Dies ist mir mittlerweile mit meinem Sohn nicht mehr möglich da die Betreuung nicht optimal gewährleistet wäre.
Ohnehin habe ich mich entschieden, trotz meiner 27 Jahre ein Rechtswissenschaftsstudium aufzunehmen , welches im April beginnt.
Ich will nicht , dass die Krankheit derart Besitz von mir ergreift, dass sie mich komplett aus der Bahn wirft und mich unfähig werden lässt, den AllTAG zu meistern.
Ich will sie loswerden, so wie damals.
Doch weiß ich nicht wie :(
Stationär ist keine Option, doch schwindet allmählich die Hoffnung, dass ich es aus eigener Kraft schaffe.
Nun ist es wieder halb 4.
Wer bis zu dieser Zeile mit gelesen hat, dem danke ich für das "Durchhaltevermögen" und Mitlesen.
Ich wollte mich einfach "auskotzen" , das Schreiben tat gut.
Und vielleicht gibt es Betroffene, die mir Tipps geben können (vllt. Selbstentworfene Lösungsstrategien um eine Fressattacke zu vermeiden).
Bin für jede Anregung dankbar.
LG und gute Nacht